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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Information Chirurgie



sonne2
19.05.2017, 21:22
Hallo ihr fertigen Ärzte! :)

Ich bin zwar erst in der Vorklinik und will nicht, dass irgendwer denkt, ich wäre schon total festgesetzt in meiner Meinung oder irgendwie ein doofer Anfänger, der meint, er ist schon beinahe Arzt. Aber für mich war die Chirurgie immer der Anreiz, Medizin zu studieren und immer wieder mal packt mich das Interesse und ich denke mir immer, ich will Infos aus erster Hand, um mir ein besseres Bild zu machen. (Dafür gibt es so ein Forum ja, tut mir leid, falls es schon einen Thread gibt.)
Ich habe mich natürlich schon über die Ausbildung informiert, mit den 8 Säulen und dem Common Trunk, etc., wäre aber mehr am klinischen Alltag interessiert. Wie viel Patientenkontakt hat man letztendlich? Wie sind die Arbeitszeiten, kommen oft Notrufe? Außerdem würde mich der Unterschied zwischen einem großen Haus und einem kommunalen Krankenhaus interessieren. Logischerweise gibt es die "guten OPs" eher in den großen Zentren. Aber wie sieht der OP-Alltag aus? Wie oft kommt ein wirklich interessanter medizinischer Fall rein? Ab welchen Jahr darf man erste Solo-Eingriffe durchführen?
Ich freue mich über jede Antwort und Info, auch wenn ihre Wissenswertes habt, dass ich jetzt nicht gefragt habe!

Vielen Dank euch allen!

Kackbratze
19.05.2017, 22:14
Boardsuche und Famulaturen helfen weiter. Jede Klinik ist anders organisiert.

Lava
20.05.2017, 10:50
Patientenkontakt hat man viel. Die liegen einfach überall rum :-oopss

Die Arbeitszeiten können sehr unterschiedlich sein. In meiner jetzigen Klinik macht man selten Überstunden und Wochenenddienste werden in Frizeit ausgeglichen. Es gibt aber immer noch Häuser, wo die Assistenten 12h arbeiten, ohne sich die Überstunden aufzuschreiben und wo Dienste auch nicht in Freizeit ausgeglichen, sondern bezahlt werden. Man verdient dadurch deutlich mehr, aber es geht auch zu Lasten der Lebensqualität, finde ich.

Spannende Fälle hat man immer wieder mal. An einer großen Klinik sicher häufiger als an einer kleinen. Da werden dann gerade die spannenden Fälle auch oft verlegt, weil man sie nicht versorgen kann. Von daher bin ich persönlich eher ein Fan von größeren Häusern, aber das ist Geschmackssache.

Ab wann man Eingriff allein machen darf, it auch von Klinik zu Klinik unterschiedlich. Kleinere Sachen darf man auch als Assistent schon machen (kleinere Metallentfernungen, Ports), "richtige" OPs meist erst als Facharzt.

juke5489
20.05.2017, 11:46
Ich habe mich natürlich schon über die Ausbildung informiert, mit den 8 Säulen und dem Common Trunk, etc., wäre aber mehr am klinischen Alltag interessiert. Wie viel Patientenkontakt hat man letztendlich? Wie sind die Arbeitszeiten, kommen oft Notrufe? Außerdem würde mich der Unterschied zwischen einem großen Haus und einem kommunalen Krankenhaus interessieren. Logischerweise gibt es die "guten OPs" eher in den großen Zentren. Aber wie sieht der OP-Alltag aus? Wie oft kommt ein wirklich interessanter medizinischer Fall rein? Ab welchen Jahr darf man erste Solo-Eingriffe durchführen?
Ich freue mich über jede Antwort und Info, auch wenn ihre Wissenswertes habt, dass ich jetzt nicht gefragt habe!

Vielen Dank euch allen!

hey,

bin selber im oktober frisch von der uni in der chirugie eingestiegen, genauer gesagt in der plastischen chirurgie, hand und verbrennungschirurgie.
patientenkontakt gibt es reichlich. ich bin aktuell in der sprechstunde eingeteilt, sehe also den ganzen tag über diverse patienten. arbeitszeit ist bei mir von 7 bis 15:30, überstunden gibt es de facto nicht, solange nicht irgendeine lange op bis in den dienst gibt, wo man noch aushelfen möchte und das dienstteam allein zu wenig wäre. hab aber seit meinem arbeitsbeginn nur 7 überstunden auf dem überstundenkonto.
notrufe sind bei uns häufig. dadurch, dass wir sowohl schwerstverbrannte als auch komplexe handtraumata versorgen haben wir durchaus einiges an den üblichen verletzungsmustern zu versorgen. wie heißt es so schön...auch wenn nachts alles schläft sitzt irgendwo noch jemand mit der kreissäge und sägt mehr als er wollte.
interessante medizinische fälle sind am anfang fast alle. die erfahrung ist noch reduziert, viele sachen hast du aus erster hand noch nicht gesehen oder versorgt, langweilig wird es daher nicht. gleichzeitig ist je nach fachbereich die lernkurve gerade am anfang enorm, sodass man sich sehr schnell eine solide grundkompetenz aneignet.
was operationen angeht, so ist das überall und auch in unterschiedlichen fachbereichen unterschiedlich. bei uns hab ich meine ersten eigenen ops unter aufsicht sehr schnell gemacht. gerade im dienst kommt man bei uns gut zum operieren und bekommt viel gezeigt. frakturversorgung, mikrochirurgische sehnen und nervennähte, debridements, hauttransplantationen, stumpfbildungen und und und. man kommt schon auf seine ops. aber wie gesagt, das ist mit sicherheit überall unterschiedlich. eine gute freundin von mir an einer uniklinik hat im ersten halben jahr an einer uniklinik >200 ops als 1. operateur gemacht. andere haben in ihrem ersten halben jahr nicht einmal im op gestanden.

Fr.Pelz
20.05.2017, 12:16
Hallo, Bratze hat recht, es ist überall anders.
Ich bin im 4. WBJ an einem Maximalversorger und man sieht schon einiges. Ich mache Allgemeinchirurgie, in den Diensten bin ich aber auch für Unfallchirurgie zuständig, Patientenkontakt hast natürlich, nicht nur in den Visiten, sondern auch in der Sprechstunde und bei (Aufnahme-)Gesprächen. Mir gefällt genau diese Abwechslung zwischen Stationstrubel und konzentriertem ruhigem Arbeiten im OP sehr gut.
In den Diensten kümmert man sich ja quasi nur um Notfälle, in der regulären Zeit weniger. Hier ist es so, dass man im ersten Jahr anfängt kleinere Sachen zu operieren wie Abszessspaltungen, dann kommen halt Ports, kleinere Amputationen, Hernien, Gallen etc und die ganze Zeit über assistiert man bei spannenden Sachen. Unsere Klinik ist so organisisiert, dass man über die verschiedenen Stationen rotiert und dann jeweils nur die Patienten der eigenen Station (mit)operiert.

Mein Alltag sieht zb so aus: 6.45 Arbeitsbeginn, kurzer Überblick im PC ob es nachts einen Zugang gab, 7 Uhr Visite, 7.30 Frühbesprechung und ggf Fortbildung (10min Vortrag) dann ggf Beenden der Visite und erledigen von Stationskram (Konsile und Untersuchungen anmelden) und ab 8.30ca im OP (Dienstag war das bei mir zb eine Hemithyreoidektomie, die ich selbst mit dem OA machen durfte) in der Wechselzeit schnell auf Station, Brötchen essen, Epikrise schreiben, dann habe ich dem OA eine Thyreoidektomie assistiert, dann durfte ich eine Leistenhernie operieren, dann war es ca 15.30 und wir mussten noch restlichen Stationskram erledigen, Epikrisen schreiben, 16 Uhr war ich draußen (offizielles Ende wäre 15.15 gewesen). An manchen Tagen ist es entspannter, an manchen stressiger, dann muss man zwischendurch noch konsiliarisch zu Patienten, auf anderen Stationen aushelfen, PJler unterrichten, zu Röntgenbesprechungen oder längeren Fortbildungen....
Die Dienste sind bei uns relativ stressig, sie erfüllen nicht mehr die 60% Zeitvorgabe, die man im Bereitschaftsdienst arbeiten darf, aber Schichtdienst will auch keiner.

sonne2
20.05.2017, 12:17
Vielen Dank für eure schnellen Antworten!



interessante medizinische fälle sind am anfang fast alle. die erfahrung ist noch reduziert, viele sachen hast du aus erster hand noch nicht gesehen oder versorgt, langweilig wird es daher nicht. gleichzeitig ist je nach fachbereich die lernkurve gerade am anfang enorm, sodass man sich sehr schnell eine solide grundkompetenz aneignet.

Das klingt echt cool! Für mich war es irgendwie auch immer ein Anreiz, ein gewisses Maß an Stress zu haben. Auch im Pflegepraktikum (natürlich kein Vergleich) hatte ich das Gefühl, dass ein wenig Stress mich erst richtig fordert und eher produktiver macht. Was war denn der interessanteste Fall, bei dem du bisher dabei warst? :)

anignu
20.05.2017, 13:05
Wie sind die Arbeitszeiten, kommen oft Notrufe?
Völlig unterschiedlich. Aber weniger abhängig von der Unterscheidung Uni-Maximal-Grundversorger, eher von Lage (bzgl. Notrufe), Angebot und sonstigen Arbeitsbedingungen. Es gibt kleine Häuser oder Maximalversorger in denen kommt man immer pünktlich raus und genauso Häuser in denen macht man üblicherweise 1-3 Überstunden täglich. Selbst ansehen!

Logischerweise gibt es die "guten OPs" eher in den großen Zentren.
Die Frage ist, was du als "gute OPs" definierst? Nieren-/Leber-/Herztransplantationen gibts wirklich nur in ein paar Kliniken. Aber sonst? Es gibt inzwischen eine immer stärkere Spezialisierung. Insofern solltest du dir überlegen welche Eingriffe du sehen/lernen willst und nachfragen ob das deine Wunschkliniken auch anbieten. Und auch manche Abteilungen von Grundversorgern arbeiten auf Uni-Niveau. Das darf man aber nicht zu laut sagen, denn das glauben die Uni-Leute immer nicht. Wenn man denen aber einmal sagt was man in der Woche alles so operiert hat, wundern sie sich doch...

Ab welchen Jahr darf man erste Solo-Eingriffe durchführen?
Extrem abhängig von der Klinik und den Oberärzten. Extrem. Es kann dir passieren, dass du sofort nach wenigen Wochen loslegst oder die Politik des Hauses so ist, dass du quasi nie Eingriffe machen darfst. Nachfragen. Hospitieren. Kollegen fragen. Regels gibts da keine. Oder wie es ein Oberarzt mal zu mir gesagt hat auf die Frage ob ich auch mal was machen dürfe: "In meinem Arbeitsvertrag steht nicht drin, dass ich sie ausbilden muss"

Mano
20.05.2017, 17:29
"Gute OPs" ist wohl auch sehr relativ.

Einerseits ist es bestimmt ziemlich "cool" ne Leber zu transplantieren oder komplexe Ösophaguschirurgie durchzuführen.

Andererseits steht man da als Assistenzarzt meist nur in dritter oder vierter Reihe (wenn überhaupt) und die Anzahl der Patienten, die das ganze nicht überstehen ist deutlich höher als wenn man im kleinen Haus so uncoole Sachen wie Gallenblasen und Hemikolektomien macht - dafür aber in der ersten Reihe und mit deutlich besserem Outcome für die Patienten...

sonne2
20.05.2017, 18:54
Mir geht es auch weniger allein um die Assistenzarztszeit als die allgemeine Berufssituation für Chirurgen. Also wenn ich von guten OPs rede, meine ich z.B., ob ein Allgemeinchirurg 90% nur Appendices rausholt und nur alle 4 Wochen mal eine ungewöhnlichere, längere, kompliziertere OP auf dem Plan hat. D.h. inwiefern kehrt der klinische Alltag und damit die Routine ein und inwiefern bleibt es immer wieder neu und überraschend? Dass solche OPs natürlich kein intern erledigt ist klar, aber auch zusehen/ assistieren ist ja sehr interessant.

Fr.Pelz
20.05.2017, 19:44
Im Alltag sucht man sich als fertiger Chirurg häufig eine Spezialisierung oder zumindest ein Steckenpferd. Und je nach klinikgrösse machst du dann eben mehr (große Klinik) oder weniger (kleine Klinik) Spezielles. Oder du gehst in die Praxis oder in die Notaufnahme und bleibst Generalist. Wenn man in einer kleinen Klinik ist, macht man natürlich viel "Kleinkram" -also septische Chirurgie, appendektomien, Hernien... und auch wenn man sich dann ein spezielleres Gebiet suchst, machst du in den Diensten dann die ganze Chirurgie und ggf. noch andere Fachrichtungen mit. Es soll sogar Kliniken geben, da bist du nachts der einzige Arzt... :-)
Bei uns sind relativ viele Leute spezialisiert in viszeralchirurgie und machen hauptsächlich spannende OPs wie Whipple, ösophagus, leberresektionen - aber es wird dann vorausgesetzt dass du eine hemikolektomie, stomaanlage oder CCE erst recht kannst und anderen bei Komplikationen aus der patsche hilfst. Also nur "gute" OPs gibts eh nicht, je besser du wirst, desto mehr musst du auch machen, was von vornherein kompliziert ist.

sonne2
20.05.2017, 20:13
Im Alltag sucht man sich als fertiger Chirurg häufig eine Spezialisierung oder zumindest ein Steckenpferd. Und je nach klinikgrösse machst du dann eben mehr (große Klinik) oder weniger (kleine Klinik) Spezielles. Oder du gehst in die Praxis oder in die Notaufnahme und bleibst Generalist. Wenn man in einer kleinen Klinik ist, macht man natürlich viel "Kleinkram" -also septische Chirurgie, appendektomien, Hernien... und auch wenn man sich dann ein spezielleres Gebiet suchst, machst du in den Diensten dann die ganze Chirurgie und ggf. noch andere Fachrichtungen mit. Es soll sogar Kliniken geben, da bist du nachts der einzige Arzt... :-)
Bei uns sind relativ viele Leute spezialisiert in viszeralchirurgie und machen hauptsächlich spannende OPs wie Whipple, ösophagus, leberresektionen - aber es wird dann vorausgesetzt dass du eine hemikolektomie, stomaanlage oder CCE erst recht kannst und anderen bei Komplikationen aus der patsche hilfst. Also nur "gute" OPs gibts eh nicht, je besser du wirst, desto mehr musst du auch machen, was von vornherein kompliziert ist.

Danke dir, das ist genau das, was ich hören wollte. :) Dass es klinikabhängig bleibt ist mir klar. Aber was du so beschreibst, hört sich echt toll an!
Wenn ich bspw. Viszeralchirurg werde, dann gibt es immer noch weitere Vertiefungen, aber sind die dann offizielle Weiterbildungen oder eher klinikinterne Verteilungen?

Fr.Pelz
20.05.2017, 20:53
Sowohl als auch. Mein momentaner Stations-OA hat sich zb innerhalb der Viszeralchirurgie nochmal auf endokrine Chirurgie spezialisiert und besucht zu dem Thema Fachtagungen, ist in Arbeitsgemeinschaften. Inhäusig macht er dazu die Spezialsprechstunde und wird konsiliarisch dazugezogen - und operiert das halt auch viel. Trotzdem macht er in den Diensten noch die Notfall-Viszeralchirurgischen OPs (Ileus, Darmperforation etc) und ansonsten halt auch was so anfällt, Gallen, Hernien etc. Er würde jetzt keine Rektum- oder Ösophagusresektion machen (obwohl er es gelernt hat) da haben sich halt andere darauf spezialisiert.

Kackbratze
20.05.2017, 23:01
Wenn ich bspw. Viszeralchirurg werde, dann gibt es immer noch weitere Vertiefungen, aber sind die dann offizielle Weiterbildungen oder eher klinikinterne Verteilungen?

Von der Vorklinik bis zum Examen sind es noch mindestens 4 Jahre. Die Fachgesellschaften treiben in fast allen Fachbereichen die weiteren Spezialisierungen voran. Zur Zeit kann ich dir nur raten abzuwarten und Praktika zu machen.
Retrospektiv hat sich alleine zu meiner Zeit an der Uni die Lage 2x gewendet (Ärztemangel, Weiterbildung) und sie wandelt sich weiterhin.
Was zur Zeit deines Examens sein wird, geschweige denn zum Zeitpunkt deiner Facharztprüfung kann Dir, bei bestem Wissen und Gewissen, hier niemand sagen.

sonne2
20.05.2017, 23:31
Was zur Zeit deines Examens sein wird, geschweige denn zum Zeitpunkt deiner Facharztprüfung kann Dir, bei bestem Wissen und Gewissen, hier niemand sagen.

Danach habe ich ja auch nicht gefragt. ;) War reines Interesse an der aktuellen Situation. Es gibt auch Nicht-Med-Studenten, die Interesse an der aktuellen Ärzteausbildung haben, nur weil ich erst in der Vorklinik bin, heißt das nicht, dass ich nicht danach fragen darf.. Habe ja eingangs erwähnt, dass ich nicht festgesetzt in meiner Meinung bin.

Kackbratze
20.05.2017, 23:37
Ich wollte auch nicht dein Interesse schmälern, sondern ein weiteres Puzzlestück deiner Zukunftsfrage hinzufügen.