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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Tag 2 Frage A 159/B 49 - Primacy-Effekt



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Uschi92
24.08.2017, 22:51
wurstbrot1337 : Schau dir mal #38 von Uschi92 an. Die gibt die ML-Dozenten als Quelle an. So kann kein Einspruch oder Eingabe ernst genommen werden. Oder in einem anderen Thread sinngemäß "ihr wolltet 'Lymphbahnen' hören, das ist mir klar, aber xy könnte theoretisch ja auch richtig sein".

Als hätte man einen Anspruch auf Streichung der Frage. Oder als würden das IMPP unsere Gedanken wirklich tiefgründig interessieren.

Lies doch bitte den ganzen Text:
Mir geht es in dem Fall darum, dass B als richtige Lösung anerkannt werden muss. Sollte B nicht als richtige Lösung anerkannt werden --> Rüge der Frage.
Sollte B als richtig anerkannt werden, kein Problem für mich :).

In dem Sinne sind die Medi-Learn-Dozenten lediglich eine Hilfestellung, um zu begründen, warum ich davon ausgehe, dass jemand etwas anderes als das m.M.n. recht deutlich als richtig erscheinende "B" als richtig zu akzeptieren.

Uschi92
24.08.2017, 23:06
Auch wenn mich jetzt viele dafür hassen könnten, aber irgendwann kommt mal ein Punkt, an dem man nicht mehr nur mit Klagen und Einsprüchen weiterkommt. Viele Dozenten meinen auch, dass keiner auf ne 4 zielen wollte. Wer wollte denn von einem Arzt behandelt werden, der nur 2/3 von dem weiß, was er wissen könnte.

Es gibt aber auch solche, die vielleicht (nach aktueller Hochrechnung) nur wenige Punkte von der besseren Note entfernt sind und die sich diese Chance auf eine 3 statt einer 4, einer 2 statt einer 3 oder vielleicht sogar einer 1 statt einer 2 nicht so einfach nehmen lassen wollen, wenn es nur an 1-2 Punkten hängt.

h3nni
24.08.2017, 23:11
Stimmt schon, mir gehts ähnlich. Aber auf Teufel komm raus bei jeder Frage immer nach Rügen rufen, ist mir persönlich einfach nicht sympathisch.
Und was ich zu deiner Rüge ausdrücken wollte: dem IMPP, dem die ML-Auswertung vermutlich eh gegen den Strich geht, von den Dozenten zu schreiben, die keine fachlichen Koryphäen sind und die keinesfalls allgemein als Lehrbuch-Qualität angesehen werden, mit den ML-Ergebnissen zu kommen, ist schwach. Und im Zweifel macht genau das die Rüge dann nicht stichhaltig.

dr.page
25.08.2017, 00:21
Joa, Jungs und Mädels, ich bin da auch voll auf eurer Seite. Ich diskutiere hier zwar fröhlich mit, und ich fand auch einige Fragen ziemlich doof formuliert oder unklar zu beantworten, aber bei quasi allen Fragen, die ich falsch gekreuzt habe, habe halt ich Fehler gemacht. Hätte ich wissen können, wenn ich es gelernt oder mich zwischen den zwei in Frage kommenden besser entschieden hätte (Hep B-Impfung), oder richtig kreuzen, wenn ich vernünftig nachgedacht hätte, aber habe in dem Moment geschludert (ein paar andere). Ich persönlich werde gar keine Rüge schreiben, die haben auch ohne mich genug zu tun. Und so sehr ich grundsätzlich jedem, der sich angestrengt hat, sein Physikum gönne, finde ich es auch fraglich, ob wenn es an zwei oder drei Fragen zum Bestehen hapert oder gar mehrfach nicht bestanden wurde, man denn unbedingt diesen Weg so mit Gewalt weiter gehen sollte. Irgendwie haben die Anforderungen ja eben auch Sinn, wenn man bedenkt, dass Menschenleben in unsere Hände gelegt werden sollen...
Ich denke und hoffe auch mal, dass das IMPP da teilweise einfach etwas Standhaftigkeit zeigt - wir sind sicher nicht das erste Semester, wo 30 Fragen gerügt und vielleicht 2 wirklich rausgenommen werden.

Uschi92
25.08.2017, 01:27
Stimmt schon, mir gehts ähnlich. Aber auf Teufel komm raus bei jeder Frage immer nach Rügen rufen, ist mir persönlich einfach nicht sympathisch.
Und was ich zu deiner Rüge ausdrücken wollte: dem IMPP, dem die ML-Auswertung vermutlich eh gegen den Strich geht, von den Dozenten zu schreiben, die keine fachlichen Koryphäen sind und die keinesfalls allgemein als Lehrbuch-Qualität angesehen werden, mit den ML-Ergebnissen zu kommen, ist schwach. Und im Zweifel macht genau das die Rüge dann nicht stichhaltig.

Wie gesagt: mir geht es nur darum, dass die eine Antwort (auch) als richtig gewertet wird. Sollte es die alleinige richtige Antwort sein und das IMPP war schon auf meiner Seite, dann ist die Rüge hinfällig. Sind sie aber anderer Meinung, muss ich denen ja nicht erklären, warum sie recht haben. Dann ist auch, ähnlich der salvatorischen Klausel, nicht die ganze Rüge hinfällig, nur weil in einem Satz etwas steht, was sie nicht gerne hören mögen.

Bzgl. der vom IMPP ungern gesehenen Auswertung durch Medi-Learn: Nach Eintreffen aller Lösungsbögen sollte es ja kein Problem sein, einen unverbindlichen Lösungsspiegel zu veröffentlichen und im Anschluss daran eine einwöchige Frist für Anmerkungen zu setzen. Dann wären die Studenten nicht auf solcherlei Hilfsmittel angewiesen, um zu sondieren, wo ggf. Fragen kritisch zu hinterfragen sind. Das könnte ja erfreulicherweise auch unabhängig von der Auswertung der Lösungen erfolgen.

Und an dr.page: Wenn niemand eine Frage rügt und das IMPP selbst mit seiner " Expertenkommission" (mir fehlt gerade die offizielle Bezeichnung) die Fragen durchsieht und dabei womöglich Aspekte übersieht, die durchaus unklar ist, wäre das doch schade. Ich sehe daher kein Vergehen darin, deren Wunsch nach Anmerkungen (siehe Veröffentlichung des IMPP zum Physikum bzgl. diverser Irrglauben) nachzukommen.

Jess.Smy
25.08.2017, 08:13
Du schreibst eine offizielle "Bitte um Überdenken und Neuentscheiden einer/mehrerer Prüfungsfrage/n".
Dann listest du auf, welche Fragen diese sind, die du anfechten möchtest und schreibst jeweils eine mit Literatur begründete Argumentation dazu. Korrekt zitieren und ganz wichtig QUELLE angeben (genau).

Unregistriert
25.08.2017, 19:10
Dass die Physikumsnote darüber entscheidet wie gut Patienten in unseren Händen aufgehoben sind wage ich zu bezweifeln.
Ich kann auch verstehen, wenn Fragen beanstandet werden, wenn es dafür Quellen gibt, die sich widersprechen oder keine eindeutige Aussage zulassen. Genau so sehe ich es bei ein paar der PsychSoz-Fragen, die man besser hätte formulieren können. Ich denke diese Kritik nimmt das IMPP vielleicht sogar gerne an, um künftige Anfragen wie diese zu reduzieren :-)

Unregistriert
26.08.2017, 10:25
Hallo an alle!
Ich habe bei dieser Frage auch sehr lange darüber nachgedacht, schwankte zwischen A, B und E.
A konnte ich dann ausschließen. Ich hatte aber am Tag zuvor noch etwas über Ankerheuristik gelesen, und es passte alles dazu. Daher habe ich mich für B entschieden.

Es geht bei mir auch nicht ums Bestehen- allerdings möchte ich eine Frage, bei der ich so lange überlegt habe und es ja wirklich wusste nicht scheitern bloß weil ich "es zu genau wusste" und daher dachte B passt besser als E.

@ Uschi92 hast du es kommentiert?

Das wäre eine Frage die ja nun wirklich ungenau ist.

Und im Übrigen finde ich, wir lernen soooo viel, man muss auch schon einiges wissen um mit 60% zu bestehen. Und wenn es an einem Punkt scheitert, und so eine unklare Frage dabei war, finde ich es absolut gerechtfertigt sich zu beschweren.

xmn83
26.08.2017, 15:37
Hat nun jemand beim Impp kommentiert?

Uschi92
26.08.2017, 16:52
Hallo an alle!
Ich habe bei dieser Frage auch sehr lange darüber nachgedacht, schwankte zwischen A, B und E.
A konnte ich dann ausschließen. Ich hatte aber am Tag zuvor noch etwas über Ankerheuristik gelesen, und es passte alles dazu. Daher habe ich mich für B entschieden.

Es geht bei mir auch nicht ums Bestehen- allerdings möchte ich eine Frage, bei der ich so lange überlegt habe und es ja wirklich wusste nicht scheitern bloß weil ich "es zu genau wusste" und daher dachte B passt besser als E.

@ Uschi92 hast du es kommentiert?

Das wäre eine Frage die ja nun wirklich ungenau ist.

Und im Übrigen finde ich, wir lernen soooo viel, man muss auch schon einiges wissen um mit 60% zu bestehen. Und wenn es an einem Punkt scheitert, und so eine unklare Frage dabei war, finde ich es absolut gerechtfertigt sich zu beschweren.

Ja, habe es kommentiert, bin dabei jedoch nur speziell auf die Ankrrheuristik eingegangen und warum diese als Optimalösung zu werten ist, ohne die anderen Lösungen genauer zu beurteilen (habe mich dabei an dem Psychologie-Buch bedient, welches am Anfang des Threads erwähnt wird). Sollte das IMPP Antwortoption B (Ankerheuristik) von vornherein als Bestantwort werten, wäre mein Kommentar also hinfällig. Wenn sie jedoch anderer Meinung sind, muss ich denen ja keine Literatur nennen, die eine meiner Meinung nach falsche Antwort unterstützt, wenn ich diese nicht ohne großen Aufwand finde. Jemand der von sich denkt, er/sie könne besser argumentieren (habe meinen Kommentar hier auch veröffentlicht) und vllt auch für andere Antwortoptionen Literatur findet, der kann also gerne auch einen Kommentar schreiben. Geht wirklich easy und schnell.

Wünsche uns allen viel Erfolg!

xmn83
26.08.2017, 17:04
Hey super, dass du es kommentiert hast!
Ich werde mir deinen Kommentar anschauen, und dem Impp auch mal schreiben, mit der gleichen Quellenangabe aber natürlich anders formuliert😄
Ich denke es kann nicht schaden wenn zu einem Thema mehrere Kommentare ankommen, dann bekräftigt das unsere Ansicht bloß 👍

Auch von mir, viel Erfolg allen noch!

MEDI-LEARN
29.08.2017, 09:31
Liebe Leute,
tatsächlich handelt es sich bei der Änderung auf A um einen Tippfehler, für den wir uns in aller Form entschuldigen möchten.
Wir schließen uns der Auffassung an, dass es sich um "Ankerheuristik", also Lösung B handelt. Dafür wurde weiter oben ja auch schon ein Literaturbeleg angeführt.

Viel Erfolg!
Euer MEDI-LEARN-Team

Alpheus
01.09.2017, 03:39
Also richtig eindeutig ist das definitiv nicht. Nur weil die Aufgabe im Faller Lang vorkommt, heißt das nicht, dass andere Möglichkeiten nicht zutreffen. Meiner Meinung nach ist der Fall ein Beispiel für eine Ankerheuristik mit Merkmalen von Primacy-Effekt und additivem Schlussfolgern. Nirgends im Faller und Lang steht, dass die Fallbeispiele nur auf ein Begriff anwendbar sind

Aber wenn doch -wie hier schon mehrfach erwähnt - wortwörtlich dieses Fallbeispiel unter der Definition von "Ankerheuristik" steht!? :-??? btw im Faller/Lang stehen keine Aufgaben, sondern nur Definitionen und Erklärungen.

Was aus dieser Aufgabe spräche denn deiner Meinung nach für den Primacy-Effekt? Bitte mit Zitat aus der Aufgabenstellung.

wurstbrot1337
01.09.2017, 11:04
Aber wenn doch -wie hier schon mehrfach erwähnt - wortwörtlich dieses Fallbeispiel unter der Definition von "Ankerheuristik" steht!? :-??? btw im Faller/Lang stehen keine Aufgaben, sondern nur Definitionen und Erklärungen.

Was aus dieser Aufgabe spräche denn deiner Meinung nach für den Primacy-Effekt? Bitte mit Zitat aus der Aufgabenstellung.

Reg dich mal ab. Ich behaupte ja nicht, dass die Ankerheuristik falsch ist, sondern, dass die Aufgabe nicht ganz eindeutig ist, sondern dass Primacy Effekt auch möglicherweise in Frage kommt und daher die Aufgabe nicht eindeutig ist. Ich übe hier also nur Kritik an der Frage. Das ist ja nicht verboten und ich habe diese Kritik auch sachlich begründet. Siehe meinen Beitrag #43:

2. Die Aufgabenstellung zeigt zudem Merkmale eines Primacy-Effekts auf. Insbesondere die Schlüsselbegriffe "erster Eindruck" und "Erstgespräch" in der Aufgabenstellung suggerieren, dass die Information, die der Arzt am Anfang gewonnen hat, besonders stark in seinem Gedächtnis haften bleiben. Zudem überdeckt diese am Anfang gewonnene Information das Vorliegen einer posttraumatischen Störung. Der Arzt bleibt bei seiner Anfangsvermutung, da der erste Eindruck andere relevante Informationen überdeckt. Folglich erkundigt er sich nicht nach einer posttraumatischen Belastungsstörung.
Charakteristisch für den Primacy-Effekt ist zudem, dass der erste Eindruck nur schwer korrigiert werden kann. Dies liegt auch hier vor. Der Arzt hat im Laufe des Gespräches seinem ersten Eindruck nicht hinterfragt, obwohl Zeichen vorlagen, dass die Patientin möglicherweise mehr als nur an einer depressive Störung leidet. Insbesondere die Tatsache, dass die Patientin motorisch gehemmt ist, lässt vermuten, dass die Patienten unsicher ist und möglicherweise etwas vor dem Arzt verbirgt. Aufgrund seines ersten Eindruckes hinterfragt er dieses merkwürdige Verhalten nicht und korrigiert nicht seinen ersten Eindruck.

Definition zu Primacy-Effekt:
"Während des Erstkontakts nimmt der Arzt viele Informationen über den Patienten auf. Dabei hat sich gezeigt, dass manche Informationen besonders stark im Gedächtnis haften bleiben. Es sind dies diejenigen vom Beginn des Gesprächs (erster Eindruck; primacy-Effekt), z.B. das Aussehen des Patienten, und diejenigen vom Ende des Gesprächs (letzter Eindruck; recency Effekt). Durch diese beiden Effekte kann die in der Zwischenzeit vermittelte Information, die vielleicht wichtiger ist, überdeckt werden. Dass sich schon sehr früh ein erster Eindruck einer Person bildet, der nur schwer korrigiert werden kann, ist ein bekanntes Phänomen der Wahrnehmungspsychologie." (S.232 aus Hermann Faller, Hermann Lang: Medizinische Psychologie und Soziologie. Berlin Heidelberg: Springer-Verlag, 2016)

Aufgabenstellung Physikum Herbst 2017 Frage A159/B49
"Eine Patientin sucht nach einer Vergewaltigung eine sozialpsychiatrische Beratungsstelle auf. Der Arzt erfährt nicht von der Vergewaltigung der Patientin, da sie davon aus Scham nicht von sich aus berichtet. Sie wirkt im Erstgespräch motorisch gehemmt, sodass der Arzt den ersten Eindruck gewinnt, dass sie an einer depressiven Störung leidet. Sein erster Eindruck verstärkt sich, als die Patientin bestätigt, dass depressive Symptome vorliegen. Er fragt infolgedessen nicht nach den Symptomen einer posttraumatischen Belastungsstörung" (Physikum Herbst 2017 Frage A159/B49)

iuoakexrmjhnc
01.09.2017, 17:42
Disclaimer: ich bin der Meinung dass Psycho höchstwahrscheinlich schwarze Magie ist (mindestens aber Quacksalberei), deswegen kommen von mir nur vage Vermutungen.


Ich zitiere mal das elitäre Wurstbrot:
"Durch diese beiden Effekte kann die in der Zwischenzeit vermittelte Information, die vielleicht wichtiger ist, überdeckt werden."

und das IMPP:
"da sie davon aus Scham nicht von sich aus berichtet"

Meiner Meinung nach widerspricht sich das, es werden ja keine weiteren Informationen ignoriert, es kommen schlichtweg keine. Das fehlende Nachfragen erfüllt für mich die zitierte Definition des Primacy-Effekts nicht, ich hatte vor dem Moment als ich die Frage vor mir liegen hatte aber auch noch nie von der Anker-Heuristik gehört, in die Richtung kann ich also leider nichts beitragen.

Alpheus
02.09.2017, 02:33
Der Primacy-Effekt bezieht sich nur auf alle tatsächlich geäußerten Informationen. Von diesen geäußerten Informationen hört/sieht der Zuhörer (Arzt) alle, aber sie bleiben ihm unterschiedlich stark im Gedächtnis. So können, wie in der Definition beschrieben, anfängliche und letzte Informationen in den Vordergrund treten, während das dazwischen Geäußerte verblasst oder sogar vergessen werden kann.
Ich verstehe, dass der Primacy-Effekt aufgrund der von dir fett markierten Reizwörter eine verlockende Falle ist. Das Problem ist hier: die Vergewaltigung wurde nie geäußert, sie ist keine "in der Zwischenzeit vermittelte Information" (Zitat Definition), die durch die beiden Effekte überdeckt würde. Sie kann im "Verhalten des Arztes" (Zitat Aufgabenstellung) nicht vergessen werden. Der Primacy-Effekt ist raus. Tut mir leid, aber ich finde das immer noch ziemlich eindeutig, nur eben mit Fallen gespickt.

Additive Schlussfolgerung finde ich noch "fälscher". Bei dieser wird ja geradezu betont, dass "möglichst viele Informationen" gesammelt werden ("breite Datenerfassung), unter denen auch weniger wichtige Daten erfasst werden. Auch hier gilt: Die Vergewaltigung war nie übermittelte Information.

Alpheus
02.09.2017, 02:45
iuoakexrmjhnc hat das Gleiche geschrieben.
sry, zu spät gelesen. :-)

wurstbrot1337
02.09.2017, 10:27
Der Primacy-Effekt ist raus. Tut mir leid, aber ich finde das immer noch ziemlich eindeutig, nur eben mit Fallen gespickt.


1. Auch wenn das Überdecken von Information nicht zutrifft, kann man den Primacy Effekt nicht ausschließen. Grund:

"Durch diese beiden Effekte kann die in der Zwischenzeit vermittelte Information, die vielleicht wichtiger ist, überdeckt werden."

Es kann also zwischenzeitlich Information vermittelt werden und diese kann überdeckt werden, mussaber nicht zwingend, damit es ein Primacy Effekt ist. Damit ergibt sich die in der Zwischenzeit vermittelte Information und die Überdecken dieser Information durch den ersten Eindruck als hinreichendes Kriterium und das Haftenbleiben des ersten Eindrucks als notwendiges Kriterium. Als Folge ergibt sich dass ein Haftenbleiben des ersten Eindrucks für einen Primacy Effekt vorliegen muss, da das Haftenbleiben des ersten Eindrucks als notwendiges Kriterium unersetzlich ist. Anders aber bei der in der Zwischenzeit vermittelten Information und der Überdeckung dieser Information. Hier muss gar keine Information in der Zwischenzeit vermittelt oder überdeckt werden, da es nicht obligat ist für einen Primacy Effekt. Ein Überdecken von zwischenzeitlich vermittelter Information durch den Ersten Eindruck führt zwangsläufig zu einem Primacy Effekt. Andersrum aber nicht! D.h. bei einem Primacy Effekt muss das hinreichende Kriterium (Überdecken von Information) nicht vorliegen, das notwendige (Haftenbleiben erster Eindruck) aber schon. Damit ist deine Aussage, dass du den Primacy Effekt ausschließen kannst, weil das Überdecken von Information durch den ersten Eindruck deiner Meinung nach nicht zutrifft formal logisch falsch, da das notwendige Kriterium erfüllt (der Arzt gewinnt einen ersten Eindruck im Erstgespräch, diesen ersten Eindruck verfolgt er, also bleibt der erste Eindruck gut in Erinnerung) ist. Kurz: Es muss nix überdeckt werden und auch nix zwischenzeitlich an Information vermittelt werden. Ob die Überdeckung da ist oder nicht, es tut nichts zur Sache.

2.Zum additiven Schlussfolgern.



Additive Schlussfolgerung finde ich noch "fälscher". Bei dieser wird ja geradezu betont, dass "möglichst viele Informationen" gesammelt werden ("breite Datenerfassung), unter denen auch weniger wichtige Daten erfasst werden. Auch hier gilt: Die Vergewaltigung war nie übermittelte Information.

Da sagst selber, dass die Vergewaltigung nie übermittelt wurde. In der Angabe steht sie berichtet aus Scham nicht davon. Damit kann der Arzt gar nicht auf die Vergewaltigung kommen, da sie ihm das nicht sagen würde, weil sie sich dafür schämt. Auch wenn er danach fragen würde, würde sie es ihm nicht sagen. Diese Information ist dem Arzt also gar nicht zugänglich. Also kann er diese Information gar nicht erfassen. Er erfasst also möglichst viele Informationen auch wenn es nicht viel ist. Mehr kann er ja nicht erfassen.

Welche Daten hat er also nun gesammelt? Zu 100% gesammelt hat er:
- Die Patientin ist motorisch gehemmt, sie leidet seinem ersten Eindruck nach an einer depressiven Störung
- Die Patientin bestätigt von sich aus, ihre depressiven Symptome.
Mehr Information hat er objektiv nicht gesammelt. Alles andere ist reine Interpretation, da nur die beiden Informationen wortwörtlich in der Aufgabenstellung stehen und damit objektiv auch als gesammelte Information durchgehen. Seine gesammelte Information ist auch möglichst viel, weil auf mehr Infos kann er und ist er nicht gekommen. Er integriert alle seine Daten, auch wenn es nur wenige sind. Also nur die zwei Stichpunkte, die ich oben genannt habe, zu der Schlussfolgerung, das die Patientin an einer einer depressiven Störung leidet.

"Die Integration derart gesammelter Daten bezeichnet man als additives Schlussfolgern, da der Arzt alle Informationen aus der breiten Datenerfassung additiv miteinander verknüpft."

3. Das Bundesverfassungsgericht schreibt in einem Urteil:
"Die in der Ärztlichen Prüfung zu stellenden Aufgaben müssten verständlich, widerspruchsfrei und eindeutig sein. Außerdem müssten sie dem vorgegebenen Prüfungsschema entsprechen, wonach der Prüfling in jeder Aufgabe eine richtige und vier falsche Antwortalternativen erwarten könne. Da im Antwort-Wahl-Verfahren dem Prüfling nur die Möglichkeit verbleibe, eine von fünf Antworten anzukreuzen und also jeder weitergehende Antwortspielraum entfalle, müssten alle denkbaren Interpretationen der Frage und alle möglichen Antworten vorausgesehen und durch Formulierungsvarianten erfasst werden. Nur wenn das gelinge, ermögliche die Aufgabe zuverlässige Prüfungsergebnisse. Hieraus folge, dass unlösbare Aufgaben ebenso wie unverständliche, missverständliche oder mehrdeutige Fragen nicht gestellt werden dürften. " (Quelle: BVerwG 6 C 14.04)

Der ausschlaggebende Punkt ist für mich aber, dass die Aufgabe nicht wirklich eindeutig ist. Man kann jetzt wohl nicht abstreiten, dass Primacy Effekt und additives Schlussfolgern zu 100% nicht zutrifft und sich 0% Anzeichen für diese zwei Antwortmöglichkeiten finden. In der Fragestellung steht ja: Wodurch lässt sich das Verhalten am besten erklären?. Was ist nun am besten? Ich würde das so interpretieren: Ohne diesen Effekt würde er dieses Verhalten nicht zeigen. Ohne Primacy Effekt würde er gar keinen ersten Eindruck haben, der ihm besonders im Gedächtnis bleibt während dem Gespräch. Damit kann er diesen ersten Eindruck auch gar nicht verfolgen und bestätigen. Ohne additivem Schlussfolgern würde er die Information auch nicht verknüpfen können. Erst das Verknüpfen macht ihn so richtig sicher. Ohne Anker-Effekt würde er auch nicht das gezeigte Verhalten zeigen. Was ist an der Aufgabe also nun eindeutig? Ferner gilt, dass es nur eine richtige Aufgabe gibt und vier falsche. Und es müssten alle denkbaren Interpretationen der Frage und alle möglichen Antworten vorausgesehen und durch Formulierungsvarianten erfasst werden. Trotzdem lässt die Frage mehr als eine Antwort zu, wenn ich alle denkbaren Interpretationen einbeziehe.

Alpheus
02.09.2017, 13:13
ad 1:
Woher hast du denn das, dass für den Primacy-Effekt nichts überdeckt werden muss?
Ich verstehe ihn so, dass der erste Eindruck in den Vordergrund rückt und etwas danach überdeckt. Ein "Haftenbleiben des ersten Eindrucks" (von dir als notwendiges Kriterium bezeichnet) hat man doch immer, bei jedweder Wahrnehmung. Primacy besagt, dass diesem eine Sonderstellung zukommt!

ad 2:
Er kann prinzipiell schon darauf kommen, dass die Pat. es auf gezielte Nachfrage nicht sagen würde, ist deine Spekulation. Er hat sich aber auf die Depression "festgeankert" (anchoring) und "fragt infolgedessen nicht nach den Symptomen einer PTBS". Mit diesem in diese Richtung nicht weiter Nachfragen hat er sich bereits vor Ende des Gesprächs auf eine einzelne Diagnose festgelegt und fragt nun nur noch gezielt in Richtung seines Ankers: Die Pat. bestätigt (d.h. danach hat er gefragt), dass depressive Symptome vorliegen. Die Diagnose Depression muss übrigens nicht falsch sein, sie ist nur nicht vollständige Wahrheit.

wurstbrot1337
02.09.2017, 13:37
ad 1:
Woher hast du denn das, dass für den Primacy-Effekt nichts überdeckt werden muss?
Ich verstehe ihn so, dass der erste Eindruck in den Vordergrund rückt und etwas danach überdeckt. Ein "Haftenbleiben des ersten Eindrucks" (von dir als notwendiges Kriterium bezeichnet) hat man doch immer, bei jedweder Wahrnehmung. Primacy besagt, dass diesem eine Sonderstellung zukommt!


Für mich heißt Primacy Effekt einfach nur, dass der erste Eindruck besser hängen bleibt. Mehr nicht. Ob irgendwas überdeckt werden muss ist doch nicht zwingend notwendig laut Definition:
"Durch diese beiden Effekte kann die in der Zwischenzeit vermittelte Information, die vielleicht wichtiger ist, überdeckt werden."

Zum additiven Schlussfolgern: So hätt ich das halt interpretiert. Ist meine Meinung.

Ich will nur zeigen, dass die Frage nicht den Kriterien (siehe oben) genügt:
-verständlich, widerspruchsfrei und eindeutig
-in jeder Aufgabe eine richtige und vier falsche Antwortalternativen
-Frage muss so gestellt sein, dass alle denkbaren Interpretationen der Frage und alle möglichen Antworten vorausgesehen und durch Formulierungsvarianten erfasst werden.

Die Frage ist eben nicht zu 100% beantwortbar wie 1+1=2. Sie lässt Interpretationsspielraum, der aber in meinen Augen hier zu groß ist, um diese Frage noch eindeutig zu beantworten. Zudem soll die Frage ja auch nach allen denkbaren Interpretationen eindeutig beantwortbar sein. Und ich denke meine Interpretationen sind denkbar.