PDA

Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Melperon und Pipamperon - Rolle im Delir?



Lava
03.09.2017, 13:04
Ich bereite gerade einen Vortrag für unsere interne Fortbildung zum Thema Delir vor. Dabei tauchen bei der Therapie praktisch nur Haloperidol, Risperidon, Olanzapin und Quetiapin auf. Was ist denn mit dem so viel empfohlenen Melperon und Pipamperon? Spielt das gar keine Rolle? OK, wenn ich einen agitierten, vielleicht noch agressiven und halluzinierenden Patienten habe, kommt man wohl im Haloperidol nicht herum. Aber wenn es jetzt z.B. eher um einen gestörten Schlafrhythmus geht und eine eher abends/nachts bestehende Verwirrtheit?

Corinna
03.09.2017, 14:44
dann ist doch Melperon das mittel der allerersten wahl, sehe ich genauso!

Sebastian1
03.09.2017, 16:15
Guck mal hier (http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/001-012l_S3_Analgesie_Sedierung_Delirmanagement_Intens ivmedizin_2015-08_01.pdf). Das ist die entsprechende Leitlinie. Wobei es hier um Intensivmedizin geht und bestimmte Dinge nicht auf Normalstation durchführbar sind (kurzwirksame Propofolsedierung bei Agitation zB, oder i.v.-Gabe von Haldol).

Genannt werden hier Haloperidol,Risperidon, Olanzapin und Quetiapin. (LoE 1a, GoR 0).

Symptomorientiert werden hier empfohlen:
Agitation: bei fluktuierender Symptomatik Medikamente mit kurzer kontext-sensitiver
Halbwertszeit (z.B. Propofol oder kurzwirksame Benzodiazepine), add on: Alpha-2-Agonisten
im Alkoholentzugsdelir: langwirksame Benzodiazepine (z.B. Diazepam, Lorazepam)
Vegetative Symptomatik: Alpha-2-Agonisten, ggf. Betablocker
Produktiv-psychotische Symptome: Haloperidol, Risperidon, Olanzapin, Quetiapin

Soweit die S3-Leitlinie. Persönlich setze ich Melperon bei solchen Patienten durchaus ein, gerade wenn Agitation und gestörter Schlafrhythmus vorherrschend sind. Habe damit durchaus gute Erfahrungen gemacht, aber das ist keine Evidenz ;-)

Lava
03.09.2017, 16:41
Ja, in die Leitlinie hatte ich auch schon geguckt. Die ist allerdings auf Normalstation wirklich nur bedingt gültig.

Logo
03.09.2017, 21:18
Setz ich gerne ein. Aber man muss rechtzeitig anfangen, ist mein Eindruck.
Darin liegt die Schwierigkeit. Oft ist man zu spät, dann kriegt man mit denen auch mit hohen Dosen keinen Fuß mehr in die Tür...
Distraneurin ist auch ne Option.

MissGarfield83
03.09.2017, 23:02
Was ist mit Atosil? In meiner neuen Klinik scheint es ja das Medikament bei deliranten,agitierten Patienten zu sein - aber so richtig überzeugt es mich nicht.

Bisher warens eher Clonidin oder Haldol i.v.
- bei gestörtem Schlaf-Wach Rythmus auch mal gerne Somsanit
- bei C2 Entzugsdelir Clonidin ( Paracefan ) oder Dexdor
und als ultima Ratio Propofol als Perfusor.

Risperidon, Olanzapin, Melperon und Quetiapin hab ich irgendwie gar keine Erfahrung mit - helfen die schnell im Akutfall? Beim Melperon weiss ich dass es meist doch mehrere Gaben braucht bis jemand gut darauf anspricht ...

@logo : Distra fürs C2 Entzugsdelir oder insgesamt Delir? Ist das mittlerweile nicht verpönt? Ich errinnere mich da immer an die Aussage eines OAs dass Patienten mit Distra die ITS erstmal nicht mehr verlassen, da Überwachungspflichtig ...

Irgendwie fehlt mir da insgesamt ein schlüssiges Konzept - bisher ist es eher ein bisschen nach Gefühl und was ich an Medis kenne - würde da gerne mein Spektrum erweitern.

Bille11
04.09.2017, 00:08
Was ist mit Atosil? In meiner neuen Klinik scheint es ja das Medikament bei deliranten,agitierten Patienten zu sein - aber so richtig überzeugt es mich nicht.

Bisher warens eher Clonidin oder Haldol i.v.
- bei gestörtem Schlaf-Wach Rythmus auch mal gerne Somsanit
- bei C2 Entzugsdelir Clonidin ( Paracefan ) oder Dexdor
und als ultima Ratio Propofol als Perfusor.

Risperidon, Olanzapin, Melperon und Quetiapin hab ich irgendwie gar keine Erfahrung mit - helfen die schnell im Akutfall? Beim Melperon weiss ich dass es meist doch mehrere Gaben braucht bis jemand gut darauf anspricht ...

@logo : Distra fürs C2 Entzugsdelir oder insgesamt Delir? Ist das mittlerweile nicht verpönt? Ich errinnere mich da immer an die Aussage eines OAs dass Patienten mit Distra die ITS erstmal nicht mehr verlassen, da Überwachungspflichtig ...

Irgendwie fehlt mir da insgesamt ein schlüssiges Konzept - bisher ist es eher ein bisschen nach Gefühl und was ich an Medis kenne - würde da gerne mein Spektrum erweitern.

Ihr gebt Somsanit 'einfach so'?

Holla die Waldfee hab ich damit rezent nicht so hübsche Erfahrungen, beim Einsatz als Ultima ratio Sedierung verwendet, gemacht..

Lieber Risperdal/Haldol, Clonidin :-love und Midazolam/Lorazetam. Mal etwas Melperon, Quetiapin.
Beim Schlussendlich noch den Schlafwachrhythmus stabilisieren neben Oxazepam gerne auch mal Circadin (=Melatonin).

MissGarfield83
04.09.2017, 06:32
@bille: Was für unschöne Erfahrungen? Gerne auch per pm. Habe Somsanit bisher als legitimes Medikament bei denen gesehen die aufgrund einer Verschiebung des Tag und Nacht Rythmus nachts die ation auf Trab hielten und tagsüber für alles zu müde waren. Meist reichte da eine Ki und Ruhe war- vor allem wirkten die Patienten oft tagsüber sortierter. Auf der neuen Stelle haben wir es nit mehr.... nach deinem kommentar frag ich mich ob ich die paar male die ich es angewendet habe, zu unbedarft herangegangen bin

Bille11
04.09.2017, 06:55
Du bekommst pn. ;-)

Brutus
04.09.2017, 15:00
^^ Die PN hätte ich auch gerne.

Lava
04.09.2017, 15:14
Atosil hat halt eine hohe anticholinerge Wirkung und kann daher ein Delir noch verstärken oder auslösen. Wurde in keiner Literatur, die gefunden habe, empfohlen.

Und Benzos und Distra halt nur im Entzugsdelir. Distra hab ich persönlich überhaupt noch nie angewendet, da kenne ich mich null aus.

el suenio
04.09.2017, 18:43
Ich kann nur von persönlichen Eindrücken berichten.

Bei deliranten Patienten gibt es bei uns meistens Haloperidol oder Risperdal. Melperon wird da auch gerne bei älteren Patienten gegeben. Somsanit wird bei uns eher bei Patienten gegeben, bei denen man wegen der Gefahr einer Atemdepression kein Diazepam einsetzen kann/will.
Atosil beim Delir habe ich noch nie erlebt. Distra nur bei Entzug oder bei Dementen zum Schlafen.

Das hilft jetzt zwar sicher nicht weiter, aber ist meine persönliche Erfahrung.

Lava
06.09.2017, 15:54
Witzig: ich habe Dienstag den Vortrag gehalten, dabei nochmal ganz doll betont _kein_ Atosil bei älteren Patienten wegen der anticholinergen Wirkung. Später hab ich dann Visite auf meiner Station gemacht und einen Patienten vorgefunden, der quasi soporös war. In der Kurve hab ich dann entdeckt, dass er um 22.45Uhr Atosil bekommen hatte :-oopss War ein super Beispiel, dass hier übers Ziel hinausgeschossen wurde, fand ich. Der Diensthabende, der ihm das verordnet hat, meinte noch so "Hat super gewirkt, ich hab den Rest der Nacht geschlafen"...

][truba][
07.09.2017, 22:25
Ich hab mal gelernt, das gerade ältere Patienten gern paradox auf Benzo´s reagieren.
Daher gebe ich bei älteren Patienten, die etwas zum schlafen wollen gern Atosil.
Ich weiß, es geht eigentlich ums Delir aber das würde ja dann quasi dem o.g. komplett widersprechen

Sebastian1
07.09.2017, 23:23
Atosil hat nur leider ebenfalls eine mögliche delirogene UAW....

Evil
08.09.2017, 08:10
Wie überhaupt jedes Sedativum, vielleicht mit Ausnahme von Baldrian.

Lava
08.09.2017, 08:26
Ja, aber von allen Neuroleptika hat Atosil die höchste anticholinerge Wirkung.

Von den Psychosomatikern wir es allerdings auch gern zum Angstlösen eingesetzt anstatt z.B. Tavor... :-nix

Vielleicht ist da die Dosis entscheidend. Als Schlafmittel oder Anxiolytikum reichen ja ein paar Tröpfchen, bei Agitation gibt ja gern ne ganze Ampulle i.v.

Sebastian1
08.09.2017, 09:22
Ich habe Atosil früher durchaus gern eingesetzt. Mit zunehmender Erfahrung mit dem Medikament muss ich jedoch sagen, dass ich es inzwischen gar nicht mehr nutze. Die Wirksamkeit je Patient ist recht schwer einzuschätzen (auch unabhängig von der Physis) - der eine ist nach 12,5 mg für 2 Tage ausgeknockt, der andere lacht über 50 mg - das finde ich unbefriedigend. Und es gibt meines Erachtens nach für jede Indikation (Schlafrhythmus, antidelirogene Wirkung etc) bessere Alternativen. (Eben Melperon, Haldol, Lorazepam, Clonidin, Olanzapin, Risperidon...)

Christoph_A
19.09.2017, 12:28
In Bezug auf Atosil hat Sebastian1 schon recht. Das alte "willste viel, nimm Atosil", das wir früher oft hergenommen haben, seh ich mittlerweile auch eher kritisch.
"Haldol tut wohl" unterschreib ich aber immer noch.
Und grade bei alten Patienten bin ich ein großer Melperonfreund. Scheint auch geschmacklich gut zu sein, hab da noch nie Klagen diesbezüglich auf Visiten vernommen.

Jule-Aline
19.09.2017, 18:21
Distra haben wir bei Alkoholentzug eingesetzt.Typ Fall:Alkoholiker stürzt,OSG Fraktur und wird entzügig.