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Fr.Pelz
25.09.2017, 13:01
Da weiß ich leider kaum was drüber, war aber im Dienst damit konfrontiert.
Alte Patientin, multimorbide, dekompensierte Herzinsuffizienz und anurisches Nierenversagen, man hatte sich schon geeinigt, die Therapie nicht zu intensivieren, die Patientin selbst äußerte eigentlich nur noch Schmerzen und verweigerte das Essen. Ich wurde dann gerufen um ihr noch einen iv-Zugang zu legen, denn sie hätte nur noch einen BZ von 1mmol/l (also 20mg/dl) und "solle nicht in der Hypoglykämie sterben". Ich habs dann erstmal versucht, aber ein peripherer Zugang war bei extrem ödematösen Armen nicht möglich, außerdem hatte sie Schmerzen dabei. Hab ihr MSI gegeben (und auch fest angeordnet) und auf den Zugang verzichtet. Mein Kollege als Diensthabender am nächsten Tag hat die Situation anders eingeschätzt und ihr einen ZVK gelegt. Hauptsächlich nicht, damit man sie mit iv-Ernährung länger am Leben hält, sondern halt um ihr Glucose iv geben zu können.
Wie seht ihr das? An irgendwas muss man ja sterben dürfen, warum denn gerade nicht in der Hypoglykämie? Wegen dem Krampfrisiko?

WackenDoc
25.09.2017, 14:59
Warum ZVK und nicht Magensonde?

Aber ich sehe das wie du- dann stirbt sie halt an ner Hypo . Insulin ist ja durchaus ein Mord- und Selbstmordwrkzeug. Gegen krampfen kann man ja was geben.

cicely
25.09.2017, 15:11
Einer Patientin, bei der klar besprochen wurde, dass die Therapie nicht intensiviert werden soll, einen ZVK zu legen, find ich auch echt grenzwertig... ebenso wie eine Magensonde, beides würden wir bei uns in so einer Situation nicht gemacht werden ohne das gut mit dem Betreuer zu besprechen. Eher noch Magensonde zur Medikamentengabe (ohne Ernährung), sofern die Patienten das tolerieren.

Ich finde du hast richtig gehandelt.

Coxy-Baby
25.09.2017, 16:05
Wie schafft man es auf einen BZ von 1 mmol/l ? Insulin gespritzt trotz Nahrungskarenz oder wollte die Leber nicht mehr?

Evil
25.09.2017, 17:08
So ein Bullshit, die Hypo zu behandeln. Das ist genauso, wie wenn Du dann eine Asystolie mit einer Rea behandelst.
Warum darf sie in einer Asystolie sterben, aber nicht in einer Hypo? Oder wäre der Kollege dann auch noch auf sie draufgehüpft?

abcd
25.09.2017, 18:40
Bei dem, was ich von diesem Fall bislang weiß, würde ich keine Vitalparameter inkl. BZ mehr messen. ZVK finde ich auch völlig daneben. Rein symptomatische Maßnahmen inkl. Anxiolyse.

Fr.Pelz
25.09.2017, 19:21
Wie schafft man es auf einen BZ von 1 mmol/l ? Insulin gespritzt trotz Nahrungskarenz oder wollte die Leber nicht mehr?

Ich denke auch, dass da die Gluconeogenese ausgestiegen ist, Insulin hatten sie ihr nicht mehr gespritzt.
Ist ja interessant, dass ihr das so seht wie ich, ich hab dann im Gespräch mit dem Kollegen kurz gedacht, ich wäre grausam, dass ich ihr die Glucose "verweigert" habe. Aber er hat das halt anders gesehen und sie als "noch nicht ganz so palliativ" angesehen und tatsächlich lebte sie 2 Tage später noch. Aber halt vermutlich wegen seinem ZVK.

morgoth
26.09.2017, 13:20
Da weiß ich leider kaum was drüber, war aber im Dienst damit konfrontiert.
Alte Patientin, multimorbide, dekompensierte Herzinsuffizienz und anurisches Nierenversagen, man hatte sich schon geeinigt, die Therapie nicht zu intensivieren, die Patientin selbst äußerte eigentlich nur noch Schmerzen und verweigerte das Essen. Ich wurde dann gerufen um ihr noch einen iv-Zugang zu legen, denn sie hätte nur noch einen BZ von 1mmol/l (also 20mg/dl) und "solle nicht in der Hypoglykämie sterben". Ich habs dann erstmal versucht, aber ein peripherer Zugang war bei extrem ödematösen Armen nicht möglich, außerdem hatte sie Schmerzen dabei. Hab ihr MSI gegeben (und auch fest angeordnet) und auf den Zugang verzichtet. Mein Kollege als Diensthabender am nächsten Tag hat die Situation anders eingeschätzt und ihr einen ZVK gelegt. Hauptsächlich nicht, damit man sie mit iv-Ernährung länger am Leben hält, sondern halt um ihr Glucose iv geben zu können.
Wie seht ihr das? An irgendwas muss man ja sterben dürfen, warum denn gerade nicht in der Hypoglykämie? Wegen dem Krampfrisiko?

Ich muss da auch anhand dieser Informationen zumindest ein grosses Fragezeichen machen.
Klar, es ist nicht ganz ersichtlich, welcher "man" sich geeinigt hat, und was man genau nicht mehr "intensivieren" wollte. Was aber gar nicht geht, ist dass die eine Einschätzung in Richtung "wir lassen den BZ von 20 und nehmen den vermutlichen Tod in Kauf" und die andere die Patientin "nicht ganz so palliativ" sieht. Banal kann das natürlich auf unvollständige/missverständliche Dokumentation bzw. Übergabe zurückzuführen sein, sollten jedoch auch eher fachliche Aspekte eine Rolle spielen, soll man so Fälle mit einem FA/OA klären.
Aus den bisher erhaltenen Informationen muss ich aber relativ deutlich das Legen eines ZVK ablehnen oder genauer ausgedrückt: Das Legen eines ZVK mit dem Wissen, dass die Situation ja schon am Vortag bestand, ein Vorkollege jedoch anders entschieden hat - ich setze mal voraus, dass ihr beide Weiterbildungsassistenten auf einem ähnlichen Wissensstand seid und keine grundlegenden neuen Informationen über Nacht hinzugekommen sind. In dieser Situation würde ich "nicht einfach so" mit einem ZVK einsteigen.

Fr.Pelz
26.09.2017, 21:14
Ja, wir sind beide Weiterbildungsassistenten auf ungefähr dem gleichen Stand. Und wir waren beide nachts mit der Situation konfrontiert, wo der für die Patientin zuständige OA nicht erreichbar war. Er eben eine Nacht später als ich. Ich fand es überhaupt mutig, den ZVK zu legen- das ist nämlich eine Station in einem recht abgelegenen Gebäudeteil, das Rea-Team braucht 5min dorthin (kein Scherz, habe das schon "ausprobieren" müssen) und 2. gibts da kein Equipment für die EKG-Lagekontrolle. Daraus habe ich für mich gefolgert, dass ICH auf dieser Station keine ZVKs lege, sondern entweder die Anästhesisten inkl Equipment kommen lasse oder die Patienten in den AWR fahren lasse...Aber gut, das Risiko muss halt jeder selbst tragen.

Solara
26.09.2017, 21:27
Aber da war doch ein Tag dazwischen, wo ein OA anwesend war, da muss sowas doch zweifelsfrei geklärt werden und schriftlich dokumentiert werden, sofern eine Therapielimitierung vereinbart worden war.

Relaxometrie
26.09.2017, 21:43
Aber da war doch ein Tag dazwischen, wo ein OA anwesend war, da muss sowas doch zweifelsfrei geklärt werden und schriftlich dokumentiert werden, sofern eine Therapielimitierung vereinbart worden war.
Sollte so sein. Sollte sogar sehr dringend so sein!!!
Aber in so manchem deutschen kranken Haus, in dem Chaos und Personalmangel herrscht, ist es halt leider nicht möglich :-((

Fr.Pelz
28.09.2017, 19:47
Der OA will aber solche klaren Aussagen nicht treffen....aber um den gehts ja nicht. Die Patientin lebte gestern übrigens immer noch. Vielleicht lag ich auch in meiner Einschätzung daneben und sie wirkte nur wegen der Hypoglykämie so präfinal. Die Nierenfunktion hat sich wieder etwas verbessert (wegen dem ZVK vielleicht)nur wacher wird sie nicht mehr.

Kandra
28.09.2017, 20:02
Und was genau hat man dann jetzt gewonnen?

Nessiemoo
28.09.2017, 20:35
Naja es gibt halt einen Unterschied zwischen Therapie nicht intensivieren (keine Intensivmedizin, keine Intubation, keine Katecholamine etc) und einen höchstpalliativen Ansatz (Nur MSI und Dormicum und sonst nichts), das ist wie alles andere in Medizin nicht schwarz und weiß, und ich finde Glukose geben i.v (jetzt ZVK beiseite), gehört irgendwo dazwischen.

Un dazu kommt eben der Argument dass man als Diensthabender, wenn man sich unsicher ist, und kein klares Vorgehen z.b mit den Angehörigen besprochen wurde und schriftlich festgelegt wurde, in Zweifel für lebensverlängernde Maßnahmen entscheiden sollte. Sich umentscheiden und Therapie zurückschrauben (Extubieren, ZVK ziehen, wasauchimmer), kann man immer.

Solara
28.09.2017, 23:23
Was heißt, der OA will (?!) solche klaren Entscheidungen nicht treffen? Wieso? Das ist seine Aufgabe!

Christoph_A
29.09.2017, 11:07
Klingt irgendwie nach "wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht naß". Einerseits ist die Patientin präfinal, was zwangsläufig dann auch eine Kontraindikation für forcierte Glukosegabe sein sollte, andererseits wird aber der ZVK gelegt und sie damit therapieintensiviert. Ist entweder fehlende Kommunikation innerhalb des gesamten Teams oder einfach typisch deutsche Absicherungskultur, Marke, "der OA hat das nicht ausdrücklich so gesagt, also mach ich den ZVK mal rein, nicht, daß mich der morgen anmotzt, weil die Patientin an ner Hypo gestorben ist".

Fr.Pelz
29.09.2017, 19:28
Angehörige gibts nicht, nur einen gesetzlichen Betreuer. Ist dann natürlich noch schwieriger, den mutmaßlichen Patientenwillen zu eruieren und wenn ich zu einer Patientin komme, die Schmerzen äußert und sonst nichts, versuche ich natürlich die Schmerzen zu lindern. Meine 2 Versuche, ihr einen peripheren Zugang zu legen, waren auch schmerzhaft für sie. Habe erfragt, dass die Schwestern ihr Tee angeboten hatten, den sie verweigert hat. Für mich wies das (zusammen mit dem Nierenversagen und der kard. Dekompensation) alles in eine Richtung und ich hab ihr MSI angesetzt. Das hätte ich auch vor dem OA so verteidigt. Der hat das MSI übrigens in der Medikation gelassen und mich nicht weiter drauf angesprochen, warum ich keine Glukose iv gegeben habe. Aber gut, die Patientin ist ja auch nicht gestorben.

FirebirdUSA
30.09.2017, 14:36
Patient verweigert Nahrung und trinken ist doch relativ klarer Patientewille. Ich finde dann keine Glukose zu gebe richtig, im Sinne der Patientin und konsequent... Wer nix isst bekommt halt irgendwann eine Hypoglykämie

Shizr
30.09.2017, 17:35
Patient verweigert Nahrung und trinken ist doch relativ klarer Patientewille. Ich finde dann keine Glukose zu gebe richtig, im Sinne der Patientin und konsequent... Wer nix isst bekommt halt irgendwann eine Hypoglykämie
Ich finde es auch nur folgerichtig, in der beschriebenen Situation außer der Palliation (zB Morphin o.ä., Durstgefühl stillen, so die Patientin noch welches hat...) keine weitergehenden invasiven Maßnahmen mehr zu ergreifen und vor allem die Therapie nicht weiter zu eskalieren.

Glukose iv bei dieser Patientin? Und sie dann auch noch mit einem ZVK quälen müssen?


Und warum genau spielt es bitte eine Rolle, woran genau die Patientin stirbt?
Mit dem Argument können wir dann auch sagen "Naja, sie soll nicht an der Urämie sterben, also dengeln wir einen Shaldon rein und dialysieren ihr mal so richtig einen um die Ohren!"
Was ja wohl uneingeschränkt ein bescheuerter Argumentationsgang wäre.


Ich finde, wenn man sich entscheidet, einen Patienten nicht mehr kurativ zu behandeln, wird es extrem nachrangig, worauf letztendlich das Versterben zurückzuführen ist.
Und eine Hypoglykämie ist möglicherweise würdiger als die kardiale Dekompensation und das Ersticken am Lungenödem.

Coxy-Baby
30.09.2017, 18:32
Zumal man sich ja in dem Setting einfach auch mal die BZ Messung hätte sparen können, dann hätte es auch nichts gegeben auf was man reagieren müsste...