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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Radiologie - Einstieg als fachfremder WBA



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stef1
02.10.2017, 19:53
Hallo zusammen!

Ich stehe kurz vorm Berufseinstieg und bin unerwartet in eine kleine Sinnkrise gestolpert:

Ich habe Zeit des Studiums mit der Anästhesie sympathisiert, tue dies auch weiterhin, sehe aber auch die Schattenseiten wie Bindung an die Klinik, relativ wenige bzw. tlw. unattraktive Möglichkeiten zur therapeutischen Tätigkeit. Zahlreiche Kollegen, bei denen der initiale Kick naturgemäß abnimmt und die sich mit Ende 30 nochmal umorientieren und dann in die Allgemeinmedizin wechseln, dazu vorher aber noch jahrelang als Stationsarzt in der Inneren abspulen müssen - und mich vor der Fachrichtung gewarnt haben.
Dennoch möchte ich gerne zumindest einige Jahre "hands-on-Medizin" Anästhesie/Intensivmedizin/Notfallmedizin machen.

Als (zugegeben konträre) Alternative dazu bin ich wirklich von der Radiologie angetan, da es hier neben der diagnostischen ambulanten Tätigkeit auch die interventionelle Schiene gibt. Außerdem die Synergien mit NUK/Strahlentherapie. Dass mir das nun unmittelbar vorm Berufsstart aufgeht, macht die Sache nicht einfacher.

Leider kam Radiologie im Studium äußerst kurz, sodass ich erst jetzt auf den Trichter komme. Außerdem sind meine Grundkenntnisse (beginnend bei der Röntgenanatomie) sehr beschränkt sind und ich auch nur einen sehr oberflächlichen Einblick in die "internen Probleme" a la Arbeitsbedingungen/Überstunden/Dienste/Klima habe.

Wie schätzt ihr die Problematik des Wechsels ANE -> RAD nach ein paar Jahren (also z.B. 3-4) ein?
- Ist die Umstellung zu heftig? (Könnte mir natürlich vorstellen, dass einige Skills auch in der RAD von Vorteil sind)

- Kann man mangelnde Basics einigermaßen schnell nachholen?

- Wie ist die Stellensituation (öffentlich inseriert ist im Vgl. zu den prekärsten Mangelfächern a la Innere/Chir eher wenig, aber das heißt ja nichts)?

- nicht zuletzt: wie siehts mit Überstunden usw. im regulären Geschäft aus? Tatsächlich wie propagiert selten oder geplant+häufig angesichts noch zu befundender Aufnahmen usw.?

Über ein paar Anregungen würde ich mich sehr freuen :)

querfeldein
02.10.2017, 21:39
Hallo stef1,
- Mach erstmal worauf du Lust hast! Sowieso!
- Von allen Vor-Erfahrungen profitiert man, bei manchen Fächern sind die Überlappungen offensichtlicher, aber vergeudet ist ein "Fremdschnuppern" eigentlich nie? Klar, wenn man irgendwann wo ankommen will, muss man sich irgendwann mal einnorden.
- In der Radio ist es hilfreich, etwas über den klinischen Hintergrund und die Konsequenz der Untersuchung zu wissen. Ohne jetzt viel Ahnung von Anästhesie und OP zu haben: Ich glaube, dass man aus der Patientenbegleitung in der Anästhesie, aus den Beobachtungen im OP, ggf. von der Arbeit auf Intensiv da einiges mitnehmen kann.
- In der Anästhesie kannst du steriles Arbeiten lernen, schadet sicher nicht, wenn du dich für Intervention begeisterst.
- Es ist ja meistens einfacher/bequemer im Trott weiterzumachen, als was neues anzufangen ;-) Fachwechsel ist aber absolut machbar! Und je nach Unzufriedenheit zuvor manchmal auch eine Entlastung.
- Stellensituation meiner Erfahrung nach mit etwas Geduld oder Flexibilität kein Problem, viele Stellen waren gar nicht ausgeschrieben. Gibt sicher Fächer, wo es leichter ist unterzukommen, schwer war's aber auch nicht :-)
Auf jeden Fall: Toi toi toi für den Start!

flopipop
03.10.2017, 23:38
- nicht zuletzt: wie siehts mit Überstunden usw. im regulären Geschäft aus? Tatsächlich wie propagiert selten oder geplant+häufig angesichts noch zu befundender Aufnahmen usw.?


von haus zu haus unterschiedlich, bei uns (großes haus) fallen im vergleich zu anderen kollegen in der tat nicht so viele überstunden an - allerdings ist die arbeit selbst keinesfalls relaxed, meistens sogar ziemlich stressig und die dienste sind auch nicht ohne, vor allem wenns am haus eine große neurologie gibt.




- Kann man mangelnde Basics einigermaßen schnell nachholen?


ja

stef1
04.10.2017, 19:26
Danke euch beiden für eure Beiträge!

Was die Sache auch erleichtert ist, dass ja ein Jahr auf Radio angerechnet werden kann (wie sinnvoll das ist, steht auf einem anderen Blatt).


von haus zu haus unterschiedlich, bei uns (großes haus) fallen im vergleich zu anderen kollegen in der tat nicht so viele überstunden an - allerdings ist die arbeit selbst keinesfalls relaxed, meistens sogar ziemlich stressig und die dienste sind auch nicht ohne, vor allem wenns am haus eine große neurologie gibt.

Klar, das kann ich mir vorstellen. Bei uns stapeln sich die Patienten Tag und Nacht vor den CTs..

Es ging mir tatsächlich um Überstunden, die quasi täglich regelhaft anfallen, um wie auf den (intern.) Stationen die Arbeit bewältigen zu können. Ich könnte mir vorstellen, dass das in der Radio weniger ist, da man die Befunde ja sofort schreibt/diktiert. Im Endeffekt wird da wohl nur eine Hospitation in entsprechenden Kliniken weiterhelfen :)

Laelya
06.10.2017, 09:14
Radiologie ist wohl noch eines der wenigen Fächern in denen man pünktlich gehen kann.
Bei uns fallen so gut wie keine Überstunden an, außer du arbeitest Befunde ab die liegen geblieben sind. Mit ein bisschen Erfahrung schafft man aber sein Tages Pensum und die Geräte können auch nur einen Patienten nach dem anderen durchfahren. In guten Abteilungen mit genügend ärztlichen Personal bist du für ein Gerät verantwortlich, was überschaubar ist. Meistens beginnst du eh in der sono/konventionell ehe es dann ins ct geht damit man dienstfit wird. Was die stellensituation angeht: hier würde ich auf Initiativnewervunh setzen, die Häuser die ich kennen gelernt haben schreiben nichts aus? Haben aber immer mal eine Stelle zu besetzen.

SynC
06.10.2017, 18:17
Bitte bedenke auch Folgendes: Es ist unklar wie sich die Radiologie in Zukunft entwickeln wird. Stichwort AI / Machine Learning. Die Radiologie ist und wird da eine der ersten stärker betroffenen Fachrichtungen sein. Und dass die durch kommende Algorithmen / Software gewonnene Effizienz dazu genutzt wird, den Radiologen mehr Zeit für "Entscheidungsmanagement" oder "Patientenkontakt" zu ermöglichen, wage ich angesichts des Kostendrucks im Gesundheitswesen stark zu bezweifeln. Will heißen, es wird Personaleinsparungen geben (analog: Labormedizin). Offen ist nur, wie lang dies noch dauern wird. Ob 2, 5 oder 10 Jahre - das kann man anhand der rapiden Weiterentwicklung kaum vorhersehen.
Ich persönlich liebe diese Fachrichtung wirklich, aber hätte ich dieses Szenario von Beginn an genannt, hätte ich mich wahrscheinlich für eine andere, vermeintlich "sicherere" Fachrichtung entschieden. Höchstens als stark Interventionspezialisierter Radiologe kann man sich da wohl entspannt zurücklehnen.

stef1
06.10.2017, 19:24
Und dass die durch kommende Algorithmen / Software gewonnene Effizienz dazu genutzt wird, den Radiologen mehr Zeit für "Entscheidungsmanagement" oder "Patientenkontakt" zu ermöglichen, wage ich angesichts des Kostendrucks im Gesundheitswesen stark zu bezweifeln. Will heißen, es wird Personaleinsparungen geben (analog: Labormedizin). Offen ist nur, wie lang dies noch dauern wird. Ob 2, 5 oder 10 Jahre - das kann man anhand der rapiden Weiterentwicklung kaum vorhersehen.

Interessanter Punkt, daran hatte ich auch schon gedacht. Was meinst du, wird es in die Richtung gehen, dass der Radiologe (unkompliziertere?) automatisch befundete Aufnahmen nur noch validiert?

In der Anästhesie besteht ja schon heute die Gefahr weitreichender Personalkürzungen. In vielen Ländern werden die Narkosen primär von Pflegepersonal durchgeführt und der Anästhesist supervidiert mehrere Parallelnarkosen.. dem steht zwar (noch) der Arztvorbehalt gegenüber, aber wer weiß, wie das weitergeht..

Jook
06.10.2017, 22:58
Wenn ich mich auch einbringen darf. Ich denke nicht, dass die Radiologie sehr viel stärker von AI betroffen sein wird als andere Subspezialitäten. Gerade die medizinisch-theoretischen Fächer (ja, auch Neurologie, Innere Medizin oder vor allem Pathologie) werden über kurz oder lang technologisch-geführter sein. Handwerkliche Medizin ist sicher noch einen Ticken länger davor bewahrt, auch wenn im Sinne der Ökonomie die geringer qualifizierten Berufe hier mehr Kompetenz zu geringerem Lohn erhalten werden. Das wird aber kaum Kündigungen nach sich ziehen, lediglich eine Verringerung der gesamten Stellenanzahl. Wenn man nicht mit der Zeit und der Technologie gehen kann und will ist Radiologie sicher nichts für einen. Aber jemand der Angst davor hat, dass ein Computer ihm die Arbeit wegnimmt sollte zum Psychiater gehen oder einer werden.

SynC
08.10.2017, 18:28
Selbstverständlich wird es keine vollständige Ablösung des Radiologen durch AI geben. Aber eine Marginalisierung der Stellensituation im weiteren Verlauf ist sicher nicht unrealistisch. Als Beispiel mal kurzer Interviewauschnitt den ich heute zufällig auf DRG.de gesehen habe: http://www.dgnr.org/de-DE/187/interview-arthur-kaindl. "Für den Radiologen der Zukunft zeigen solche erfolgreichen Projekte, dass nicht mehr die Befundung im Vordergrund steht, sondern die Bilderzeugung, die Fragen nach der richtigen Modalität, die Kommunikation mit den Zuweisern und die Patientenkommunikation." Die Bilderzeugung können MTRAs übernehmen, die übrigen Aufgaben sind aus Perspektive einer Klinikleitung "weiche Faktoren", die sicher nicht eine Beibehaltung der aktuellen Stellensituation rechtfertigen würden.

schnix25
08.10.2017, 18:41
Man muss hier aber auch noch die langen Zulassungszeiten von Software berücksichtigen. Letztlich ist es ja auch eine Haftungsfrage. Kein Softwarehersteller wird die Garantie übernehmen, dass seine Befundung 100 prozentig stimmt. Also wird immer ein Radiologe das ganze überprüfen müssen. Außerdem dauert es in der Regel sehr lange bis eine solche Software überhaupt zugelassen wird. Ich denke, dass auch in 10 Jahren noch das lapidarste Röntgenbild ein Radiologe befunden wird. Vllt mit CAD Software, aber sicherlich wird keine Software völlig automatisch einen Softwaretext erstellen.
Der Radiologie wird ja schon seit ewigen Zeiten vorhergesagt, dass sie überflüssig wird, da die Interventionen von anderen Fachgebieten übernommen werden, oder dass die Befundung automatisiert wird. Bis jetzt steigt aber der Workload eher kontinuierlich an, was sich auch im Anstieg der Zahl an Radiologen sehen lassen kann.

urinbeutel
08.10.2017, 21:42
Naja. Die Software muss einfach zuverlässiger sein als der Radiologe im Durchschnitt. Risiken werden dann analog wie bei Medikamenten gehandhabt, d.h. der Patient stimmt vorher zu.
Langfristig wird sich die diagnostische Radiologie verändern, das steht außer Frage. Ich denke aber nicht in fünf Jahren, sondern eher 15, 20 Jahre. Das Gesundheitswesen ist ein kontrollierter Markt.
Für die Ärzte mit Kassenzulassung wird sich sicher nicht viel ändern (analog Apotheken, die heutzutage faktisch gar keine Daseinsberechtigung mehr haben). Für den einzelnen Angestellten wird es schwieriger aussehen auf lange Sicht.
Weiß jemand, wie damals die Situation mit der Labormedizin aussah? Würde mich interessieren, um eine Vorahnung zu haben. Soweit ich es weiß, gab es damals effiziente Labore, die alle outperformt haben.

@Sync Wie ist denn die Stimmung in der Branche diesbezüglich?
Hab auch das Gefühl, dass die niedergelassene Radiologie ohnehin keine außerordentliche Expertise hat (Ausnahmen und Notfälle feststellen beiseite). Bilder können die Ärzte ja auch selbst lesen.
Frage mich auch wie die Teleradiologie untergebracht wird.

Evil
09.10.2017, 13:15
analog Apotheken, die heutzutage faktisch gar keine Daseinsberechtigung mehr haben
Mit Verlaub, das ist Unsinn Nr. 1. Woher beziehst Du diese Erkenntnis?
Faktisch bieten Apotheker den Patienten einiges an Aufklärung über die Nutzung von beispielsweise inhalativen Devices, wozu ich während der Praxis rein zeitlich gar nicht komme. Außerdem informieren sie Patienten über Risiken von OTC-Präparaten (z.B. Johanniskraut). Und drittens schauen sie zumindest in den hier benachbarten Apotheken auch auf relevante Interaktionen, wovon ein Pharmazeut von Haus aus mehr Ahnung hat als ein Arzt. Diesbezüglich frage ich auch immer wieder um Rat.


Hab auch das Gefühl, dass die niedergelassene Radiologie ohnehin keine außerordentliche Expertise hat (Ausnahmen und Notfälle feststellen beiseite). Bilder können die Ärzte ja auch selbst lesen.
Frage mich auch wie die Teleradiologie untergebracht wird.
Unsinn Nr.2: Ein Nativ-Rö kann ich selber anschauen, wenn ich den Patienten in die Radiologie überwiesen habe, bei CTs, MRTs, Mammographien und Angiographien sowie speziellen Sonographien (z.B. Mamma-Sono) sieht das ganz anders aus, zumal die Indikation bei CTs von einem Radiologen bestätigt werden muß, so von wegen Strahlenschutz.

flopipop
09.10.2017, 16:19
N
Bilder können die Ärzte ja auch selbst lesen.


wenn dem so wäre, würde mein telefon nicht den ganzen tag klingeln, um den zuweisenden kollegen die befunde zu erklären. mir ist schon klar, dass ein internist in der lage ist, ein thorax röntgen zu befunden (sollte er auch) - trotzdem werden wir immer wieder wegen befunden angerufen - einfach, weil wir täglich mehr davon sehen bzw im berufsleben gesehen haben. für schnittbilder gilt erst recht das gleiche...

h3nni
09.10.2017, 22:56
Ich sehe auch noch keine großen Gefahren, dass Radiologen bald ersetzt werden. Ich glaube, die Diskussion gabs hier irgendwo schon mal, aber wenn man das Beispiel EKG nimmt. Da stehen schon seit bestimmt 5 Jahren "Befunde" drauf, die aber manchmal einfach nicht stimmen. Und ich finde ein EKG (Zeiten, Amplituden, fertig) prinzipiell einfacher als ein CT-Abdomen (unterschiedliche Lagen der Patienten, zig Organe mit entsprechenden Größen, Dichten, Artefakterkennung...) zu befunden, wenn ich auch von beidem nur sehr sehr begrenzt Ahnung habe. Und in dem Haus, in dem ich Praktika gemacht habe, hat immer die Innere für die Neurologen die EKGs befundet, auch wenn das auch Ärzte sind...

OhDaeSu
10.10.2017, 21:50
Ich sehe auch noch keine großen Gefahren, dass Radiologen bald ersetzt werden. Ich glaube, die Diskussion gabs hier irgendwo schon mal, aber wenn man das Beispiel EKG nimmt. Da stehen schon seit bestimmt 5 Jahren "Befunde" drauf, die aber manchmal einfach nicht stimmen.

Was ist das für ein Argument? Bis einen Tag bevor die erste Glühbirne brannte, hatte es Jahrtausende kein elektrisches Licht gegeben. Von der Vergangenheit auf die Zukunft zu schließen, ist nicht zulässig. Die Technik, mit der das EKG "befundet" wird, ist doch überhaupt nicht vergleichbar mit selbstlernenden Algorithmen, die an einem Tag mehr Bilder zum Trainieren auswerten können, als ein Radiologe in seinem Leben.

FirebirdUSA
10.10.2017, 22:04
Bilder haben aber viele Probleme und der Ansatz ist relativ komplex.
Lungenerkrankungen sind im Prinzip das Paradebeispiel für Musteralgorithmen (klare Grundstruktur und je nach Ort/Art der Schädigung ein sehr spezifisches Muster im HRCT), deswegen wundert mich der Erfolg hier nicht. Ungemein schwieriher ist es in fast allen anderen Körperregionen. Möglich ist hier viel, aber passende Daten(banken) fehlen bzw haben häufig Fehler.
Ich sehe hier für die nächsten 10-15 Jahre auch noch kein großes Risiko.

h3nni
10.10.2017, 22:42
Was ist das für ein Argument? Bis einen Tag bevor die erste Glühbirne brannte, hatte es Jahrtausende kein elektrisches Licht gegeben. Von der Vergangenheit auf die Zukunft zu schließen, ist nicht zulässig. Die Technik, mit der das EKG "befundet" wird, ist doch überhaupt nicht vergleichbar mit selbstlernenden Algorithmen, die an einem Tag mehr Bilder zum Trainieren auswerten können, als ein Radiologe in seinem Leben.

Ich verstehe nicht ganz, wieso das nicht zulässig sein soll. Theoretisch würde Machine Learning doch auch mit EKGs funktionieren, außerdem sehe ich EKGs wie gesagt als prinzipiell simpler an und trotzdem gibts noch keine wirklich verlässliche Auswertung. In der Radiologie sehe ich an sich schon mal kompliziertere Rohdaten, die dann ja auch entsprechend lange mit einer "solala-Auswertung" wie derzeit im EKG versehen sind und erst in ferner Zukunft wirklich zur Gefahr für den Radiologen werden.

anignu
10.10.2017, 23:57
Was ist das für ein Argument? Bis einen Tag bevor die erste Glühbirne brannte, hatte es Jahrtausende kein elektrisches Licht gegeben. Von der Vergangenheit auf die Zukunft zu schließen, ist nicht zulässig. Die Technik, mit der das EKG "befundet" wird, ist doch überhaupt nicht vergleichbar mit selbstlernenden Algorithmen, die an einem Tag mehr Bilder zum Trainieren auswerten können, als ein Radiologe in seinem Leben.
Spannende Vergleiche. Mal wieder Äpfel und Birnen und so.

Tatsache ist: klar, ein PC kann schneller manche Dinge machen als ein Mensch und damit mehr verschiedene Varianten testen. Mit Interesse hab ich die Go-Spiele zwischen Computer und Mensch verfolgt. Ist wirklich spannend, und da werden die Computer auch irgendwann wirklich besser als Menschen weil sie einfach mal ALLES irgendwann berechnen können. Aber da können Computer auch den Erfolg klar messen. Gewinnen oder verlieren. Fertig. Und bei Verlieren wird wieder von vorn begonnen. So einfach ist das in der Medizin nicht.

Wo liegt dann nun der Unterschied zu den EKGs oder CTs? Der Computer kann die Dinge schwierig überprüfen. Das ist genauso wie mit einem Radiologen, der teilweise immer die gleichen Fehler macht weil er einfach die Klinik nicht sieht. Man müsste sich also hinsetzen und dem Computer nicht nur sämtliche CTs befunden lassen, sondern das Befundete auch noch ständig kontrollieren und korrigieren. Und nur dadurch wird der Computer auch besser. Und dann sind wir schon wieder bei den Limits. Wer soll sich denn hinsetzen und die ganzen CTs zusätzlich zum Computer befunden und dann Korrekturen einprogrammieren? Und das auch noch auf einem Niveau das mindestens dem eines erfahrenen Radiologen entspricht?

Von der Vergangenheit auf die Zukunft schließen ist vielleicht nicht unbedingt zulässig. Aber: solange wir es nicht mal schaffen ausfallsichere DSL-WLAN-Router zu bauen, und das sind simpelste Geräte die millionenfach hergestellt werden, werden wir auch sowas nicht schaffen. Oder selbstfahrende Autos. Klar, es gibt für sehr einfache Situationen (Stau) schon echt selbstfahrende Autos. Aber so lange es kein selbstfahrendes Auto gibt, das mich nachts bei Eisglätte und Schnee wenn ich selbst besoffen bin die 2-3km von der Gaststätte (bei uns ist eine aufm Berg) heimbringt, sind Autos schlechtere Autofahrer als meine Frau/Freunde/Eltern...

Und diesen Vergleich wieder auf die Medizin gemünzt: würdest du persönlich deine eingene OP-Indikation, Chemotherapie-Indikation, Bestrahlungsplanung alleine von einem Computer machen lassen, wenn du weißt dass die noch nicht mal ein Auto fahren können oder bei DSL-Routern funktionieren? Also brauchts doch wieder einen Mensch...
Und somit sind die Zukunftsaussichten gesichert und jeder kann/soll Radiologie machen :-)

OhDaeSu
11.10.2017, 18:54
Ich verstehe nicht ganz, wieso das nicht zulässig sein soll.

Ich empfehle Hume.
"[Es ist] unmöglich, daß irgendwelche Begründungen durch Erfahrung diese Ähnlichkeit der Vergangenheit mit der Zukunft belegen können, denn all diese Begründungen beruhen ja auf der Voraussetzung dieser Ähnlichkeit."


Theoretisch würde Machine Learning doch auch mit EKGs funktionieren, außerdem sehe ich EKGs wie gesagt als prinzipiell simpler an und trotzdem gibts noch keine wirklich verlässliche Auswertung.

Natürlich würde es auch mit EKGs funktionieren. Aber die Mechanismen zur EKG-Befundung, auf die du dich in deinem vorherigen Beitrag beziehst, arbeiten doch nicht mit dieser Methode.
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Aber da können Computer auch den Erfolg klar messen. Gewinnen oder verlieren. Fertig. Und bei Verlieren wird wieder von vorn begonnen. So einfach ist das in der Medizin nicht.
Wo liegt dann nun der Unterschied zu den EKGs oder CTs? Der Computer kann die Dinge schwierig überprüfen. Das ist genauso wie mit einem Radiologen, der teilweise immer die gleichen Fehler macht weil er einfach die Klinik nicht sieht. Man müsste sich also hinsetzen und dem Computer nicht nur sämtliche CTs befunden lassen, sondern das Befundete auch noch ständig kontrollieren und korrigieren. Und nur dadurch wird der Computer auch besser. Und dann sind wir schon wieder bei den Limits. Wer soll sich denn hinsetzen und die ganzen CTs zusätzlich zum Computer befunden und dann Korrekturen einprogrammieren? Und das auch noch auf einem Niveau das mindestens dem eines erfahrenen Radiologen entspricht?

Naja du brauchst erstmal ein Trainings-Set, bei dem du dem neuronalen Netz o.ä. mitteilen musst, worum es sich handelt (wobei es auch Ansätze gibt, die das umgehen). Diese Daten zu beschaffen ist sicherlich eine Herausforderung, andererseits wenn man sich den Konflikt zwischen dem NHS und Google anschaut, auch kein Ding der Unmöglichkeit für die Konzerne :D
Du musst gar nichts "einprogrammieren", wenn du entsprechende Daten zum weiteren Verlauf einspeist. Das setzt sicherlich voraus, dass das Mittel zur Dokumentation digital wird und nicht aus einer zerfledderten Kladde besteht. So kann das Programm automatisch seine Prognose mit dem Urteil des Pathologen zur Dignität abgleichen. Der Radiologe hat unterdessen schon wieder vergessen, worum es eigentlich ging. Sehe nicht, worin das Problem bestehen soll.


solange wir es nicht mal schaffen ausfallsichere DSL-WLAN-Router zu bauen, und das sind simpelste Geräte die millionenfach hergestellt werden, werden wir auch sowas nicht schaffen.

Du musst die technische Machbarkeit von der Umsetzbarkeit trennen. Ich sehe durchaus auch einige Stolpersteine, die aus dem Weg geschafft werden müssen.


würdest du persönlich deine eingene OP-Indikation, Chemotherapie-Indikation, Bestrahlungsplanung alleine von einem Computer machen lassen[...] Und somit sind die Zukunftsaussichten gesichert und jeder kann/soll Radiologie machen

Eigentlich gehört nichts davon zu den Kernaufgaben eines diagnostischen Radiologen.

anignu
11.10.2017, 21:29
Du musst die technische Machbarkeit von der Umsetzbarkeit trennen. Ich sehe durchaus auch einige Stolpersteine, die aus dem Weg geschafft werden müssen.
Immerhin ;-)

Eigentlich gehört nichts davon zu den Kernaufgaben eines diagnostischen Radiologen.
Also tut er eigentlich gar nichts. Denn sämtliche relevanten Entscheidungen treffen andere Leute. Schafft ihn ab ;-)