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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Eiweiß im Urin



ralfschmidt84
01.11.2017, 16:11
Hallo, ich hätte ja eine Fachfrage. Ein normaler Urin Streifen Test dürfte doch im Normalfall für Protein nicht pos sein oder? Sehe ich da etwas falsch? Eiweiß gehört nicht in den Urin…

Evil
01.11.2017, 16:21
Schaffst Du es nicht, sowas selbstständig bei Wikipedia nachzulesen? Das ist hier kein Beratungsforum.

https://de.wikipedia.org/wiki/Proteinurie

ralfschmidt84
01.11.2017, 17:39
Ich beziehe mich auch eher auf die Sensitivität solcher Teststreifen...

davo
01.11.2017, 17:48
Bei Bakterien ist die Lage wie folgt: Sensitivität 93%, Spezifität 17%. Siehe http://www.klinikum.uni-muenster.de/fileadmin/ukminternet/daten/kliniken/medd/Z_Alte_Dateien/Standards/Harnwegsinfektion_1.pdf

Müsstest du mal bei den Labormedizinern an deiner Uni nachfragen. Ist ja doch eine recht spezielle Frage. (In der Hausarztfamulatur wurde mir aber auch gesagt, dass die Urinstix bei der Proteinurie nicht besonders genau sind.)

Auch interessant in diesem Zusammenhang: "In den USA wird der Urinstix wegen unzureichender Sensitivität und Spezifität sowie falsch positiver Befunde nicht als kosteneffektives Screeningelement auf Proteinurie in der Allgemeinbevölkerung empfohlen." Quelle: https://link.springer.com/article/10.1007/s00092-017-1452-3

Jetzt hab ich mal harte Zahlen gefunden: "A dipstick result of trace or higher identified ACR ≥30 mg/g with 69.4% sensitivity (...) and 86.8% specificity (...) and identified ACR ≥300 mg/g with 100% sensitivity (...) and 83.7% specificity (...). (...) The probability of an ACR ≥30 mg/g confirmed on laboratory investigation was 47.2% (...) based on a dipstick result ≥1+ and 27.1% (...) based on a trace or higher result." Quelle: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/21411199?dopt=Abstract Es gibt also viele falsch positive Befunde, v.a. von Mikroalbuminurie.

WackenDoc
01.11.2017, 17:53
Positiver U-stix auf Proteine besagt quasi gar nix. Die werden durch alles Mögliche positiv.

Anne1970
01.11.2017, 20:30
Eiweiß gehört nicht in den Urin? Huch! :grins: Daiz stimmt das?

bremer
02.11.2017, 11:27
Ich beziehe mich auch eher auf die Sensitivität solcher Teststreifen...

Genaugenommen interessiert dich der positive prädiktive Wert.

Sensitivität wäre eher der Anteil der Patienten, bei dem der Stixx einer Proteinurie nachweist, im Verhältnis zu allen Patienten mit Proteinurie. Also ein Wert von 70% (wie irgendwer gepostet) bedeutet, von 100 Patienten mit Proteinurie, zeigt der Test in 70 Fällen die Proteinurie auch an, in 30 Fällen bleibt er negativ.

Spezifität von 87% bedeutet, dass von 100 gesunden Patienten der Test in 13 Fällen eine Proteinurie anzeigt, obwohl der Patient keine hat.

Der positive prädiktive Wert, der dich in diesem Fall interessiert, zeigt an, wie wahrscheinlich ein Patient eine Proteinurie hat, wenn der Test positiv ausfällt. Die lässt sich leider nur mit Hilfe einer einigermaßen genauen Prävalenz der Erkrankung berechnen (also wie verbreitet ist Proteinurie in der Bevölkerung). Deswegen wird der Wert häufig nicht angegeben.

Die Begriff sauber auseinander zu halten, ist nicht immer einfach, und können viele Mediziner auch nicht.

davo
02.11.2017, 12:04
Die lässt sich leider nur mit Hilfe einer einigermaßen genauen Prävalenz der Erkrankung berechnen (also wie verbreitet ist Proteinurie in der Bevölkerung). Deswegen wird der Wert häufig nicht angegeben.

Eigentlich braucht man dafür nur ein "krankheitsdefinierendes" Goldstandard-Diagnostikum. Wie in dem von mir zitierten Artikel die Laboranalyse.


Die Begriff[e] sauber auseinander zu halten, ist nicht immer einfach, und können viele Mediziner auch nicht.

Müsste aber eigentlich jeder fürs Physikum lernen (Medizinische Psychologie) ;-)

bremer
02.11.2017, 12:47
Eigentlich braucht man dafür nur ein "krankheitsdefinierendes" Goldstandard-Diagnostikum. Wie in dem von mir zitierten Artikel die Laboranalyse (...)

Ne, das kann man so nicht sagen ;)

Wenn man einen diagnostischen Test jetzt bewerten möchte, wie gut er ist, muss man ihn ja mit einer Goldstandard vergleichen, um den wahren Wert zu ermitteln. Nimmt man jetzt zum Beispiel 1000 Personen, von denen 100 histologisch ein Melanom haben (Goldstandard) und vergleich jetzt die Befunde von ABCDE Auswertungen. So bekommt man, wenn man das ganze in einer 4-Felder Tafel jetzt darstellt, jetzt Werte raus, die man mit verschiedenen Formeln berechnen kann (also Sensitivität, Spezifität, auch den positiv/negativ prädiktiven Wert u.s.w.
Als Prävalenz der Erkrankung wird jetzt 100 angenommen, welche in die Formel mit eingeht. Das ist aber nur eine Schätzung, die wahre Prävalenz kennt man gar nicht.
Auch Sensitivät und Spezifität wird abgeschätzt, die sind aber wesentlich robuster und unabhängig von der Prävalenz einer Erkrankung und mit einer genügend großen Stichzahl auch hinreichend genau.
Ändert sich die Prävalenz zum Beispiel bei den Melanomen, die zunehmen, wird auch der positive prädiktive Wert steigen, weil die Wahrscheinlich einfach insgesamt zunimmt, eines zu treffen. Die Sensitivität und Spezivität bleiben gleich.

Ich weiß, ist kompliziert, aber ein Arzt muss das ganze ja auch nicht verstehen.;-)

davo
02.11.2017, 12:57
Für den positiven prädiktiven Wert ist all das irrelevant. Denk mal drüber nach wie der definiert ist und was im Zähler steht ;-)

bremer
02.11.2017, 14:17
Für den positiven prädiktiven Wert ist all das irrelevant. Denk mal drüber nach wie der definiert ist und was im Zähler steht ;-)

Du glaubst, für den positiven prädiktiven Wert ist die Prävalenz irrelevant? Dann hast du den Wert, glaube ich, noch nicht verstanden.

Ps.: Das geht jetzt aber am Thema vorbei. Sonst lies es nochmal nach oder frag einen Statistiker deines Vertrauens.

davo
02.11.2017, 14:25
Du denkst zu kompliziert/formelhaft.

Natürlich hängt der PPW auch von der Prävalenz ab. Aber um den PPW im o.a. Beispiel zu berechnen, brauchst du die Prävalenz nicht. Die Prävalenz steht in der komplizierten Version der Formel, aber da man den Zähler mit Labordiagnostik auch so bestimmen kann, braucht man sie nicht zu eruieren.

Denn: PPW = Richtig Positive / Positive

Den Nenner bekommst du aus dem Streifentest, den Zähler bekommst du, indem du für alle mit positivem Streifentest Labordiagnostik durchführst.

bremer
02.11.2017, 14:59
Das wäre dann die PPW für die Probe, mit der man den diagnostischen Test evaluiert. Die interessiert aber niemanden.

Nochmal: Die PPW ist prävalenzabhängig. Nimmst du ein und denselben Test, meinetwegen einen HIV-Test, so ist der PPW in Deutschland viel schlechter als in Südafrika zum Beispiel. Die Sensitivität und Spezifität bleiben logischerweise gleich.

Jetzt klar geworden?

davo
02.11.2017, 15:19
Doch, genau diese Probe interessiert in diesem Fall. Ein Albumin-Teststreifen wird in der Regel in einer nicht selektierten Stichprobe verwendet - und auch die Daten in dem von mir zitierten Paper kamen von einer nicht selektierten, repräsentativen Stichprobe der australischen Bevölkerung. Es ist äußerst unwahrscheinlich, dass der Unterschied in der Albuminurie zwischen Deutschland und Australien auch nur annähernd so groß ist wie der Unterschied in der HIV-Prävalenz zwischen, zum Beispiel, Deutschland und Swaziland. Noch dazu wo eine repräsentive Stichprobe der australischen Bevölkerung benutzt wurde, also genau jene Art von Stichprobe die bei einem Massenscreening zum Tragen käme.

Das HI-Virus wird natürlich genau deshalb zur Illustration der Formeln benutzt, da die Unterschiede von Land zu Land so extrem sind, also als Extrembeispiel zur überzeichneten Illustration eines statistischen Zusammenhanges, aber hat für die Diskussion in diesem Thread keine Relevanz.

Ob man Sensitivität und Spezifität benutzt, um die Zuverlässigkeit von Streifentests zu beurteilen, oder den PPW, ist letztlich irrelevant, da man normalerweise von einem bestimmten Setting in einem bestimmten Land redet, wenn man über ein diagnostisches Verfahren diskutiert - also ist die Prävalenz konstant, und somit auch die Beziehung zwischen Sensitivität und Spezifität einerseits und PPW andererseits konstant. Aber der PPW ist inhaltlich oft, und so auch in diesem Fall, relevanter.

Mir wird das aber zu mühsam, deshalb zitier ich dich mal:


Sonst lies es nochmal nach oder frag einen Statistiker deines Vertrauens.

bremer
02.11.2017, 16:53
(...)

Ob man Sensitivität und Spezifität benutzt, um die Zuverlässigkeit von Streifentests zu beurteilen, oder den PPW, ist letztlich irrelevant(...)

Liest du dir meine Beiträge nicht durch oder verstehst du es einfach nicht?

Warum glaubst du wohl werden in der Regel zur Beurteilung von diagnostischen Test lediglich die Sensitivität und Spezifität angegeben und eben nicht PPW oder NPW? Weil es eben nicht irrelevant ist.

Nochmal ganz langsam: PPW stark prävalenzabhängig und damit je nach setting schwankend.
Sensitivität und Spezifität weniger prävalenzabhängig und damit robuster.

Ich erkläre zwar eher allgemein was zu den statistischen Verfahren und weniger jetzt speziell auf Albuminurie, aber da du offensichtlichen Blödsinn erzählst (sorry, aber "Prävalenz ist konstant" ... hä? Prävalenz ist immer eine Momentaufnahme. Warum glaubst du werden regelmäßig Querschnittsstudien durchgeführt?), fühlte ich mich dazu angeregt, ein paar Sachen klar zustellen, auch wenn du deine Fehler/Ungenauigkeiten nicht einsiehst.

roxolana
02.11.2017, 21:30
Muss Bremer da zustimmen. Die Prävalenz einer Krankheit kann sich ja schon unter den Patienten zweier verschiedener Praxen stark unterscheiden, da müssen wir nicht in andere Länder schauen. Z.B. ist die Inzidenz der Syphilis in Berlin mit 39 pro 100.000 Einwohnern deutlich höher, als der bundesweite Durchschnitt von 8-9, was sich natürlich auch auf den PPW des TPHA-Tests in Berlin im Vergleich zu Wanne-Eickel auswirkt. Ebenso solte der PPW einer Teststreifen-Proteinbestimmung unter den Patienten einer Dialysepraxis höher sein als beim Check-Up 35 der Hausarztpraxis.