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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Urteil Bundesverfassungsgericht - Traum geplatzt?



Lilium92
19.12.2017, 17:33
Hallo liebe Medis :)

Wie sicherlich schon einige wissen, hat das Bundesverfassungsgericht heute entschieden, dass die Wartesemester limitiert werden. Ich persönlich fing vor 2 Jahren an Wartesemester zu sammeln und eine Krankenpflege-Ausbildung zu machen um die Wartezeit zu überbrücken. In der Zeit wollte ich mich zum ITS-Pfleger weiterbilden und so meine Wartejahre gestalten, bis ich den Medizinstudienplatz bekomme.

Zu meinen Werten:

Aufgrund diverser privater Krisen und nicht immer der richtigen Motivation schaffte ich nur eine DN von 3.2 im Jahre 2012 - danach fing ich ein Biologiestudium an was ich ersatzweise und aufgrund des möglichen Quereinstiegs fürs Medizinstudium nutzte - dort hatte ich einen Notendurchschnitt von 1,3 weil es wesentlich stärker meine Interessen wiederspiegelte. Nach diversen fehlgeschlagenen Versuchen mir Scheine für ein höheres Semester anrechnen zu lassen brach ich im 6. Semester zugunsten der Wartezeit ab, weil sie mir als die sicherste Variante erschien an einen Platz zu kommen. So kann man sich täuschen.

Ich komme aus eher ärmlichen familiären Verhältnissen und nutze die Ausbildung unter anderem auch dazu für das Studium entsprechend Geld anzusparen. Über 7 Jahre Wartezeit kann man durchaus eine gewisse Summe anhäufen, da alle anderen Wege (z.B Österreich, Zweitstudium, Ausland etc.) am Finanziellen gescheitert sind.

Mit dem heutigem Urteil - und ich glaube fast die Antwort kenne ich - wird es für mich mit den Vorraussetzungen scheinbar kein Medizinstudium mehr geben. Könnte mir das hier jemand bestätigen? Meine Wartezeit begann mit dem Wintersemester 2015/16 damit sind das derzeit nur 4

Im Moment bin ich leider etwas schockiert - sehe aber die Notwendigkeit mir einen Plan B zu suchen.

Grüße

Lilium

davo
19.12.2017, 17:39
Das kann jetzt noch niemand sagen. Vieles in der Entscheidung sind kann- und soll-Aussagen, sehr viel Gestaltungsspielraum wird offengelassen. Da würde ich erst einmal die nächsten Wochen und Monate abwarten, bis sich herauskristallisieren wird, welche Konsequenzen die Politik aus dieser Entscheidung ziehen wird.

Ausbildung und Geld ansparen kannst du ja trotzdem, und dich dann ggfs. z.B. in Österreich bewerben. Das ist ja nicht viel teurer als Deutschland.

Ich würde die Wartezeitquote jedenfalls nicht voreilig abschreiben.

Sebastian1
19.12.2017, 17:41
Im Moment brauchst du da eine Glaskugel. Erstmal muss die Politik jetzt neu gestalten. Und es weiss auch noch keiner, ob und welche Übergangsregelungen es geben wird. Aber ja, es ist durch das Urteil in den Bereich des Möglichen gerückt, dass du keinen Platz erhalten wirst.

schmuggelmaeuschen
21.12.2017, 10:09
naja aber rein rechtlich, hat man mit der allg. Hochschulreife doch das recht, alles zu zustudieren. Eine Regelung a la nach 4 oder 5 Jahren warten bist du raus, würde sich meiner Meinung nach damit nicht vereinbaren lassen. Ich denke es wird eher auf eine Regelung hinauslaufen, dass neben Abi über all auch Faktoren wie TMS und Ausbildung zählen. So wie ich das Urteil verstanden habe, wurde vorallem das AdH angegriffen, die Wartezeit wurde kritisiert (hab es wegen Examenlernen aber nicht genau gelesen)
Außerdem soll es ja erst zu 2019 geändert werden und es würde mich nicht wundern, wenn an der Wartezeitregelung nix geändert wird (bis wieder einer Klagt).
Selbst wenn die Wartezeit auf max. X Jahre begrenzt werden würde, würden 1. sehr viele Klagen und 2. kann es dann nur für die gelten, die sich NACH der Gesetzesänderung für Medizin bewerben, für den Rest muss es eine Übergangsregelung geben (s. BA Einführung).

Feuerblick
21.12.2017, 10:13
Es wird sicher eine Übergangsregelung geben. Aber was das Kappen der Wartesemester angeht: Das Gericht hat klargestellt, dass es völlig gesetzeskonform ist, dass es bei begrenzten Studienplätzen eine Auswahl nach Eignung gibt und dass das nichts damit zu tun hat, dass man theoretisch seine Ausbildung frei wählen können darf...

Markus-HEX
21.12.2017, 12:59
naja aber rein rechtlich, hat man mit der allg. Hochschulreife doch das recht, alles zu zustudieren. Eine Regelung a la nach 4 oder 5 Jahren warten bist du raus, würde sich meiner Meinung nach damit nicht vereinbaren lassen.

Dass wird da recht gerne reininterpretiert, stimmt aber soweit nicht unbedingt.

Beispielsweise Gibt es gerade im musikalischen Und sportlichen Bereich auch Tests, die absolviert werden müssen, bevor man einen Studienplatz bekommt. Wer unmusikalisch ist, Kann auch nicht lange warten und dann Musik studieren.

Die Aussage wird recht gerne mit „ freier Berufswahl“, Die ja gesetzlich verbrieft ist, begründet, allerdings bezieht sich das eher auf andere Aspekte (ein Erbe unserer Vergangenheit aus der Zeit von 33-45, wo bestimmte Glaubens-Gruppen ein Berufsverbot für bestimmte Berufe bekommen haben). Hinter dieser „freien Berufswahl“ steht also eher eine Art Anti-Diskriminierungs-Grundsatz- So kann zum Beispiel auch ein Mann Entbindungspfleger werden, den Beruf der Hebamme nur Frauen zugänglich zu machen, ist verboten.

davo
21.12.2017, 13:13
Ganz genau. Das Gericht hat also eigentlich nur das Selbstverständliche festgehalten - dass eben nicht jeder alles studieren können muss, sondern dass es lediglich ein "Recht auf gleiche Teilhabe am staatlichen Studienangebot" (Randnummer 103) gibt, und dass man bei begrenzten Studienplätzen nach Eignung auswählen muss (Randnummer 108). Das wird in Randnummer 106 ganz klar festgehalten:

"In Fächern wie der Humanmedizin, in denen die Anzahl an Bewerbungen das Angebot an Studienplätzen weit übersteigt, kann der Teilhabeanspruch die tatsächliche Studienzulassung von vornherein nicht garantieren (...). Die verfassungsrechtlich gebotene Chancenoffenheit schließt das Risiko des Fehlschlags einer Bewerbung auf einen Studienplatz ein, da bei der Vergabe knapper unteilbarer Güter jedes Auswahlsystem - wie immer es ausgestaltet ist - nur einem Teil der Bewerberinnen und Bewerber reale Aussichten eröffnen kann, auch tatsächlich Erfolg zu haben. Wesentlich ist, dass die Vergabe der Studienplätze nach gleichheitsgerechten Kriterien erfolgt (...)."

Deshalb ist auch die Beschränkung der Wartezeitquote auf (wahrscheinlich) acht Semester (siehe Randnummer 225), deren konkrete Ausgestaltung völlig offen gelassen wird, nicht verfassungswidrig.

Was das Gericht getan hat, war sozusagen die Auswahl wasserdicht zu machen, indem es dafür gesorgt hat, dass man die Abiturnoten länderkorrigieren muss, dass man im AdH nicht nur die Abiturnote berücksichtigen darf, dass die zusätzlichen AdH-Kriterien nicht von den Unis ausgewählt werden dürfen, und dass sie "standardisiert und strukturiert" sein müssen.

Markus-HEX
21.12.2017, 13:20
Danke, dass du es noch mittels der Randnummern belegt hast.

Die Klage wird von daher jetzt für mächtig Unruhe sorgen - Ich fürchte, dass die Wartezeitquote Sich möglicherweise jetzt noch extrem vergrößern wird, da Es jetzt quasi die letzten Chancen sind, über die Wartezeit reinzukommen und Möglicherweise auch einige die Chance ergreifen, sich noch einen Platz zu sichern, die sich bislang noch nicht aktiv beworben haben.

LisaMun
26.12.2017, 10:24
Hi, ich hab die letzten Tage auch ziemlich viel - teilweise Gutes und teilweise viel Mist - dazu gelesen. Und mich heute extra nochmal durch das komplette Urteil "gequält". Mein Eindruck: Aktuell ist noch alles offen und es kann sich noch in viele Richtungen entwickeln. Ich würde hier erstmal abwarten .. oder wie seht ihr das?