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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : 1. Stelle in der Praxis und nicht auf Station?



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carboxylase
14.01.2018, 21:29
Hallo ihr Lieben,

kennt ihr jemanden der als 1. Assistenzarztstelle in einer Praxis angefangen hat und nicht auf Station?
Gibts Meinungen/Erfahrungen?

WackenDoc
14.01.2018, 21:30
Ist nicht zu empfehlen. Liegt an der Taktung in einer Praxis.

Pflaume
14.01.2018, 22:25
Hab schon Leute getroffen, die das in Derma, Allgemeinmedizin und Pädiatrie gemacht haben. Wie Wackendoc schon sagt, sehr viel höhere Taktung. Und auch deshalb, weil man noch keine / kaum klinische Erfahrung hat, würde ich es für einen Anfänger nicht empfehlen. Die in der Allgemeinmedizin-Praxis kam überhaupt nicht zurecht. Die in der Pädiatrie-Praxis wurde schlecht bezahlt und kam einigermaßen zurecht - sind fand es im Nachhinein gar nicht so schlecht, es so gemacht zu haben, auch wenn sie in der Praxis zeitweise sehr gelitten hat (mehr als in der Klinik).

Feuerblick
14.01.2018, 22:39
Ist in aller Regel nicht zu empfehlen. Für eine Praxisanstellung braucht man in den meisten Fächern eine gewisse klinische Erfahrung, um beurteilen zu können, ob eine schwerwiegende Erkrankung vorliegt oder eben nicht. Die bekommt man in der Praxis in der Regel nicht (weil sehr viel eingeschränkteres Patientengut, die schweren Fälle gehen in die Klinik) und meist ist auch die Betreuung aufgrund der hohen Taktung schlechter.

schmuggelmaeuschen
14.01.2018, 23:48
In meiner Inneren Famu war eine Assistenzärztin die in einer allgemeinmedizinischen Praxis angefangen hat und nun den Klinikteil machte. Die war ziemlich überfordert, weil Sie nach eigenen Angaben in der Praxis vorallem Verwaltung gelernt hat und sonst, bis auf Kleinigkeiten, nichts. In der Klinik war sie als Assistentin im 2 Jahr geplant (?) und das war teilweise richtig doof für sie.

Espressa
15.01.2018, 20:30
Ich hab’s gemacht, weil ich damals nicht die Wahl hatte bzw nicht noch weiter weg wollte. War nicht optimal, aber nun bin ich auch FA und in Niederlassung und mache meinen Job nicht schlecht.

xyl15
17.01.2018, 19:46
Das klingt motivierend! Ich bin jetzt am Anfang des PJ und will definitiv später möglichst viel in der Praxis arbeiten (Allgemeinmedizin). Ich bin einfach nicht der Typ für viele Menschen auf einmal, lieber nacheinander, und die Möglichkeiten für geregelte Arbeitszeiten oder Teilzeit scheinen auch besser (zumindest als in der Internistischen Uniklinik).

Evil
17.01.2018, 20:36
Sicher ist die Taktung wesentlich höher. An den langen Tagen (also Sprechstunde Vor- und Nachmittags) habe ich i.d.R. 35-50 Patienten plus Hausbesuche. Das sehe ich aber eher als Vorteil. Man sieht viel mehr Patienten, viel mehr verschiedene Krankheitsbilder, untersucht viel, viel häufiger und hat viel weniger mit Bürokram zu tun als in der Klinik. Das ist Learning by Doing - und es funktioniert! Ich werde mit jedem Tag sicherer. Man kommt ja auch nicht komplett ahnungslos aus dem PJ und hat in dem Jahr auch schon einiges gesehen.
Das klingt jetzt nicht wirklich so, als hättest Du schon einen lebensbedrohlichen Notfall in der Praxis erlebt. Glaub mir, eine Rea möchtest Du die ersten Male lieber in einem sicheren Setting erleben.

Das Problem sind ja nicht die zahlreichen harmlosen Wehwehchen oder grippalen Infekte. Sondern daß Du den einen Patienten mit der Pneumonie oder der Lungenembolie erkennst und herausfischt, UND dann noch die richtige Therapie einleitest.
Learning by doing... ehrlich gesagt halte ich nichts davon, die Ausbildung von Allgemeinmedizin-Assistenten als "Jugend forscht" zu betreiben. Ohne genügend Erfahrung merkt man als Assistent ja gar nicht, wenn man was Entscheidendes übersieht.
Mal abgesehen davon, daß Dein Chef dich eigentlich noch gar nicht allein in der Praxis arbeiten lassen darf, jedenfalls nicht mit nur 6 Wochen Berufserfahrung.

WackenDoc
17.01.2018, 20:51
Danke @Evil. Der Beitrag kam mir doch auch etwas zu enthusiastisch vor.

morgoth
17.01.2018, 20:55
Ich finde das auch sehr bedenklich. Pluspunkt für deinen Chef, dass er kommt, "wenn du nicht sicher bist".

Aber tut mir leid, im stationären Alltag werden bis zu einem sehr fortgeschrittenen Stadium alle Neuaufnahmen fachärztlich gesehen und es finden regelmäßige Facharzt/Oberarztvisiten und Besprechungen statt.
Dass nur draufgeschaut wird, wenn dem Weiterzubildenden nach 6 Wochen ein Problem (wie viele von diesen Problemen kennst du überhaupt?) auffällt, das geht wirklich gar nicht.
Ich arbeite in einem sprechenden Fach, das wäre ja die Oberkatastrophe, wenn nach diesen Kriterien die Behandlung entschieden würde: "Och der hat nicht soviel gesagt (und ich habe auch mangels Wissen nichts weiter gefragt), der ist jetzt wieder mit seiner akuten Suizidalität nach Hause"...

Kann allen Mitlesenden von solchen Konstrukten nur abraten!

Pflaume
17.01.2018, 21:26
Einen der wesentlichsten Punkte der Arbeit als Anfänger in der Klinik (in der Inneren Medizin) finde ich, zu erleben, wie oft man mit seiner Erstdiagnose komplett danebenliegt und in welche Richtung sich Dinge entwickeln.

Ich glaube, dass diese Erfahrung auch dazu führt, dass man (hinterher) in der Praxis in manchen Fällen eher genauer hinschaut und nicht mehr lockerflockig mit der Haltung "man kommt ja auch nicht ganz ahnungslos aus dem PJ" vor sich hinarbeitet. Natürlich hat man in der Praxis ein anderes Patientengut als in der Klinik, weniger Leute, die einem ganz plötzlich akut dekompensieren. Aber auch ich würde dir, slandi, angesichts der geschilderten Begeisterung ("es funktioniert!") etwas Vorsicht ans Herz legen. Leider ist man im Krankenhaus als Anfänger auch oft ziemlich schnell ziemlich allein (im Dienst), und auch dort muß man sich gelegentlich selbst überlegen, wann man eigentlich Hilfe braucht und wann nicht. Trotzdem hat man da, aufgrund des umgebenden Personals (erfahrene Schwestern, Kollegen anderer Fachdisziplinen, bis hin zu der Laborfrau, der was auffällt, was man selbst übersehen hätte) immer noch mehr Rückhalt und mehr standardisierte Abläufe, die durch ihre Struktur helfen, primär gemachte Fehler (und Fehleinschätzungen) rasch doch aufzudecken und aufzufangen.

Und ich bin der Meinung, dass man trotz etwas geringerer Patientenzahl pro Tag mehr relevante Erfahrung bezüglich drohender gefährlicher Verläufe sammelt, weil man im Krankenhaus im Schnitt die schwerer erkrankten Patienten hat... und - in einem trotzdem einigermaßen geschützten institutionellen Setting - unmittelbar und schnell miterlebt, wie schief man manchmal liegt.

Ich hätte mich niemals als Berufsanfänger in eine Hausarzt-Praxis getraut.

anignu
18.01.2018, 00:24
Wenn ich mal alleine in der Praxis bin, komme ich auch gut zurecht, die Helferinnen haben auch Ahnung, und im Zweifel kann man immer in die Klinik/zum Facharzt überweisen
6 Wochen nach dem Studium schon völlig alleine arbeiten... hätte ich mich nicht getraut. Völliger Wahnsinn. Aber klar, wenn dann noch nichts passiert ist, bekommt man ein Hochgefühl und glaubt das sei sinnvoll was man tue. Glücklicherweise müssen auch solche Leute nochmal in die Klinik, per Weiterbildungsordnung.

Das Zeug mit den Helferinnen: auch Rettungsdienstler glauben dass sie eine Ahnung haben. Aber die geben die Verantwortung per Transport einfach mal ab an den Klinikarzt. Und es ist völlig egal ob der Rettungsdienstler glaubt "das ist nicht so schlimm". Er steht in keinster Weise mehr in Verantwortung für völlige Fehleinschätzungen der Klinikärzte. In der Nacht wegen plötzlichen Schmerzen in der BWS aufgewacht, Rettungsdienst und Patient schätzen es übereinstimmend als muskuloskeletal ein, "irgendwas verrissen". Und? Ideen? Und nein, die Schmerzen waren nicht so schlimm wie wenn man mit dem Messer hinten reinsticht. Keine Aortendissektion oder sowas. Wie hättest du die ausgeschlossen? Und ja, mein Hausarzt kann Aortendissektionen in seiner Praxis ausschließen. Aber was wars dann? Und wie schnell muss das therapiert werden?

WackenDoc
18.01.2018, 08:50
Die MFAs in meiner Praxis waren richtig fit was Thresen, Organisation und Abrechnung anging (wobei bei letzterem würde ich meine Hand nicht ins Feuer legen wollen) fit. Bei Standardnotfällen waren sie schon heillos überfordert.
Und meine aktuellen können ihre eigenen Abläufe ganz gut. Das wars. Patienten eimschätzen- Fehlanzeige. Leitlinien- Fehlanzeige.

Tim Buktu
18.01.2018, 19:09
Das klingt jetzt nicht wirklich so, als hättest Du schon einen lebensbedrohlichen Notfall in der Praxis erlebt. Glaub mir, eine Rea möchtest Du die ersten Male lieber in einem sicheren Setting erleben.

Das Problem sind ja nicht die zahlreichen harmlosen Wehwehchen oder grippalen Infekte. Sondern daß Du den einen Patienten mit der Pneumonie oder der Lungenembolie erkennst und herausfischt, UND dann noch die richtige Therapie einleitest.


Was macht dich so optimistisch, dass fertige Allgemeinmediziner eine gute Quote im Erkennen von Pneumonien und Embolien haben?
Wieso sollten Allgemeinmediziner Erfahrung haben im reanimieren?

WackenDoc
18.01.2018, 19:16
Ähm, weil er die Krankheitsbilder in seiner Klinikzeit schon gesehen hat? Weil er auf seiner Station schon reanimiert hat. Weil er schon im geschützten Rahmen gesehen hat, dass man mit vermeintlich naheliegenden Diagnosen falsch liegen und Fehldiagnosen stellen kann. Weil man eine gewisse Erfahrung braucht um unter den 100 Patienten mit Banalitäten die 1-2 mit abwendbar gefährlichen Verläufen rauszupicken- vor allem in einer Taktung wie man sie in der Praxis hat. Weil zwischen richtiger und falscher Diagnose manchmal nur ein "komisches Gefühl" liegt.

Evil
18.01.2018, 20:29
Was macht dich so optimistisch, dass fertige Allgemeinmediziner eine gute Quote im Erkennen von Pneumonien und Embolien haben?
Wieso sollten Allgemeinmediziner Erfahrung haben im reanimieren?
Genau das ist die Aufgabe eines Allgemeinmediziners: die ganzen popeligen Infekte und Befindlichkeitsstörungen von dem einen ernsthaften Notfall zu trennen. Wer das nicht verstanden hat, hat den Zweck der Allgemeinmedizin nicht kapiert.

Inwieweit das erfüllt wird, kann ich nicht sagen, ich bilde mir aber ein, daß ich und das Gros meiner Kollegen das bis auf ein paar Ausreißer (wie in allen Fachrichtungen) ganz gut hinbekommen.
Davon ab, als Notarzt mit mehrjähriger Erfahrung ist mir schonmal eine Reanimation begegnet ;-)

wischmopp
22.01.2018, 14:00
Ich war 3 Monate in der Klinik bevor ich in die Hausarzt-Praxis (MVZ) gegangen bin.

Ich würde es immer wieder so machen.
In der Klinik war ich völlig auf mich allein gestellt mit lebensbedrohlich erkrankten Patienten. Gut, vielleicht ist 1x am Tag ein Oberarzt gekommen und hat die Patienten mit mir durchgesprochen. Gesehen hat er sie nicht täglich. Und besprochen wurden meine Fragen zum Patienten. Um die richtigen Fragen zu stellen wäre ja aber erstmal ein gewisser Überblick nötig. Hat niemanden interessiert. Ich war jedenfalls heillos überfordert. Supervision gleich null. Hölle.

Jetzt in der Praxis (bin dort jetzt schon über 2 Jahre) geht´s mir gut. Ich kann alles besprechen, was ich möchte. Ich empfinde es als geschützten Rahmen, im Gegensatz zur Klinik. Dort war es reines Glück, dass nichts Schlimmeres passiert ist.
Assistenten sind in meiner Praxis nie alleine (Das finde ich auch fahrlässig!).

Ich habe durchaus auch einige Notfälle rausgefischt (Herzinfarkt, Lungenembolie, Pneumonie etc.) mit diversen Notarzteinsätzen.
Ich denke, dass ich als Anfänger sicher einmal öfter als ein erfahrener Facharzt ein EKG schreibe oder einen Schnelltest auf Trop/D-Dimere mache - oft auch o.p.B.

Ich bin achtsam, es ist mir bewusst, welche Verantwortung ich trage. Ich habe das Gefühl in den letzten 2 Jahren viel Hausarztmedizin gelernt zu haben, die mir auch als Basiswissen in der Klinik helfen wird.

Ich bereue es keineswegs - wobei ich vielleicht einfach Glück mit meiner Praxis und Pech mit meiner Klinikstelle hatte....

carboxylase
24.01.2018, 20:53
vielen lieben dank ihr lieben - ich rd mich über noch mehr Erfahrungsberichte/meinungen freuen :)
noch eine andere frage, wenn der Berufsstart erst in ein paar Monaten ist, könnte man die Zeit mit zbsp. Fortbildungen nutzen?

Rettungshase
24.01.2018, 21:43
Reanimation... es ist bei Weitem nicht dasselbe, ob man sie oft oder ob man sie gut macht.
Und zumindest aus ehemals PJ-ler und Famulantensicht bin ich froh, dass den Innere-Patienten mit dem sporadisch erscheinenden OA nicht viel passiert ist, nachdem es regelhaft vorgekommen ist, dass der einzig verfügbare Assistenzarzt schon Schwierigkeiten hatte, die knallvolle Station in Regelarbeitszeit + 4-5 nicht augeschriebener Extrastunden pro Tag zu verwalten.

@ Carboxylase:
Aus anästhesiologischer und rettungsdienstlicher Sicht sinnvolle Fortbildungen für den Praxisalltag sind wohl Reanimationstraining, Crew Resource Management (wie kriegst du deine Helfer als Teamleader mit guter Kommunikation dazu, das zu tun, was du im Notfall von denen willst?), Leichenschau, Schmerztherapie, sowie grundlegende Kenntnisse, was Notfälle anbelangt (Akuttherapie Herzinfarkt, Anaphylaxie, Hypoglykämie uswusf.).
Für den Rest (z.B. Diabetes in Diagnostik und Therapie) solltest du prinzipiell immer die Möglichkeit haben, mit etwas mehr Zeit zu recherchieren bzw. Rücksprache zu halten.

Fortbildungen haben nur die eine Schwierigkeit, dass sie - sobald du Arzt bist - sauteuer werden ;)

carboxylase
24.01.2018, 21:49
ok danke für die Antwort - nochmal ganz blöd, ich muss wenn ich jetzt bsp. den Facharzt allgemeinmedizin machen will meine Fortbildungen die ich ja auch belegen muss alles aus eigener Tasche zahlen?