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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Überstunden existieren laut Arbeitgeber nicht. Was tun?



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vle85
02.02.2018, 12:35
Hi, eine Bekannte von mir hat jetzt auch angefangen zu arbeiten, in der Chirurgie wohlgemerkt, und direkt am ersten Tag wurde ihr verklickert, dass es Überstunden in ihrer Abteilung nicht gibt, denn die werden einfach nicht aufgeschrieben, also auch nicht bezahlt und nicht ausgeglichen.
Kann da irgendwer weiterhelfen,ob es da irgendwas gibt was man tun kann, außer direkt wieder gehen?

Feuerblick
02.02.2018, 13:00
Ja, den Griffel pünktlich zu Dienstschluss fallenlassen...

tragezwerg
02.02.2018, 13:15
Ja, den Griffel pünktlich zu Dienstschluss fallenlassen...

Exakt. Das Gewerbeaufsichtsamt freut sich sicherlich auch über einen anonymen Tipp...

John Silver
02.02.2018, 14:10
Anonyme Anzeigen beim Gewerbeaufsichtsamt oder Regierungspräsidium nützen wenig bis gar nichts.
Überstunden kann man immer aufschreiben. Wenn kein Vorgesetzter die Überstunden per Unterschrift quittieren will, kann man den Marburger Bund befragen, wie man sich rechtlich absichert; denn spätestens wenn man kündigt, nützen die Überstunden eine Menge. In der Chirurgie sind aber Überstunden meist an der Tagesordnung, weil man in den OP darf, das jedoch mit Überstunden „bezahlt“; kein Chefarzt wird auf die Idee kommen, dieses altbewährte Prinzip zu ändern, solange er noch Assistenten findet.

vle85
02.02.2018, 14:15
Wie ist es mit namentlichen Anzeigen?

Das Problem scheint zu sein, dass wenn einem das keiner quittiert, die Überstunden wohl ungültig sind, so dass nur bleibt einfach zu gehen wenn Schluß ist.

Shizr
02.02.2018, 15:51
Kann da irgendwer weiterhelfen,ob es da irgendwas gibt was man tun kann, außer direkt wieder gehen?
Nein.
Nichts.


Das Problem in solchen Abteilungen ist meistens, dass - wenn man dann tatsächlich Dienst nach Vorschrift macht - man sehr schnell sehr nachdrücklich darauf hingewiesen wird, dass man selbstverständlich seine Arbeit fertig zu machen hat.

Solche Aussagen kommen doch wohl nur aus Abteilungen, in denen Überstunden in einem ausbeuterischen Rahmen zum Standard gehören. Denn sonst wär's nicht erforderlich, sowas klarzustellen, weil die Leute eh schnell genug merken würden, dass sie eher weniger Überstunden machen.

Lava
02.02.2018, 18:15
Vielleicht vorher mal mit den anderen Assistenten reden. Fragen, ob es einen Assistentensprecher gibt und ob das Thema mal angesprochen wurde. Allein wird man da wenig ausrichten können. Entweder man akzeptiert die Chose, oder man geht eben. Wenn es jetzt nicht superviele Überstunden sind, sondern man halt mal ne halbe Stunde länger im OP bleibt, würde ich es gegen den Rest der Abteilung abwägen. Wenn die Ausbildungs ansonsten gut ist... :-nix

Jaja, ich weiß, dafür werde ich jetzt bestimmt wieder gesteinigt, dass ich mir sowas gefallen lassen würde.

Feuerblick
02.02.2018, 18:31
Jepp... genau wegen solcher Leute (sorry, Lava, du weißt, es ist nicht persönlich gemeint) gibt es immer noch Chefs, die sich solche Dinge trauen und die damit durchkommen.
Ausbildung ist der Job eines Weiterbildners. Und wer als Weiterbildungsassistent arbeitet, der sollte für seine Arbeit auch bezahlt werden. Und nicht mit unbezahlten Überstunden für etwas bezahlen, was ihm zusteht.
Umsonst arbeiten, weil man glaubt, nur dann eine gute Ausbildung zu bekommen, ist ein No-Go und sollte endlich mal aus den Mediziner-Köpfen verschwinden. Es gibt keinen Grund, sich unter Wert zu verkaufen! Wenn das nicht bald aufhört, dann wird es in 50 Jahren immer noch Chefs und Verwaltungen geben, die meinen, dass unbezahlte Übestunden zum guten Ton gehören.

juke5489
02.02.2018, 19:42
abgesehen von all den vollkommen richtigen anmerkungen, dass unbezahlte mehrarbeit logischerweise nicht zu akzeptieren ist, vor allem nicht mit ansage sind auch noch andere gesichtspunkte wichtig.
arbeit außerhalb der arbeitszeit findet auch versicherungstechnisch in einer grauzone statt. genauso wie wegeunfälle, die lang nach offiziellem dienstende passieren.
da geht es auch um persönliche absicherung, falls am arbeitsplatz oder auf dem heimweg mal was schiefläuft.
und chefs, die schon bei kleinigkeiten wie der arbeitszeit knausern sind höchstwahrscheinlich auch nicht die größten im rückenfreihalten, wenn es mal um haftungsfragen oder ähnliches geht...

murkel
02.02.2018, 20:03
@feuerblick: die Diskussion hatte ich diese Woche gleich zweimal, weil zwei junge Damen auch glauben, die Klinik würde nur überleben, wenn sie teilweise bis 23 Uhr in der Klinik bleiben. Natürlich ohne Dokumentation von Überstunden.

Feuerblick
02.02.2018, 20:30
@feuerblick: die Diskussion hatte ich diese Woche gleich zweimal, weil zwei junge Damen auch glauben, die Klinik würde nur überleben, wenn sie teilweise bis 23 Uhr in der Klinik bleiben. Natürlich ohne Dokumentation von Überstunden.

Ich hab diese Einstellung nie verstanden und werde sie nie verstehen. Vielleicht bin ich auch einfach nicht eingebildet genug, um zu glauben, dass eine Klinik oder eine Abteilung ohne meine Anwesenheit nicht existieren oder funktionieren kann. :-wand

hebdo
02.02.2018, 22:20
1. Mitgliedschaft Marburger Bund
2. Tägliche Überstundendokumentation inkl. von Tätigkeiten und Fallnummern
3. dem Vorgesetztem zur Unterschrift vorlegen.
4. Falls er nicht unterschreibt, beim Betriebsrat, Personalleiter und Geschäftsführer spätestens nach 3 Monaten einreichen
5. Klagen

Absolute Arrhythmie
03.02.2018, 08:26
abgesehen von all den vollkommen richtigen anmerkungen, dass unbezahlte mehrarbeit logischerweise nicht zu akzeptieren ist, vor allem nicht mit ansage sind auch noch andere gesichtspunkte wichtig.
arbeit außerhalb der arbeitszeit findet auch versicherungstechnisch in einer grauzone statt. genauso wie wegeunfälle, die lang nach offiziellem dienstende passieren.
da geht es auch um persönliche absicherung, falls am arbeitsplatz oder auf dem heimweg mal was schiefläuft.
und chefs, die schon bei kleinigkeiten wie der arbeitszeit knausern sind höchstwahrscheinlich auch nicht die größten im rückenfreihalten, wenn es mal um haftungsfragen oder ähnliches geht...

Absolut richtiger und wichtiger Einwand! Afaik zahlt die Unfallkasse bei Wegeunfällen nur bis max. 2 Stunden nach Dienstschluss. Wenn man also um 23 Uhr fröhlich auf der Autobahn heimdüst und leider einen Unfall hat, ist man bei undokumentierten Überstunden nicht mal BG-lich versichert. Das selbe gilt dann auch während der unbezahlten Arbeitszeit im Krankenhaus (darauf hat unsere Arbeitsmedizinerin im entsprechenden Seminar extra hingewiesen).
Spätestens da hört für mich der Spaß echt auf, wenn ich irgendwo tätig bin, möchte ich dafür auch vernünftig versichert sein. Also entweder werden Überstunden angeordnet und sind abgedeckt, oder man sollte sie nicht ableisten...

schnix25
03.02.2018, 10:32
Wie funktioniert das eigentlich arbeitszeitrechtlich? Die Tageshöchstarbeitszeit liegt ja bei 10 h. Dann könnte man ja höchstens ca. 2 Überstunden täglich machen. Oder darf man die Tageshöchstarbeitszeit durch Überstunden überschreiten?

juke5489
03.02.2018, 11:57
Wie funktioniert das eigentlich arbeitszeitrechtlich? Die Tageshöchstarbeitszeit liegt ja bei 10 h. Dann könnte man ja höchstens ca. 2 Überstunden täglich machen. Oder darf man die Tageshöchstarbeitszeit durch Überstunden überschreiten?

im entsprechenden tarifvertrag ist die höchstarbeitszeit klar definiert. allerdings wird diese in der regel über längere zeiträume (halbes bis ganzes jahr) gemittelt.
hier mal ein auszug aus dem tv vka:

"(1) 1Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt ausschließlich der Pausen durchschnittlich 40 Stunden wöchentlich. 2Die regelmäßige Arbeitszeit kann auf fünf Tage, aus notwendigen betrieblichen/dienstlichen Gründen auch auf sechs Tage verteilt werden.
(2) 1Für die Berechnung des Durchschnitts der regelmäßigen wöchentlichen Arbeits-zeit ist ein Zeitraum von einem Jahr zugrunde zu legen. 2Abweichend von Satz 1 kann bei Ärztinnen und Ärzten, die ständig Wechselschicht- oder Schichtarbeit zu leisten haben, ein längerer Zeitraum zugrunde gelegt werden."

zu beachten ist, dass auch regelungen wie ein opt-out explizit nur dann anwendbar sind, wenn es um mehrarbeitszeit durch bereitschaftsdienste geht.

Autolyse
03.02.2018, 13:50
Wie funktioniert das eigentlich arbeitszeitrechtlich? Die Tageshöchstarbeitszeit liegt ja bei 10 h. Dann könnte man ja höchstens ca. 2 Überstunden täglich machen. Oder darf man die Tageshöchstarbeitszeit durch Überstunden überschreiten?
Nein, darf man nicht.
Da die Aufsichtsbehörden aber nur kommen, wenn man sie ruft, ist das relativ egal...

anignu
03.02.2018, 14:43
Ja, darf man schon. Die 10h gelten zwar auf der einen Seite universal, also sind eigentlich nicht verhandelbar und nicht durch einen Tarifvertrag aushebelbar. Auf der anderen Seite kann man bei Notfällen die eine Lebensgefahr oder schwere Schädigungen beinhalten oder Ähnliches die Arbeitszeit auch über die 10h hinaus verlängern. Also jetzt nicht "Briefe schreiben" oder sowas. Aber wenn ich beispielsweise im OP bin und die OP dauert ungeplant deutlich länger, dann können es auch schonmal mehr als 10h sein und da hat auch das Gewerbeaufsichtsamt nichts dagegen.

schnix25
03.02.2018, 15:30
Vielen Dank für die Antworten. Wie sieht es dann mit der vorgeschriebenen Ruhezeit aus? Wenn man entsprechend am Vortag länger bleibt kommt man ja unter Umständen bei Arbeitsbeginn z.B. 8 Uhr nicht auf die vorgeschriebene Ruhezeit. Ist man dann überhaupt bei Wegeunfällen oder ähnlichem (z.B. Nadelstichverletzungen) versichert wenn man trotzdem um 8 anfängt (was ja auch erwartet wird vom AG)? Oder muss man dann die Überstunden unter den Tisch fallen lassen, damit dieses Problem nicht auftritt?

Autolyse
03.02.2018, 20:20
Ja, darf man schon. Die 10h gelten zwar auf der einen Seite universal, also sind eigentlich nicht verhandelbar und nicht durch einen Tarifvertrag aushebelbar. Auf der anderen Seite kann man bei Notfällen die eine Lebensgefahr oder schwere Schädigungen beinhalten oder Ähnliches die Arbeitszeit auch über die 10h hinaus verlängern. Also jetzt nicht "Briefe schreiben" oder sowas. Aber wenn ich beispielsweise im OP bin und die OP dauert ungeplant deutlich länger, dann können es auch schonmal mehr als 10h sein und da hat auch das Gewerbeaufsichtsamt nichts dagegen.
Falsch.
Die Notfalldefinition des ArbZG ist nicht identisch mit der medizinischen.
Der Notfall ist ein ungewöhnliches, nicht vorhersehbares und vom Willen des Betroffenen unabhängiges Ereignis, das die Gefahr eines unverhältnismäßigen Schadens mit sich bringt.
Dein Beispiel ist weder ungewöhnlich noch nicht vorhersehbar. Damit ist im Krankenhausbetrieb immer zu rechnen und damit Vorsorge zu treffen.

WackenDoc
03.02.2018, 20:28
Wie das bei anderen Arbeitgebern so funktionieren kann:
Anruf spät abends beim Bereitschaftsarzt: "Der Flugdienst hat sich unvorhergesehen verlängert, Sie müssten Ihr ok geben, dass die Fluglotsen 2 Stunden länger arbeiten als geplant (ging glaub ich um 10vs. 8 oder 12 vs. 10 Stunden und ist so erlaubt)"
Und bei meinem aktuellen Arbeitgeber ist es so, dass Arbeitszeiten über 12 Stunden nicht erlaubt sind. Das wird auch eingehalten wenn es irgendwie geht und betrifft vor allem das Autofahren. Bedeutet, dass bei Überschreiten der 12 Stunden eine Hotelübernachtung gezahlt und die Zeit bis zur Rückkehr offiziell als Arbeitszeit gezählt wird.