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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Depression im Medizinstudium gang und gäbe?



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Migole
16.02.2018, 16:19
Ich konnte sicherlich oft das beobachten was Wacken beschrieben hat (auch an mir selber): in der Schule ging alles wie von selber und man gehörte zu den Jahrgangsbesten und plötzlich eben nicht mehr... aber auch unabhängig davon muss ich doch sagen, dass vor allem in der Vorklinik und ums Physikum rum sehr viele nicht mehr gut dran waren. Zwar vielleicht keine ausgewachsene Depression aber eine depressive Episode allemal. Von täglichen Heul-Attacken über Essstörungen/Appetitlosigkeit bis hin zu aufkratzen der Haut/Haare ausrupfen, Schlafstörungen, Stress-Symptome (z.B. Menstruationsstörungen)... Die Liste könnte ich noch lange so weiterführen. Und das nur von den Leuten (ich schließe mich damit übrigens nicht aus) von denen ich es weiß. Dem Rest ging es deshalb ja nicht unbedingt besser. Von einem guten Freund habe ich nachträglich (!) erfahren, dass er fast ein ganzes Semester lang kaum aus dem Bett kam, weil er komplett neben sich stand. Nur weil man es vielleicht nicht so mitbekommt sollte man nicht unterschätzen was der immense Leistungsdruck in der Vorklinik (vor allem: bloß nicht länger bis zum Physikum brauchen) mit einem macht, was dann wunderbar im Physikum gipfelt, dessen Lernpensum völlig gegen jede Lerntheorie spricht. Man hat stängig das Gefühl, dass alle anderen besser sind als man selber und mehr machen. Dass man sich fragt ob man zu dumm für das Studium ist etc. Bis man das überwunden hat dauert es in der Regel etwas und betrifft soweit ich es gesehen habe fast alle, seien es Wartezeitler, Abibeste oder Zweitstudenten.
Versteht mich nicht falsch, ich liebe das Studium und habe durch vorige Studienerfahrung vieles sehr gelassen genommen und mich in der Vorklinik sicherlich nicht überanstrengt, aber diesen Druck habe ich in den wenigsten Studiengängen so wahrgenommen (Jura, Pharmazie und Zahn/Vetmed ausgenommen) und es würde mich überhaupt nicht wundern wenn die Statistik so auch auf D zutrifft.

Jul1999
16.02.2018, 16:53
Vielen Dank für die hilfreiche Tipps und Antworten :)

WackenDoc
16.02.2018, 17:48
Viele müssen das Lernen auch erst lernen und vor allem auf Lücke lernen. Im Medizinstudium KANNST du nicht alles lernen und du musst priorisieren. Erst das große Ganze, dass mal ein Verständnis da ist und dass es zum Bestehen reicht und dann so viel wie möglich Details reinbauen. Mit diesem Unsicherheitsgefühl muss man auch klar kommen.

Ich muss auch sagen, dass ich heilfroh war, als die allerletzte Prüfung rum war und ich jahrelang nicht mehr lernen musste. Ich hab dann die Strategie entwickelt, mich erst wieder zu einer Prüfung anzumelden, wenn ich denke, dass ich sie auch schaffen kann. Die Notarztprüfung war dann wieder recht entspannt (auch wenn ich total aufgeregt war), weil das Themengebiet überschauber ist- wenn man bestimmte Dinge weiss, kann man eigentlich nicht durchfallen.
Meine Facharztprüfung hab ich weiiiit rausgezögert. Hab sogar die damals angedachte Stelle verschoben, weil ich mehr Zeit wollte. Letztendlich war es eine fiese Lernerei, aber das war jetzt die letzte Prüfung mit diesem Umfang.
(Jetzt bin ich so doof, noch eine Zusatzbezeichnung zu machen und evtl. noch nen zweiten Facharzt drauf zu setzen)

bremer
16.02.2018, 19:49
Vieles kann ich hier unterschreiben, dass 1/4 der Studenten depressive Episode hätten, ist mir allerdings auch nicht aufgefallen. Eine Kommilitonin ist einmal bei einem Anatomie Testat heulend zusammengebrochen, hat wohl auch nicht zu Ende studiert. Ansonsten war die Atmosphäre eher locker/entspannt.

Nur eines wundert mich immer wieder:


Das Problem ist wohl wesentlich banaler:
Die meisten Medizinstudenten waren halt in der Schule sehr gut bzw. gehörten dort zur Spitzengruppe. Oft auch ohne fürchterlich viel dafür tun zu müssen. Oft lernt man als guter Schüler auch keine wirkliche Fehlertoleranz- man hat ja nicht so viele gemacht.

Im Medizinstudium verschiebt sich aber der Standard. Da ist man halt nicht mehr mit wenig Aufwand in der Spitzengruppe, sondern mit viel mehr Aufwand erstmal im Mittelfeld. Dazu kommt noch, dass man halt den ein oder anderen Schein nicht packt. Dann diese unglaubliche Stoffmenge, Zeug was man schlichtweg nicht versteht oder nicht in den Kopf rein bekommt.
Das kann natürlich zu Versagensängsten führen (...)


Wenn ich an meine Schulzeit zurückdenke, fand ich die Oberstufe und Abiturprüfungen um einiges anstrengender als die Vorklinik und das Physikum zum Beispiel. Man muss jeden Tag konzentriert mitarbeiten, wenn man ne gute mündliche Note möchte. Man musste ja quasi jedes unterschiedliche Fach mindestens gut können und für eine 1 musste man teilweise echt überirdische Leistungen vollbringen. Ich kenn mich an keinen Deutschaufsatz erinnern, in dem jemand mehr als 12 Punkte hatte.
Mein Erststudium (Informatik) war da schon deutlich entspannter. Und das bisschen kreuzen im Medizinstudium empfand ich dagegen fast wie Urlaub.
Scheint wohl alles sehr subjektiv zu sein.

outofhere
16.02.2018, 20:53
Zum einen glaube ich nicht, dass sich US amerikanische Medizinstudierende mit deutschen ohne weiteres vergleichen lassen. Das Studium läuft ganz anders ab. Vor allem machen sich dort die Studierenden ganz andere Sorgen als in DE. Die meisten beenden das Studium mit mindestens $250.000 Schulden die Konkurrenzsituation ist eine ganz andere (je nach Facharzt den man machen möchte muss man durchgehend sehr gute Noten haben) usw. ...
Wartezeitler gibt es dort übrigens gar keine, um das Studium aufnehmen zu können muss man halt ein entsprechenden GPA und MCAT score mitbringen. Und eventuell suchen sie auch keine Hilfe auf, weil sie sich das gar nicht leisten können.

Aber selbst wenn es übertragbar wäre heißt das ja nicht, dass diese Personen nicht auch in einem anderen Studiengang die gleichen Probleme hätten. Da 25% in der Altersgruppe scheinbar recht normal ist würde ich das nicht unbedingt in einen Zusammenhang mit dem Studium bringen.

Aber kenne auch einige die sich ganz schön Druck machen, entweder weil sie alles perfekt verstehen wollen oder weil sie durch ein paar Prüfungen gefallen sind. Viele bekommt man sicher auch nicht mit. Große Sorgen würde ich mir aber dennoch nicht machen. Studiere das was du machen möchtest.

Jul1999
16.02.2018, 21:22
Sind eigentlich die Testate und Referate vor der ganzen Klasse?

WackenDoc
16.02.2018, 21:29
Welche Klasse? Du bist auf der Uni nicht mehr in der Schule!

schmuggelmaeuschen
17.02.2018, 09:15
Ich kenne ein paar in meiner Kohorte die (leicht) Depressiv sind/waren. Aber gefühlt sind es nicht mehr im Semester von einer Jura-Freundin.

Die Studie, dass Leute die über den NC ein sind im schnittbesser abschneiden gibt es wirklich. Allerdings ist diese unsauber, da nur NC vs. WZ geguckt wurde und die WZ ist eben eine unhomogene Gruppe. Wenn man weiter aufschlüsselt, med. Berufsausbildung, etc. und Faktoren wie Kinder, selber arbeiten müssen berücksichtigt verschwindet der unterschied.

@laidnevergiveup Studien kritisch zu hinter fragen, lernst du im klinische Studienabschnitt, falls du den jemals erreichen solltest.

@Jul1999 ich hatte auch das Gefühl, dass die NC Leute mehr psych. Probleme hatten, weil viele mit mehr oder weniger lernen in der Schulespitzengrupppe waren und von Lehrer oft gehypt wurden. An der Uni sind aufeinmal fast alle aus dieser Gruppe und man lernt sich den Arsch ab und fällt teilweise trotzdem durch. Aber das pendelt sich schnell ein, man muss eben nur gucken die richtigen Freunde zu haben. Grad in der VK sind die Noten eh wuppe.

Depression hat ja auch unglaublich viele Ursachen die viel tiefergreifen als die Wahl des Studienfachs

davo
17.02.2018, 09:22
Bei uns ist es wie folgt:

- fünf Anatomie-Testate alleine (drei davon während sich ein Kommilitone daneben am Mikroskop vorbereitet)
- Physik-Antestate in Gruppen mit ca. fünf Studenten
- mündliches Physikum und M3 in Dreiergruppen
- vereinzelt auch noch weitere mündliche Prüfungen in Kleingruppen (z.B. während des Praktikumssemesters)
- viele Referate in den Seminaren (meist 20-25 Studenten pro Seminargruppe)
- in den Seminaren und im klinischen Unterricht wird sehr oft in die Gruppe gefragt; dass einzelne Studenten gezielt gefragt werden, kommt auch mal vor, aber nur selten

Lava
17.02.2018, 09:33
Sind eigentlich die Testate und Referate vor der ganzen Klasse?

Vor Seminargruppen oder in noch kleineren Prüfungsgruppen ;-)
Vor 300 oder 400 Mitstudenten musst du dann doch keine Referate halten.

WackenDoc
17.02.2018, 10:02
Bei uns gab es noch die Patientenvorstellungen vor der ganzen Vorlesungsgruppe.

davo
17.02.2018, 10:03
Gerade gelesen, spricht IMHO auch dagegen, dass das ein spezifisches Problem von Medizinstudenten ist:

Selbstverletzungen unter Jugendlichen sehr verbreitet

Was absichtlich verletzendes Verhalten unter Jugendlichen betrifft gehört Deutschland im europäischen Vergleich zu den Spitzenreitern. Zwischen 25 und 35 Prozent aller Jugendlichen haben sich mindestens einmal im Leben selbst verletzt.

https://www.univadis.de/viewarticle/selbstverletzungen-unter-jugendlichen-sehr-verbreitet-580111

schmuggelmaeuschen
17.02.2018, 10:31
wir hatten auch Vorträge vor dem ganzen Semester, aber es hört eh keiner zu

davo
23.02.2018, 05:55
Als Nachtrag hier noch ein paar aktuelle deutsche Daten (und zwar sehr zuverlässige):

https://www.aerztezeitung.de/politik_gesellschaft/versorgungsforschung/article/958034/barmer-arztreport-aengste-akademiker.html

Hat also (anders als die Überschrift suggeriert :-p) wahrscheinlich wirklich nichts mit dem (Medizin-)Studium zu tun, sondern ist eher ein Phänomen dieser Altersgruppe.

Laidnevergiveup
23.02.2018, 07:50
Als Nachtrag hier noch ein paar aktuelle deutsche Daten (und zwar sehr zuverlässige):

https://www.aerztezeitung.de/politik_gesellschaft/versorgungsforschung/article/958034/barmer-arztreport-aengste-akademiker.html

Hat also (anders als die Überschrift suggeriert :-p) wahrscheinlich wirklich nichts mit dem (Medizin-)Studium zu tun, sondern ist eher ein Phänomen dieser Altersgruppe.

Dann stimmt meine Aussage das ältere Studenten öfters eine Depression aufweisen :). Gespannt wie es im Wintersemester sein wird und die durch die Wartezeit reingekommen sind mit mir mithalten können. Ich kann dann meine Erfahrungen hier berichten, da ich dann auch Nachhilfe geben werde :-lesen

ehem-user-11022019-1151
23.02.2018, 08:05
Wo hast du eigentlich die deutsche Sprache gelernt?

Carnivore
23.02.2018, 09:50
Don' t feed the troll! 🐉

Wer hoch fliegt fällt tief... 😉

davo
23.02.2018, 13:25
Ein intelligenter Troll, der mit echten Fakten argumentiert, kann ja manchmal durchaus unterhaltsam sein. Aber ein Troll, der nicht einsehen will, dass der Altersgipfel für Depressionen in der Altersgruppe 18-25 liegt, und die Wartezeitstudenten deshalb eine geringere Wahrscheinlichkeit für Depressionen haben, ist irgendwie langweilig, weil lieblos :-p Etwas mehr Einsatz darf man von einem guten Troll schon erwarten...

HappySisyphos
23.02.2018, 13:33
Ein intelligenter Troll, der mit echten Fakten argumentiert, kann ja manchmal durchaus unterhaltsam sein. Aber ein Troll, der nicht einsehen will, dass der Altersgipfel für Depressionen in der Altersgruppe 18-25 liegt, und die Wartezeitstudenten deshalb eine geringere Wahrscheinlichkeit für Depressionen haben, ist irgendwie langweilig, weil lieblos :-p Etwas mehr Einsatz darf man von einem guten Troll schon erwarten...

Wirklich? Ich dachte ältere Leute bis Senioren wären anfälliger dafür Stichwort Altersdepression, das beträfe dann allerdings natürlich keine Studenten mehr.

kekskruemel
23.02.2018, 13:36
Süß finde ich ja, dass er/sie/es gucken will, ob die Wartezeitler mit ihm/ihr mithalten können und er/sie/es sich sicher ist, dass er/sie/es diesen armen Studenten dann Nachhilfe geben wird.