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Chris87
01.03.2018, 18:28
Servus,
Ich bin Assistenzarzt der Radiologie im 3. Weiterbildungsjahr und habe folgendes Problem:
Vor einem Monat habe ich das Haus gewechselt. Bei meiner neuen Stelle gibt es wohl einen Zwist zwischen Neurologie und meiner Abteilung, da bisher die Neurologen die MRT-Schädel, Wirbelsäulen etc. befundet haben. Seit August letzten Jahres gibt es einen neuen Chefarzt der Radiologie, welcher die Untersuchungen (zurecht) wieder in die Radiologie eingegliedert hat. Lange Rede kurzer Sinn:

Seitdem verachtet der neurologische Chef uns (klar, ihm geht ordentlich Geld flöten) und hat seine Mitarbeiter bei jedem noch so lächerlichen neurologischen "Ausfall" eine CTA der Schädel- und Halsgefäße mit Ausschluss Basilaristhrombose angeordnet. Selbst Internisten und Chirurgen melden diese nun nach Absprache mit der Neurologie bei JEDEM Furz an. Selbst bei Patienten die quietschfidel sind.
Mein Chef, die Oberärzte etc. regen sich darüber so dermaßen auf, aber lassen die Anforderungen in der Indikationsprüfung durchgehen.

Da ich mich strikt weigere, solche Untersuchungen in der Nacht oder im Spätdienst zu machen nun folgende Frage an Neurologen und Radiologen hier im Forum: Wann kann ich mir sicher sein, dass ich eine solche Anforderung ablehnen kann/darf? Mir ist natürlich vollkommen klar, dass bei einem Basillarsverschluss der Mensch halbtot ist. Trotzdem... WANN kann ich mich absolut sicher fühlen, die Anforderung abzulehnen? Darf ich vorher einen Duplex verlangen, wenn dieser nicht erfolgt ist?

Selbst die Kollegen aus anderen Abteilungen haben diese Schikane mitbekommen, aber ihnen sind die Hände gebunden...
Betriebsrat ist eingeschaltet.... das dauert mir zu lange.

Danke im voraus

LG Chris

Speranza100
01.03.2018, 19:35
Hej also in meinem Haus wurde auch des öfteren eine CT Angio gefahren sobald eine größere Symptomatik bestand und eine Blutung ausgeschlossen wurde mittels Nativ CT. Lag aber auch da dran dass wir hervorragende (keine Ironie!) Neuroradiologen im Haus hatten die gerne dann die Patienten auch gestentet haben. Basilarisstenose ohne Bewusstseinsstörung geht glaube ich nicht. wenn ich null andere Ursache gefunden habe für eine Bewusstseinsstörung habe ich auch dies mal gemacht. Wurde aber auch so vertreten von meinen Oberärzten.

zum Doppler:ich kenne viele Assis die das (leider) gar nicht können, beigebracht bekommen etc. daher greift man dann im Dienst auf die CT Angio zurück um nichts großes zu verpassen.
Bei mir im Haus wurde immer nur eine CT Angio gemacht wenn es eine Konsequenz unmittelbar gehabt hätte, sprich in Interventionsbereitschaft der Neuroradiologie sobald der Verdacht eines großen Gefäßverschlusses da war.
(Und nebenbei: manchmal habe ich auch -es klingt absurd - das Gefühl gehabt, wenn man bei manchen Schlaganfällen KM gegegben hat, hat das schon rekanalisiert.....kann natürlich auch der Zufall Glück oder sonst was gewesen sein, hatte ich öfter mal,dass plötzlich alles weg war nach CT Angio - Zum Glück hatte ich immer "Zeugen" ;) ) sollte natürlich keine KM Gaben Indikation sein....
Absolut sicher? wer ist das schon im Krankenhaus... die Absicherungsmedizin ist doch überall oder nicht? Aber ich helfe mir bei solchen Fragen immer mit: Hat es eine Konsequenz? wenn nein, kann ich es auch sein lassen....
Keine Ahnung was ich an deiner Stelle machen würde.Sowas muss denke ich von einer Hierarchie Stufe zu anderen geklärt werden, also hier von Chef zu Chef... und sonst Betriebsrat ja. Hast du ja alles schon in die Wege geleitet...
Viele Grüße und halt den Kindergarten gut durch ;)

FirebirdUSA
01.03.2018, 20:22
Spies umdrehen: wenn eine Basilaristhrombose vermutet wird handelt es sich um einen akut lebensbedrohlichen Zustand, d.h. der Patient kommt sofort in ärztlicher Begleitung und der Neurologe kommt mit Lyse auch dazu.

Reflex
02.03.2018, 05:55
Es ist halt ein Vertrauenverhältnis zwischen Radiologen und Neurologen, dass der Kliniker gut seinen Job macht und seine Anforderung entsprechend mit einer detailierten Angabe Symptomen begründen kann. Aber ich fände es gefährlich pauschal alles ab zu lehnen, weil eine bestimmt Symptomatik nicht vor handen ist. Dafür gibt es (auch bei Basilaristthrombosen) Grenzfälle, die nicht immer ganz klassisch ablaufen. Was Du verlangen kannst, dass der Neurologe im Zweifel den Befund mit Dir bespricht. Duplex dauert im Notfall zu lange. Wenn wirklich eine Symptomatik im Zeitfenster kommt, kannst du gar nicht so schnell untersuchen und die Basilaris bei einem inkooperativen Patienten zu schallen ist auch für einen erfahrenen Neurologen nicht ganz einfach. Da ist schneller ein Zugang gelegt und der Patient einmal durch CT gefahren. In meinem alten Haus hatten wir gar keinen Vordergrund Radiologen. Für CTAs musste extra einer rein kommen. Wir haben dann uns um Zugang und Labor gekümmert und dann den Patienten ins CT begleitet und zusamen mit der RTA die Diagnostik gefahren. Dann ging es meist auf die Stroke zur Lyse und in der zwischenzeit hat der Radiologe sich dann (wenn er denn schon da war) die Bilder angesehen und aufbereitet. In der Regel haben wir vorher den Befund besprochen und dann waren die meisten Radiologen schon zufrieden, dass die Untersuchung indiziert ist.

Aber bei Euch ist das ja kein Organisationsverschulden sondern ein Politikum. Daher wäre ich extrem vorsichtig pauschal Untersuchungen abzulehnen und würde einfach die einzelnen Fälle vorab besprechen. Fälle mit fehlender Akuität und Symptomatik des hinterem Stromgebietes sprechen eher gegen einen Basilarisprozess. Dokumentiere fachliche Ungenauigkeiten und dann geh damit zu deinem Chef, um Schwierigkeiten sachlich zu begründen. Denn es ist nicht deine Aufgabe das auszutragen. Das kann nur auf anderer Ebene geschehen. Die Verantwortung für die Indikation der CTA liegt ja immerhin beim Radiologen und nicht beim Neurologen und das muss dein Chef denen klar machen und ungerechtfertigte Untersuchungen sind ja auch (gerade Ct KM) für den Patienten ein potentielles Risiko.

anignu
02.03.2018, 15:08
Mein Chef, die Oberärzte etc. regen sich darüber so dermaßen auf, aber lassen die Anforderungen in der Indikationsprüfung durchgehen.

Da ich mich strikt weigere, solche Untersuchungen in der Nacht oder im Spätdienst zu machen

Darf ich vorher einen Duplex verlangen, wenn dieser nicht erfolgt ist?
Dein Chef und deine Oberärzte lassen die Anforderungen durchgehen, aber du weigerst dich als Nicht-Facharzt? Manche würden das als mutig bezeichnen, andere als, noch positiv formuliert, als leichtsinnig. Wieder andere vielleicht als grob fahrlässig. Wenn dein Chef denen das durchgehen lässt, egal ob tatsächlich indiziert oder nicht, kann ich dir nur dringend empfehlen dies auch zu machen.
Lass nur ein einziges Mal was passieren.

Klar darfst du vorher einen Duplex verlangen. Ich würde es lassen. Damit trägst du deinen Kampf gegen die Neurologen von der Riege Chef gegen Chef runter auf die Ebene Assistent gegen Assistent. Das ist nur Schikane und die werden nur antworten: ist erfolgt, kann aber nicht ausreichend beurteilt werden. Im Zweifel könnten sie auch sagen: machs selbst, wenn du unseren Duplexbefunden nicht glaubst... Wie gesagt: ich würds lassen.

Aber bei Euch ist das ja kein Organisationsverschulden sondern ein Politikum. Daher wäre ich extrem vorsichtig pauschal Untersuchungen abzulehnen und würde einfach die einzelnen Fälle vorab besprechen.

Denn es ist nicht deine Aufgabe das auszutragen. Das kann nur auf anderer Ebene geschehen. Die Verantwortung für die Indikation der CTA liegt ja immerhin beim Radiologen und nicht beim Neurologen und das muss dein Chef denen klar machen und ungerechtfertigte Untersuchungen sind ja auch (gerade Ct KM) für den Patienten ein potentielles Risiko.
Genau. Ein Politikum. Es geht offensichtlich nicht um Medizin sondern um Politik. Daher: raushalten. Wenn sich nicht mal dein Chef dagegen wehren kann (kurzfristig) dann solltest du das dringend auch nicht.

Stimmt auch absolut. Die Indikation liegt (mit der Einschränkung dass keine Fachkunde CT vorliegt!) beim Radiologen. Falls bei dem anmeldenden Neurologen eine Fachkunde CT vorliegt, liegt die Indikation beim Neurologen und die Radiologen sind nur die ausführende Abteilung.
Solche Schwachsinnsdiskussionen bzgl. "wer stellt die Indikation" hatte ich teils auch schon mit unseren Radiologen. Weil die mir bei V.a. retroperitoneale Blutung (dicker Patient damit Sono sehr schwierig, Z.n. PTA durch die Radiologen(!), zunehmender Hb-Abfall, zunehmender Blutdruckabfall) das CT abgelehnt hatten. Da könnte ich wahnsinnig werden. Übernehmen keinerlei Verantwortung für die Patienten und verweigern berechtigte Untersuchungen. Das ist nämlich dann die andere Seite der Medaille.
Bei uns knallt das übrigens auch immer wieder. Bei uns ist es ein Oberarzt der Radiologie, der Untersuchungen gern mal verweigern will, und es dann von unserer Seite her knallt. Und ja. Das läuft dann so, dass ein Assistenzarzt der Chirurgie in der großen Röntgen-Besprechung mit CÄ Radio, CA Chirurgie etc. sich über den Oberarzt und dessen Verhalten beschwert und die Chefärztin der Radiologie den irgendwie versuchen muss in Schutz zu nehmen aber ihn eigentlich rüffeln muss. Sehr sehr skurile Situationen. Wobei der halt Oberarzt und Ars..... ist und er bei unbefristetem Vertrag sich sowas einfach leistet öffentlich gerüffelt zu werden. Wenn du auch ausreichend dicke Eier hast, kannst das auch machen.

Ich würde dir dringend raten die Untersuchungen zu machen. Wenn die Neurologen da eine Indikation sehen, die sogar dein Chef sieht, dann steht es dir als Assistenzarzt im dritten Jahr nicht zu, daran zu zweifeln. Wenn ich der Neurologe wäre, ich würde mich in so einem Fall über dich beschweren, die ganze Sache nach oben durchdiskutieren und mir dadurch von deinem Chef die Bestätigung abholen, dass die Indikation gerechtfertigt war. Was dein Chef ja offensichtlich macht. Und dann stehst du plötzlich sehr sehr alleine da. Als Assistent der ohne Ahnung von Neurologie, wahrscheinlich sogar ohne den Patienten gesehen zu haben, gegen die Neurologen und gegen deinen Chef die Indikation ablehnt... Merkst was? Du hast dann zwar Recht, aber es steht keiner mehr hinter dir. Nicht mal dein Chef.


Aber um wieder positive Dinge zu formulieren: was unsere Radiologen uns vor ein paar Monaten präsentiert haben war extrem hilfreich um sich sehr viele solcher Diskussionen zu sparen. Es war ein Leitfaden bei welchen Kriterien ein cCT oder ein CT HWS indiziert ist. Da kamen dann lauter so Kriterien wie: Antikoagulanzbehandlung, Hochrasanztrauma, Fokalneurologie etc. vor, aber auch entsprechende Kriterien wann man z.B. erstmal ein Röntgen HWS macht und nur im Zweifel ein CT. Das fand ich sowas von positiv. Nichts nervt mehr im Dienst als auch noch mit den anderen Fachabteilungen zu diskutieren ob die nicht bitteschön ihre Arbeit machen. So hab ich einen Leitfaden und kann das CT schonmal anmelden und alles vorbereiten bevor ich dann nur noch kurz den Radiologen anruf damit der seiner MTRA das ok gibt. Diskussionen ade. Gibt nichts besseres für den Dienst.

Vielleicht bekommt ihr sowas auch hin. Also klare Kriterien bei welcher Symptomatik ein CTA zu erfolgen hat und wann nicht. Dann würde man sich solche Diskussionen sparen. Bis dahin eher die Untersuchungen machen.

FirebirdUSA
02.03.2018, 18:26
Jeder Patient im Lysefenster mit akut aufgetretener Fokalneurologie hat eine CTA verdient. Nicht umsonst muss bei der Stroke Unit Zertifizierung eine hohe Rate an CTA bei Initisldiagnostik (ich glaube min 80%) nachgewiesen werden. Nicht jede Basilaristhrombose ist "halb tod" aber jede hat eigentlich Hirnstammsymptome. Wenn du das selbst beurteilen kannst und dann auch die Verantwortung übernimmst kannst du natürlich ablehnen... andersherum muss der Neurologe wenn er das Wort Basilaristhrombose in den Mund nimmt den Patienten begleiten und auch die Konsequenz tragen falls es zu KM Reaktion, maligner Hyperthyreose oder ANV kommt. Bei dem Verdacht ist nämlich Labor etc erstmal egal. Wenn ich daran Zweifel habe darf der Neurologe mir erklären wie er auf den Verdacht kommt und ob er bereit ist das Risiko zu tragen...
Ein Duplex kannst du eigentlich nicht verlangen, da zu häufig Badilaris nicht einzusehen und dafür eigentlich auch keine Zeit ist.

OhDaeSu
02.03.2018, 20:50
Gesundes Selbstbewusstsein nach einem Monat im neuen Haus als Assistent etwas entgegen der durch CA und OÄ etablierten Praxis zu verweigern, insbesondere wenn man es fachlich offenbar so gar nicht überblickt und im Forum um Rat fragen muss.

anignu
02.03.2018, 22:59
@OhDaeSu: du hast meinen Post sehr schön zusammengefasst ;-)

Chris87
02.03.2018, 23:17
Schon mal Danke für die Antworten.

Manche von euch, (der berühmte OhDaeSu und der wohl offensichtlich Radiologen-verachtende anignu) haben mich komplett missverstanden.

Mir geht es nicht darum aus Trotz Anforderungen abzulehnen. Sondern offensichtlich sinnlose und nicht notfallmäßige Untersuchungen zumindest zu verschieben oder, wenn möglich, abzusagen. Wie bereits dargestellt, handelt es sich hier um reine Schikane. Ich schaue mir sehr wohl selbst die Patienten an. Muss diese ja aufklären.
Es liegt mir fern, Untersuchungen bei neurologichen Auffälligkeiten abzulehnen. Aber wozu besuchen wir alle die Strahlenschutzkurse, machen die Fachkunde etc. pp., wenn man nicht genau hier darauf zurückgreift. Aber so wie ich das hier lese, besteht wohl meine Aufgabe darin, stupide "Ja" und "Amen" zu sagen.

bremer
03.03.2018, 00:28
Wenn der Neurologe eine Basilaristhrombose vermutet oder ausschließen möchte, dann muss man halt ein CT fahren. Vor allem wenn es notfallmäßig angeordnet wurde. Schwer vorstellbar, dass rein aus Schikane Notfalluntersuchungen angefordert werden. Vor allem, da das abgesehen von den medizinischen Problemen für die anordnenden Ärzte ebenfalls zusätzliche Arbeit erfordert.
Die Indikationsprüfung besteht auch nicht hauptsächlich darin, die erhobenen Befunde zu hinterfragen, sondern zu überprüfen, ob die angeforderte Methode zum Beantworten der gestellten Frage geeignet ist und ob die Risiken/Nutzen Relation angemessen ist. Wo soll das denn sonst hinführen? Jeder Radiologe untersucht nochmal den V.a. Apoplex? Und meint auch noch es besser beurteilen zu können?

Reflex
03.03.2018, 06:20
Jeder Patient im Lysefenster mit akut aufgetretener Fokalneurologie hat eine CTA verdient. Nicht umsonst muss bei der Stroke Unit Zertifizierung eine hohe Rate an CTA bei Initisldiagnostik (ich glaube min 80%) nachgewiesen werden. Nicht jede Basilaristhrombose ist "halb tod" aber jede hat eigentlich Hirnstammsymptome. Wenn du das selbst beurteilen kannst und dann auch die Verantwortung übernimmst kannst du natürlich ablehnen... andersherum muss der Neurologe wenn er das Wort Basilaristhrombose in den Mund nimmt den Patienten begleiten und auch die Konsequenz tragen falls es zu KM Reaktion, maligner Hyperthyreose oder ANV kommt. Bei dem Verdacht ist nämlich Labor etc erstmal egal. Wenn ich daran Zweifel habe darf der Neurologe mir erklären wie er auf den Verdacht kommt und ob er bereit ist das Risiko zu tragen...
Ein Duplex kannst du eigentlich nicht verlangen, da zu häufig Badilaris nicht einzusehen und dafür eigentlich auch keine Zeit ist.

„Eine unverzügliche Gefäßdiagnostik mittels CTA (alternativ MRA oder transkranielle Duplexsonografie, wenn ohne Zeitverzug möglich) sollte bei klinischem Verdacht auf einen proximalen intrakraniellen Gefäßverschluss (insbesondere im Bereich der intrakraniellen A. carotis, der A. cerebri media im M1- oder M2-Segment und der A. basilaris) bei potentiell für eine endovaskuläre Thrombektomie geeigneten Patienten durchgeführt werden, ohne dass hieraus ein verzögerter Beginn der systemischen Thrombolyse resultiert. Als klinisches Kriterium zur unmittelbaren Durchführung einer CTA (entweder in derselben Sitzung wie die Nativ-CT oder in einer zweiten Sitzung nach Beginn der systemischen Thrombolyse) kann bei Infarkten im vorderen Kreislauf der neurologische Schweregrad gemessen auf der NIHSS-Skala (NIHSS Score ≥6) herangezogen werden. Die Indikationsstellung zur CTA bei Verdacht auf Verschluss der A. basilaris bzw. Infarkten im vertebrobasilären Kreislauf erfolgt unabhängig vom NIHSS, weil diese Skala nicht zur Erfassung von Kleinhirn- und Hirnstammsyndromen ausgelegt ist und weil fluktuierende neurologische Symptome bei Basilarisverschluss häufig vorkommen.„

freak1
03.03.2018, 07:41
Manche von euch, (der berühmte OhDaeSu und der wohl offensichtlich Radiologen-verachtende anignu) haben mich komplett missverstanden.

Mir geht es nicht darum aus Trotz Anforderungen abzulehnen. Sondern offensichtlich sinnlose und nicht notfallmäßige Untersuchungen zumindest zu verschieben oder, wenn möglich, abzusagen. Wie bereits dargestellt, handelt es sich hier um reine Schikane. Ich schaue mir sehr wohl selbst die Patienten an. Muss diese ja aufklären.

Wie kommst du darauf, dass die Leute hier Radiologen verachten? Weil sie nicht sagen du bist der geilste? Ich glaube die beiden sind doch sogar vom Fach?!

Und trotzdem stellt der Neurologe die Verdachtsdiagnose Basilaristhrombose. Bist du selbst zusätzlich FA für Neurologie? Dann kannst du widersprechen und dich festlegen, dass bei dem Patienten kein ausreichender Verdacht besteht.

Das deine Vorgesetzten als Fachärzte mit vielen Jahrzehnten Erfahrung sich zwar aufregen, aber es trotzdem hinnehmen sollte doch eindeutig zeigen was Sache ist?

Wenn du meinst du weißt es besser verweiger die Untersuchung halt, aber wundere dich nicht wenn du dafür massive Probleme bekommst.

Und wenn nur ein einziger deiner Einschätzung nach doch unauffälliger Patienten, welchen du abgelehnt hast, im Verlauf doch bleibende Schäden hat wünsche ich dir viel Glück beim folgenden Prozess. Wenn du viel Glück hast haftest du am Ende sogar privat.

So einen Kampf kannst du als (L)OA der Neuroradiologie mit vielen Jahren Erfahrung VIELLEICHT austragen, aber doch nicht als WBA...

Wenn du es als schinkane siehst sieh halt zu, dass der Neurologe genauso viel Arbeit hat. Sprich er muss dabei bleiben (oder dazu kommen), wie Fire das beschrieben hat. Dann haben die nämlich ganz schnell selbst keine Lust mehr darauf.

Chris87
03.03.2018, 07:49
Damit ihr endlich mal versteht was ich meine:
Patient ist wegen Schwindel in der Toilette umgekippt, kommt in die ZNA zum Chirurgen. Daraufhin erhält er eine CCT. Keine intrakranielle Blutung, keine Fraktur. Warum auch immer, wird er stationär aufgenommen. Nach 5 Tagen, um ca. 20:00 Uhr, fliegt die Anforderung herein "Kopfschmerzen, Schwindel, Ausschluss Basilaristhrombose". Während des Aufklärungsgesprächs ("Notfall"...merkt ihr was?) erzählt mir der Patient, dass er seit Tagen keinerlei Beschwerden mehr habe und es ihm gut gehe. Nach Rücksprache mit dem Chirurgen ging es darum, ihn zu entlassen. Seiner Meinung nach, ist die CTA auch komplett unnötig aber der Neurologe besteht darauf.
SOLCHE Fälle meine ich. Und nichts anderes. Kommt mal runter, Mädels.

freak1
03.03.2018, 08:02
Dann Ruf den Neurologen an und sprich mit ihm. Wenn er darauf besteht Ruf deinen Hintergrund an und frag den. Wenn beide sagen mach es, dann mach es.

Wenn der Hintergrund sagt muss nicht sein ist doch alles paletti.

Im Zweifelsfall dokumentiere halt das du Zweifel hattest aber nach Rücksprache mit Neurologen und Hintergründen die Untersuchung entsprechend durchgeführt hast.

anignu
03.03.2018, 13:40
Patient ist wegen Schwindel in der Toilette umgekippt, kommt in die ZNA zum Chirurgen. Daraufhin erhält er eine CCT. Keine intrakranielle Blutung, keine Fraktur. Warum auch immer, wird er stationär aufgenommen. Nach 5 Tagen, um ca. 20:00 Uhr, fliegt die Anforderung herein "Kopfschmerzen, Schwindel, Ausschluss Basilaristhrombose".
Du verstehst nicht mal warum ein Patient, der mit Schwindel auf den Kopf fällt und dann Kopfschmerzen hat, stationär aufgenommen wird? Respekt. Ums nochmal klar zu sagen: es gibt patientenführende Abteilungen und quasi Hilfsabteilungen. Patientenführende Abteilungen sind z.B. die Chirurgen/Internisten. Die haben eine tatsächliche Verantwortung für den Patienten. Und im Zweifel zählt immer die Klinik! Immer! Da kannst du als Radiologe noch so oft sagen "der hat nix". Und zum Glück sieht man ja in einem initialen cCT immer alles (cave: Ironie!)

Und um dir deinen Fall nochmal genau zu beschreiben, sowas gibt es ja immer wieder... es kommt ein Patient zu den Chirurgen und wird aufgenommen. Kurz vor der Entlassung durch die Assistenzärzte frägt der Oberarzt "hat den Pat. bzgl. Schwindel eigentlich schon der Neurologe beurteilt". Da fällt dem Assistenzarzt auf "ui, da war ja noch was", ruft den Neurologen an, der Neurologe untersucht den Patienten (schimpft innerlich über die Chirurgen, weil die 5 Tage lang zu blöd waren den Patienten vorzustellen) und meldet notfallmäßig eine CTA an. Und dann kommt der Radiologe und will sich weigern? Du kannst dann über Chirurgen und Neurologen schimpfen, weil die keine Ahnung haben von Medizin im Gegensatz zu dir, weil die alles versäumt haben aber du hättest es besser gemacht, weil die sich nicht kümmern und du jetzt arbeiten sollst etc. Aber erstmal bitte die CTA machen.

Nessiemoo
03.03.2018, 14:14
Naja, hier gibt es schon zwei Seiten zu dem Problem.

Aus deinen Erzählungen zu beurteilen wieso jetzt der Verdacht auf Basilaristhrombose gestellt worden ist, ist nicht möglich. Wer weiß, was der Neurologe gesehen hat - Fallneigung, Nystagmus, Babinski, dissoziierte Empfindungsstörung. Oft nehmen die Patienten die Defizite ja gar nicht wahr. Also prinzipiell gibt es bei der o.g Konstellation unendliche Szenarien wieso jetzt das Bild notwendig war.

Andererseits gibt bei uns strenge Kriterien: bei Notfallbildgebung muss ein Arzt mitkommen (eigentlich der AVD der Abteilung/ Stationsarzt, bei V.a Schlaganfall und ggf Fragestellung einer Lyse oder Thrombektomie kommt ein Neurologe dazu). Bei Notfallbildgebung erfolgt auch keine Aufklärung, und der AVD der Neuroradiologie kommt dazu um das Bild zu befunden. Es muss sowieso telefonisch vom Arzt angemeldet werden. In solchem Fall würden unsere Neuroradiologen schon einmal nachfragen, ob man die CTA außerhalb des Regelbetriebes machen muss und mit welcher Konsequenz. Ein kurzes Telefonat raubt ja nicht so viel Zeit und eine genaue Fragestellung hilft ja auch die Radiologen weiter. Im Notfall hat man allerdings keine Zeit für genaue Anmeldungen und man bespricht den Fall mit dem Neuroradiologen dann persönlich wenn man da ist.

flopipop
03.03.2018, 16:39
Und im Zweifel zählt immer die Klinik! Immer!

wenn einer tatsächlich ordentlich klinisch untersucht, dann ja.

viele neurologen (vor allem die armen frischlinge im 3. monat, die in der zna dienste schieben) melden einfach alles mögliche an (cta/mrt), schreiben irgendwas von kribbeln, schwindel und hirnstammischämie und der patient kommt zu fuß und weiß gar nicht was los ist. an einem dienst hat die ganze stadt schwindel, an anderem haben alle kribbeln, am besten passager...und als radiologe macht man den wahnsinn auch noch mit, denn sollte einer mal zufällig tatsächlich was haben (meistens an komplett anderer stelle, als klinisch vermutet), hätte man juristisch ein problem. und ich würde mich als radiologe da auch nicht weigern, denn der eigene hintern im rechtsstreit ist mir wichtiger. bildgebung zur rechten zeit ist wichtig, aber als zusatz und nicht als hirnersatz im sinne der "erst ma ne cta und dann ma gucken"-mentalität

querfeldein
03.03.2018, 17:53
Sehr schön zusammengefasst, flopipop! Kann dir nur zustimmen!

Chris87
04.03.2018, 08:11
wenn einer tatsächlich ordentlich klinisch untersucht, dann ja.

viele neurologen (vor allem die armen frischlinge im 3. monat, die in der zna dienste schieben) melden einfach alles mögliche an (cta/mrt), schreiben irgendwas von kribbeln, schwindel und hirnstammischämie und der patient kommt zu fuß und weiß gar nicht was los ist. an einem dienst hat die ganze stadt schwindel, an anderem haben alle kribbeln, am besten passager...und als radiologe macht man den wahnsinn auch noch mit, denn sollte einer mal zufällig tatsächlich was haben (meistens an komplett anderer stelle, als klinisch vermutet), hätte man juristisch ein problem. und ich würde mich als radiologe da auch nicht weigern, denn der eigene hintern im rechtsstreit ist mir wichtiger. bildgebung zur rechten zeit ist wichtig, aber als zusatz und nicht als hirnersatz im sinne der "erst ma ne cta und dann ma gucken"-mentalität

Wirklich gut geschrieben und ohne nach Arroganz und Narzissmus triefenden Nebenbemerkungen wie bei manch anderen hier. Danke. Werde deinen Rat befolgen.

tarumo
04.03.2018, 09:14
Ich denke auch, daß die Medaille zwei Seiten hat. Das Beispiel mit der Basilaristhrombose ist vielleicht etwas unglücklich gewählt. Die nicht wegzudiskuierende Tatsache ist, daß in den Ambulanzen, wo eigentlich erfahrene KollegInnen Dienst tun sollten (was anderswo in der Welt auch der Fall ist) zumindest in Deutschland regelmäßig junge und/oder unerfahrene KollegInnen und vielleicht auch noch solche, die nicht in der mitteleuropäischen Medizinwelt sozialisiert wurden, arbeiten, was zu einer gewaltigen Fehlallokation von Ressourcen führt, wovon nicht nur die Radiologie betroffen ist. Im Zweifelsfall und gerade bei cerebralen Fragestellungen sollte man aber Fünfe Gerade sein lassen und seinem Unmut dann später Luft machen, z.B. in der Demo am Folgetag. Umgekehrt kann ich ich ein paar Beispiele nennen, wo man vielleicht nicht seine Notdienstkapazitäten und die juristische Verantwortung nach RöV strapazieren sollte. Da wäre z.B. eine "notfallmäßig" nachgeholte CTA nachts (Begründung: tagsüber wäre kein Bringdienst verfügbar gewesen), ein ex post nachgeholter (DRG-induzierter?) Polyscan vor Entlassung nach fünf Tagen (bei der Aufnahme wohl für unnötig befunden), ein nächtliches CT vom D 5 nach Kontusion ohne Röntgen vorab (Kollege mit Migrationshintergrund), CT-Thorax bei immobilen Patienten (Begründung: den Rö-Tx muß ich ja selbst befunden, für das CT muß der Radiologe reinkommen) und nicht zu vergessen jenes KH, wo aus Personalmangel die routinemäßigen ZVK-Anlagen durch die Anästhesie in der ruhigen Zeit zwischen 01h und 3h erfolgten und sich der BD-Radiologe und die diensttuenden MTRAS dann ab 3.30h mit einer größeren Zahl "notfallmäßiger" Thoraxkontrollen konfrontiert sahen. Ganz offensichtlichen Unfug kann man durchaus in den Befund mit einfließen lassen, ggf. auch vor Ort unterbinden (zur Not auch über eine "verschärfte" Patientenaufklärung) und sollte das natürlich mit den übergeordneten Ärzten klären. Das Interesse, Abhilfe zu schaffen, wird zuerst allgemein gering sein -der Chef muß ja nachts nicht kommen. Wirksamer ist IMHO, auf die immer zunehmendere Dienstbelastung im Sinne von veränderten Dienstmodellen hinzuwirken (aus RBD BD, BD in nächste Stufe, BD zu SD usw.) Die Krankenhäuser haben immer größere Probleme, ihre Stellen zu besetzen, und wenn der Radiologe im Nachtdienstfrei zuhause bleibt und deswegen dann am nächsten Tag das lukrative Interventionsprogramm abgesagt werden muß...ja dann, dann bewegen sich Verwaltungen und CA ganz fix und überlegen sich, ob es nicht doch billiger ist, das besser zu organisieren (z.B. mit Neuro-FA vor Ort). Nicht vergessen: Du zerschießt Dir durch die Nachtdienste die Gesundheit, die Finanzen (je nach Dienstmodell) und vor allem die FA-Ausbildung (wenn man dann permanent für andere Dinge fehlt), während sich die "Gegenseite" über Zertifikate für umfassende Diagnostik und ruhige Hintergrunddienste freuen darf...