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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Narkosemedikamente zur Einleitung hämodynamisch sehr instabilen Patienten?



DoctorNew
19.03.2018, 17:00
Mich würde interessieren, welche Narkosrezepte ihr zur Einleitung von hämodynamisch sehr instabilen Patienten, z.B. im Rahmen eines schweren kardiogen Schockes bei großem Myokardinfarkt oder eines schweren hämorrhagischen Schockes bei Abdominaltrauma, verwendet?

Auf unserer ITS, wo wir "hauptsächlich" kritisch kranke pneumologische Patienten (meistens Pneumonie oder COPD) intubieren, kommt man mit einer (von den Dosierungen Opiat-betonten) Kombination aus Sufentanil, Propofol und Esmeron (z.B. 70kg, 50µg Sufenta, 70mg Propofol, 70mg Esmeron) mit begleitend laufendem Noradrenalin-Perfusor eigentlich gut hin. Diese Patienten sind aber meistens hämodynamisch vergleichsweise stabil.

Gerade weil mir da etwas die Erfahrung fehlt, habe ich vor Narkoseeinleitung bei hämodynamisch höchst instabilen Patienten (z.B. EF10% bei schwerem STEMI der Vorderwand, RR 80/40 unter 50µg/min Noradrenalin) ein wenig Sorgen. Wie macht ihr (im Rettungsdienst oder der Intensivstation) die Narkosen bei solchen Patienten?

Sebastian1
19.03.2018, 18:07
Im Prinzip so, wie du es beschrieben hast: vorher (!) ausreichende Katecholaminunterstützung, opiatbetonte Narkose, Hypnotika so wenig wie möglich, so viel wie nötig und langsam. EF 10% und weniger ist ja schon ein Wort; solche Leute haben ja mit oder ohne Narkose ein verdammt hohes Risiko, jeden Moment die Augen zu verdrehen. Der letzte, den ich mit so einem Wert auf der ITS intubieren musste, war ein junger Mann mit bis zur Transplantationspflichtigkeit verschleppter Myokarditis, der ziemlich grau und ziemlich schockig aussah und der am selben Tag noch sein LVAD bekam...

derAnda
19.03.2018, 18:20
Bei der Einleitung schwer kranker Patienten kannst du neben der Dosis auch die Injektionsgeschwindigkeit anpassen. Bei unserer Herzanaesthesie gibt's zur Einleitung 50 mcg Sufentanil gefolgt von 50 mg Propofol. Beides als "Bolus" aus dem Perfusor über jeweils 2 Minuten. Funktioniert ganz gut.
Ich persönlich nehme für Patienten im Blutungs- oder septischen Schock gerne Ketamin. Bei richtig instabilen (also schon wach höhergradig Katecholamine) auch mal nur Ketamin und Relaxans ohne Opiat.
Etomidate hatte lange einen sehr schlechten Ruf. Es gibt aber wohl aktuellere Studien die für kardiochirurgische Patienten keine Verschlechterung des Outcomes zeigen. :-nix
Bei deinem STEMI Patienten kannst du ganz pragmatisch rangehen. Da wird jede Einleitung in einer zumindest kurzen Reanimation enden. Eventuell 10 mg Midazolam + schnell anschlagendes Relaxans + Epinephrin.

kartoffelbrei
20.03.2018, 08:00
In unserer Kardioanästhesie werden Patienten mit richtig schlechter EF mit viel Sufenta (meist 0,8 mcg/kg), Midazolam (3-5 mg) und wenig Etomidat (nach dem Midazolam reichen oft 10 mg) eingeleitet, natürlich mit Wacharterie und laufenden Noradrenalin-Perfusor.
Alle anderen bekommen statt Midazolam+Eto Propofol, aber da auch super wenig und langsam. Start ist meist ein 0,5 mg/kg Bolus und danach wird in 15-30 mg Schritten titriert. Auf 1 mg/kg kommt man dabei eher selten.

DoctorNew
20.03.2018, 11:49
Vielen Dank für Eure Hilfe. Genau diese Gruppe kritisch-kranker Patienten meine ich. Also die Injektionsgeschwindigkeit versuchen wir auch bei unserem Klientel meistens langsam zu gestalten, was aber auch von der jeweiligen Pflegekraft abhängt und nicht immer so funktioniert.

Was haltet Ihr von Katecholamin-Boli zur Narkoseinleitung? Einer unserer (leider ehemaligen) OÄ hat darauf sehr geschworen und jedem hämdodynamisch schwachen Patienten zusätzlich zur aktuellen Laufrate noch 30 - 50µg Noradrenalin als Bolus dazu gegeben, was eigentlich immer gut funktioniert hat.

Auf dem NEF haben wir seltsamerweise (anders als überall im Krankenhaus) Fentanyl, womit aber (jedenfalls bei mir) daher kaum klinische Erfahrung besteht. Sind 0.4 - 0.5mg Fentanyl ähnlich bezogen auf die hämodynamische Beeinträchtigung oder muss man da mehr oder auch weniger aufpassen als beim Sufenta?

kartoffelbrei
20.03.2018, 12:30
Ich gebe auch gerne Noradrenalin-Boli aus der Hand, würde aber mit weniger starten. Erstmal so 5 mcg um zu gucken, wie der Patient reagiert und dann meistens 10, selten 20. 30-50 wäre mir persönlich zu viel, da kann ein empfindlicher Patient schon mal mit dem Druck explodieren.

Bille11
20.03.2018, 15:40
Ich gebe gerne präemptiv Boli bei der Einleitung anstatt den Abfall erst zu bewundern. Und starte die ‚in 5-10min geplante Notfallintubation‘ auf der Intensiv auch lieber erst nachdem Sufenta, Propofol und Noradrenalin liegen und laufen. Immer mit der Ruhe, dann kann man besser reagieren, als wenn man im Fall anschliessen und dann erstmal den ZVk durchlaufen lassen muss.. ;-)