PDA

Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Kombinierte Facharztweiterbildung in Neurologie und Psychiatrie/Psychotherapie



konradc
27.03.2018, 11:10
Hallo,

ich möchte Sie auf die in Deutschland derzeit einzige strukturierte Möglichkeit aufmerksam machen, sich gleichzeitig in Neurologie und Psychiatrie / Psychotherapie weiterzubilden (sog. combined residency) und beide Fachärzte für Neurologie und für Psychiatrie und Psychotherapie nach acht Jahren zu erwerben.

Historisch wurde in Deutschland die Beschäftigung mit den Erkrankungen des Nervensystems und den psychischen Erkrankungen dem Fachgebiet der Nervenheilkunde zugeordnet. Daraus entstanden mit dem Zuwachs an medizinischem Wissen zwei eigenständige Fächer, die Neurologie und die Psychiatrie und Psychotherapie. Die Weiterbildungen sind zum Facharzt für Neurologie und zum Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie dauern jeweils fünf Jahre, mit einer einjährigen Rotation ins jeweils andere Fach.

Ich persönlich halte die Weiterbildung in beiden Fächern für sehr nützlich und sinnvoll. Die zunehmende Spezialisierung auf kleinste Wissenseinheiten wird dem klinischen Alltag nicht gerecht. Unsere Patienten präsentieren sich nicht mit lehrbuchgemäßen Krankheitssymptomen, sondern oft mit Mischbildern verschiedener Symptome, so dass fachübergreifendes Wissen nötig ist, um die richtigen Diagnosen zu stellen und den Patienten helfen zu können. Die fächerübergreifende Weiterbildung bietet viele Chancen in der stationären und ambulanten Medizin.

Weiterführende Informationen finden Sie auf

http://www.diako-online.de/Combined-Residency.7825.0.html

und auf

http://www.diako-online.de/fileadmin/DKH_Rotenburg/PDFs/Psych/171121_psy_neurotransmitter_cr_SPRINGER_15016-2017_28_11_I.PDF.

C. Konrad

throni
27.03.2018, 13:35
Sehr geehrter Herr Professor Konrad,
ich hatte im Rahmen meiner Stellensuche in der Psychiatrie das Klinikum Rotenburg ins Auge gefasst. Letztlich habe ich von einer Bewerbung Abstand genommen, da der Tarifvertrag der Diakonie Niedersachsen in der derzeitigen Form als nicht konkurrenzfähig bezeichnet werden muss. Als Assistenzarzt im ersten Jahr verdient man monatlich brutto fast 500 Euro unter Tarif Marburger Bund, in den darauffolgenden Jahren fast 600 Euro. Das ist schade, da Ihre Klinik ansonsten ein reizvolles Angebot anzubieten scheint.
https://www.dw-ol.de/pages/einrichtungen/microsites/mav_diakonie-oldenburger-land_de/tarifvertrag/subpages/aktueller_tarifvertrag_diakonie_niedersachsen_-_heftausgabe/index.html

Relaxometrie
27.03.2018, 14:03
Ich hatte das Klinikum Rotenburg auch in Erwägung gezogen, weil ich das Programm der combined residency sehr sinnvoll finde. In der Stellenanzeige steht jedoch "Wenn Sie unsere christlich-diakonischen Werte teilen, freuen wir uns auf Ihre Bewerbung". Somit ist für jemanden, der aus der Kirche ausgetreten ist, eine Bewerbung sinnlos, da kirchliche Arbeitgeber spätestens dann, wenn sie anhand der Lohnsteuerkarte sehen, daß keine Konfessionszugehörigkeit besteht, nachfragen, warum dies so ist.
Dann bleibt einem nur noch übrig, zu lügen ("Bin nicht getauft"), um die Stelle zu bekommen, oder die Wahrheit zu sagen ("Bin aus der Kirche ausgetreten"), um dann die Stelle, auch nach bereits erfolgreich verlaufenem Vorstellungsgespräch, nicht zu bekommen.

konradc
27.03.2018, 16:57
Liebe Relaxometrie,

danke für Ihre Meinung. Eine Haltung, wie Sie die hier annehmen, herrscht bei uns glücklicherweise nicht! Wir haben sowohl konfessionslose Mitarbeiter als auch Mitarbeiter anderer Religionen.
Voraussetzung einer Mitarbeit ist, dass Sie die christlich-diakonischen Werte teilen und mittragen, es geht nicht um Formulare, Bescheinigungen oder Kirchzugehörigkeiten. Sondern um die inneren Wertvorstellungen.
Ich persönlich halte das für eine ganz große Stärke unserer Einrichtung, dass sie in einer Zeit, in der gewinnorientierte Aktiengesellschaften den Krankenhausmarkt dominieren, an Werten wie Nächstenliebe orientiert ist.

Also die Sorgen, die Sie hier äußern, kann ich Ihnen nehmen, das ist zum Glück nicht so! Danke für Ihre Meinung, die mir Gelegenheit zum Reagieren gibt!
C. Konrad

konradc
27.03.2018, 17:06
Liebe throni,

vielen Dank für Ihre Meinung. Zum Glück stimmt das so nicht, sonst hätten wir ja einen riesigen Wettbewerbsnachteil und es würden sich keine Ärzte mehr für uns entscheiden. So dumm kann ja keine Klinik sein!

Die Tarifverträge sind allerdings so direkt nicht vergleichbar, da man Wochenarbeitszeiten, Jahressonderzahlungen und Zulagen berücksichtigen müssen. Im Endeffekt verdienen Sie bei uns genauso viel wie in Kliniken mit anderen Tarifverträgen. Unsere Personalabteilung rechnet im Verlauf des Bewerbungsprozesses gerne das künftige Gehalt individuell aus.

Also das ist zum Glück kein Grund, auf eine Bewerbung zu verzichten.
C. Konrad

Relaxometrie
27.03.2018, 22:03
Wir haben sowohl konfessionslose Mitarbeiter als auch Mitarbeiter anderer Religionen.
Meiner bisherigen Erfahrung nach wird bei "konfessionslosem Status" nachgefragt, warum man als in Deutschland geborene Person nicht entweder evangelisch oder katholisch ist. Und dann ergibt sich die oben von mir geschilderte Situation: lügen und die Stelle bekommen, oder wahrheitsgemäß antworten und die Stelle nicht bekommen. Seit Geburt konfessionslos, also nie getauft worden, wäre von den drei kirchlichen Häusern, an denen ich mich im Laufe der Zeit beworben hatte, akzeptiert worden. Aber sobald man aus der Kirche ausgetreten ist, scheint man für ein kirchliches Haus nicht mehr tragbar zu sein. Wenn das in Ihrem Haus anders ist, so ist das eine Ausnahme unter den kirchlichen Trägern.




Voraussetzung einer Mitarbeit ist, dass Sie die christlich-diakonischen Werte teilen und mittragen, es geht nicht um Formulare, Bescheinigungen oder Kirchzugehörigkeiten. Sondern um die inneren Wertvorstellungen.
Mit den in Europa herrschenden Wertvorstellungen habe ich kein Problem, solange nicht von mir gefordert wird, an einen Gott zu glauben.




Ich persönlich halte das für eine ganz große Stärke unserer Einrichtung, dass sie in einer Zeit, in der gewinnorientierte Aktiengesellschaften den Krankenhausmarkt dominieren, an Werten wie Nächstenliebe orientiert ist.
Klar....an einem Haus in privater Trägerschaft möchte man nicht arbeiten. Selbst wenn die Arbeitsbedingungen erträglich sein sollten (aber warum sollten sie das sein), lehne ich das Konstrukt ab.
Aber: auch Krankenhäuser in kirchlicher Trägerschaft sind ja nichts anderes, als ein Wirtschaftsunternehmen. Wo in Zeiten von DRGs und oberen/ unteren Grenzverweildauern da noch Raum für Nächstenliebe ist, erschließt sich mir nicht.

anignu
28.03.2018, 19:06
Klar....an einem Haus in privater Trägerschaft möchte man nicht arbeiten. Selbst wenn die Arbeitsbedingungen erträglich sein sollten (aber warum sollten sie das sein), lehne ich das Konstrukt ab.
Aber: auch Krankenhäuser in kirchlicher Trägerschaft sind ja nichts anderes, als ein Wirtschaftsunternehmen. Wo in Zeiten von DRGs und oberen/ unteren Grenzverweildauern da noch Raum für Nächstenliebe ist, erschließt sich mir nicht.
Und kommunale Häuser sind besser? Oder Unikliniken?
Klar. In Unikliniken ist viel Geld, man kommt immer pünktlich raus, der Chef ist immer nett und man hat ein entspanntes Miteinander, niemals Ellenbogenmentalität etc... ernsthaft? Glaubst du das?
Und kommunale Häuser brauchen ja auch nicht so aufs Geld zu achten, weil das Defizit der Landkreis / die Stadt automatisch ausgleicht. Insofern alles entspannt und man kann sich ganz auf den Patienten konzentrieren und alles andere ist völlig egal. Glaubst du das? Wirklich?

Ich kann sagen: mein letzter Arbeitgeber war ein kommunales Haus bei dem jede Woche in der Zeitung stand, dass man es eigentlich schließen will. Also hat man einfach mal pauschal einen ganzen Pack an befristeten Assistenzarztverträgen auslaufen lassen und die Kollegen rausgeworfen. Danach hat man sich mal wieder umentschieden und wieder viele eingestellt. Dann wieder umentschieden und rausgeworfen. Völlig willkürlich. Die Stimmung und Motivation im gesamten Haus war desaströs und im Keller, die Arbeitseinstellung lief auf "Dienst nach Vorschrift" hinaus und damit bekommt man ein Haus auch nicht in positive Zahlen. Ich bin gegangen bevor mir gekündigt wurde. War garantiert die richtige Entscheidung für mich, ich hab im weiteren Verlauf ja noch mitbekommen wie es weiter ging...
Will sagen: Problem der extremen Abhängigkeit von irgendwelchen Politikerzeugs das mich persönlich einen Schmarrn interessiert. Um sowas brauchen sich Private nicht scheren.

Und ich hab mal in einem kirchlichen Haus gearbeitet. Das mit den "Sonderzahlungen" kann ich bestätigen, zu Weihnachten gab es immer eine Sonderzahlung vom Chef, auch wenn man auf diese offiziell keinen Anspruch hatte. Die war aber nicht ohne! Wir hatten auch konfessionslose bzw. ausgetretene ärztliche Kollegen und auch eine Muslima, überhaupt kein Problem.

Private Träger sind für mich ein zweischneidiges Schwert. Die machen sehr viel sinnvolle Sachen aus streng betriebswirtschaftlichen Überlegungen wie Blutabnahmedienst z.B., war im kirchlichen und kommunalen Haus nicht der Fall, Case Manager oder einfach auch nur Sekretärinnen die ihre Arbeit machen. Aktuell bin ich als Stationsarzt für Nadellegen etc. selbst zuständig, wir haben eine völlig unausgegorene elektronische Dreifachdokumentation und OP-Berichte und Arztbriefe werden getippt. Per Hand. Laborwerte auch per Hand abgetippt. Weil die Sekretärinnen Diktate nicht rechtzeitig schreiben, ich warte auf die OP Berichte von vor einem dreiviertel Jahr immer noch und hab daher seither wieder alle selbst getippt. Das man dafür bei privaten Kliniken andere Dinge macht / machen muss ist auch klar.

Ich würde solche "wer ist der Träger?" Sachen nicht ganz so schwarz-weiß sehen. Entscheidend ist für mich wie das Haus organisiert ist, welche Spezialisierungen vorliegen, wie das Team ist etc.