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Sziv
22.05.2018, 17:35
Hallo,
ich habe mir ein paar Gedanken gemacht, was ich vor meiner ersten Stelle besser in Erfahrung gebracht hätte, mangels besserem Wissen aber nicht habe. Vielleicht hilft es dem ein oder anderem bei seinen Hospitationstagen, oder auch zur Einschätzung seiner aktuellen Situation.

Überstunden:
Gut:
- Überstunden fallen eher in Ausnahmefällen an
- Überstunden werden automatisch erfasst (bspw. durch Zeiterfassungssystem)
- Überstunden werden durch Freizeit ausgegleichen ("FZA") , ist jedoch Ansichtssache
Akzeptabel:
- Überstunden fallen häufiger an
- Überstunden müssen manuell, bspw. in ein extra System eingetragen werden
- Überstunden werden ausbezahlt (s.o.)
Schlecht
- Überstunden sind die Regel, bzw. per Design so vorgesehen (bspw. Nachmittagsvisite zu Dienstende)
- Überstunden können gar nicht oder nicht vollständig protokolliert werden
- Überstunden dürfen nicht aufgeschrieben werden

Pausen
Gut:
- Es besteht die Möglichkeit regelmäßig Pausen in vorgeschriebener Länge zu nehmen
- Pausen sind fest vorgegeben und werden eingehalten
Schlecht:
- Pausen können oder dürfen nicht gehalten werden (werden durchgearbeitet)
- Pausen werden nicht in gesetzlich vorgeschriebener Länge eingehalten

Urlaub
Gut:
- Urlaub kann problemlos genommen werden
- Eine Rücksprache ist mit einem Oberarzt, ggf. mit dem Chef notwendig
Schlecht:
- Urlaub wird häufig "betriebsbedingt" nicht genehmigt
- Viele Angestellte müssen ihren Urlaub mit ins nächste Jahr nehmen (einfach mal nachfragen)
- Die Genehmigung von Urlaub ist kompliziert und erfordert die Genehmigung von mehreren Ärzten

Dienste
a.) 24h -Dienste:
- meiner persönlichen Meinung nach obsolet
-> wie viel FZA bekommt man?
-> Kann man diesen frei wählen?
b.) Rufdienste:
-> wie oft wird man reingerufen?
-> wie ist die Bezahlung mit und ohne Einsatz?
c.)Wochenenddienst
-> Gibt es reine Tagdienste (bspw 7-24Uhr)?
-> Wenn ja, (wie) werden diese ausgeglichen?
-> Wie werden 24h -Wochenddienste allgemein ausgeglichen (Kein Tag, ein Tag , zwei Tage frei?)





Ich beschreibe das optimale Krankenhaus, dass es so in Deutschland vermutlich nicht gibt (falls doch PM). Auch ist der ein oder andere sicherlich gewillt, an manchen Stellen Abstriche zu machen.
Wer meine Aufzählung nützlich (oder auch unnütz) findet, ist gerne eingeladen sie zu korrigieren oder zu erweitern.

anignu
23.05.2018, 00:16
Interessante Auflistung, für mich interessant dass vor allem das Thema Weiterbildung aber auch das Thema Fortbildung völlig fehlt. Für mich war vor allem für die ersten Stellen das Thema Weiterbildung ungefähr auf Platz 1, weit dahinter die ganzen anderen Themen. Aber nachdem du dich selbst so beschränkst antworte ich dir mal meine Meinung zu deinen Themen...

Überstunden:
- bei uns sind Überstunden zwar nicht per Design vorgesehen, aber eigentlich Standard. Also dass ich bei Dienstschluss 16 Uhr wirklich um 16 Uhr rauskomm ist eigentlich nie der Fall. Aber nachdem ich mit dem Team absprechen kann dass ich auch um 16 Uhr gehen kann wenn ich muss und ansonten in der Regel so ca. ein-zwei Überstunden anfallen die ich zwangsweise später als FZA nehmen muss (an Tagen an denen ich mir das aussuche) ist das für meine Situation nicht schlecht. Wer will nicht zusätzliche 15-20 FZA-Tage im Jahr die man ein bissl selbst legen kann?
Beim Thema Überstunden würde ich noch ein "Inakzeptabel/Katastrophe" als Kategorie einführen. Wenn Überstunden nicht erfasst werden. Für mich gibt es inzwischen nichts schlimmeres!

Pausen:
ich hab die Zeiten genossen in denen ich in einer Klinik war wo die ganze Abteilung Frühstücken oder eine Gruppe von 3-5 Assistenten zusammen Mittagessen waren. Schöne Zeit. In der jetzigen Klinik gibts das nicht. Ich hab eher so kleine Pausen zwischendurch weil... nennen wir es Wechselzeit. Das reicht für 2 Kaffee und einmal Mittagessen auf Station, nicht fürs runtergehen in die Kantine. Und wenn ich Stationsarzt bin nehm ich mir diese Zeit einfach. Man kommt ausreichend zum Ratschen mit den Kollegen und damit passt das schon. Ob die Länge dann tatsächlich eingehalten wird mir letztlich egal.

Urlaub:
die gut-schlecht-Unterscheidung seh ich auch so wobei es noch das Thema langjährige Mitarbeiter und Kinder zu beachten gibt. Beispiel Ostern/Pfingsten/Weihnachten: werden da langjährigere Mitarbeiter grundsätzlich bevorzugt oder wird abgewechselt? Werden Leute mit Kinder bevorzugt? Oder kämpft man mit allen kinderlosen Mitarbeitern um die Tage an denen der Kindergarten / die Schule zu hat? Bei uns wird sinnvoll abgewechselt (Stichwort Weihnachtsregelung) und die Leute mit Kindern nehmen eher Urlaub in den Oster-/Pfingst-/Sommerferien.

Dienste:
ich hatte schon 24h-Dienste und hab sie geliebt. Normal arbeiten, abends noch Zeit um entspannt aufzuräumen, spät abends nochmal über alle Stationen obs ein Problem gibt, zwischen 22 und 23 Uhr schlafen gelegt, länger schlafen können als zu Hause weil man sich den Arbeitsweg spart, aufstehen, duschen, Kaffee trinken, frühstücken, Morgenbesprechung, heimgehen und den ganzen Tag voll ausgeschlafen für sich haben. Dafür aber beide Tage reingearbeitet und zusätzlich noch Geld ausbezahlt bekommen. Ok, es gibt die 1-2 Nachtdienste im Jahr die Scheiße laufen. Aber der Rest: genial!
Ich würd das also alles erstmal nicht verteufeln sondern mir die Details anschauen:
welche Aufgaben hat man im Dienst? Wie ist die Dienstbelastung tatsächlich? Etc.
Und es gibt da die wildesten Modelle für Dienste. 12h, 24h, 8h + 16h kombiniert usw. Alles hat vor und Nachteile. Unser großes Thema aktuell ist, dass der Nachtdienst zum Ende seines Dienstes teilweise noch 20 Blutabnahmen zu machen hat. Darauf hat bei uns niemand mehr Bock. Klar, wenn die Nacht entspannt war gehts schon, aber wenn man eine anstrengende Nacht hatte und dann noch eine Stunde Blut abnehmen läuft...
Für mich viel wichtiger: WIEVIELE Dienste muss ich machen. Wenn ich 6 Dienste unter der Woche machen muss die von nachmittags bis zum nächsten Tag dauern und ich damit faktisch 12 Tage nicht in meiner Abteilung bin, zusätzlich 2-3 Wochenenden voll durcharbeite, von den Überstunden her noch 1-2 Tage pro Monat weg bin und im Schnitt 2-3 Urlaubstage hab und mir damit bei meiner eigenen Abteilung nur noch durchschnittlich 5 Arbeitstage im Monat bleiben... Merkst was? Dann hätte ich gleich was anderes machen können.

Weiterbildung:
für mich in den ersten 1-8 Jahren das entscheidende Thema. Was wird mir beigebracht? und für Chirurgen: was wird mir assistiert? Ist dass "assistiert sein" abhängig von Zufällen oder durchgehend gegeben? etc.
Es gäbe da noch viel zu schreiben. Auch das Thema Rotationen der Internisten, das Thema Intensivzeit der Chirurgen usw. Alles entscheidende Themen die eine Stelle attraktiv oder eben unattraktiv machen können.#

Fortbildungen:
der Vollständigkeit halber. Was zahlt die Klinik, was muss man selbst zahlen. Bekommt man freie Tage dafür...

Nessiemoo
24.05.2018, 19:53
Noch wichtige Punkte:
Oberarztbetreuung: Wie häufig kommt jemand vorbei - 2x täglich? Einmal täglich? Einmal wöchentlich? Immer telefonisch erreichbar? Jemand festes für die Station zuständig?
Patienten: Wie viele Patienten betreut man auf Station (v.a für konservative Fächer)? Und wie lange liegen die Patienten? 8 Patienten, von denen vier jeden Tag kommen und gehen sind nicht zu vergleichen mit 14 Patienten, von denen nur einer kommt und geht.

Weiterbildung: Rotationen, erlernen von Funktionen: feste Rotationen? Gehört zur Stationsalltag? "Selbstinitiative"? Feste Rotationen?

Arbeitsatmosphäre: Wie gut verstehen die Kollegen sich miteinander? Muss man häufiger Ellenbogen benutzen oder herrscht ein freundliches Miteinander?

Und dann immer dieselben Fragen den Kollegen und den Chefs stellen - bei stark abweichenden Antworten kriegt die Abteilung Minuspunkte. Und ausweichende Antworten ist eine deutliche rote Flagge.

Meuli
24.05.2018, 20:00
Hach, ich merke grad mal wieder, wie gut es mir in meiner Abteilung geht ... trotz aller Widrigkeiten manchmal :-)) :-) :-love

freak1
24.05.2018, 20:09
Beim Thema Überstunden würde ich noch ein "Inakzeptabel/Katastrophe" als Kategorie einführen. Wenn Überstunden nicht erfasst

Gibt schon einen Grund warum viele Kliniken sind mit Händen und Füßen gegen eine automatische elektronische Zeiterfassung wehren. Ich finde die sollte gesetzlich vorgeschrieben werden in Kliniken und fertig.

Aber Lobbyarbeit...

anignu
24.05.2018, 20:10
Und dann immer dieselben Fragen den Kollegen und den Chefs stellen - bei stark abweichenden Antworten kriegt die Abteilung Minuspunkte. Und ausweichende Antworten ist eine deutliche rote Flagge.
Mir hat mal eine Bewerberin gesagt, dass der Chef ihr bzgl. Diensten irgendwie andere Dinge erzählt hätte... unser Chef hat ehrlich gesagt einfach mal null Ahnung was wir in den Diensten machen, wie die Zeiten sind, Arbeitsbelastung, Probleme etc. Es interessiert ihn schlichtweg nicht...

juke5489
25.05.2018, 17:30
ich würde auch vor allem das thema weiterbildung noch weiter herausstellen.
die entsprechenden rotationen sind schon angesprochen worden, aber ich würde noch deutlich fokussierter nach verschiedenen sachen fragen:
wie standardisiert ist die weiterbildung und exakt was für 'meilensteine' und ausbildungsziele werden zu welchem zeitpunkt anvisiert.
ab wann operiere ich krankheitsbild x, ab wann führe ich koronare interventionen durch, ab wann koloskopiere ich und und und.
es gibt kliniken, die explizit einen klaren weiterbildungscurriculum formuliert haben (z.B.: https://www.klinikum-augsburg.de/kliniken-und-institute/klinik-fuer-allgemein-viszeral-und-transplantationschirurgie/fort-und-weiterbildung.html). ob dieser tatsächlich immer eingehalten wird ist natürlich die frage, aber kliniken, die keine festgeschriebenen weiterbildungsziele haben, kein mentorensystem, keine standardisierung und keinen klaren fokus auf der ausbildung der assistenzärzte, werden häufig keine gute ausbildung bieten.

Mano
29.05.2018, 09:16
es gibt kliniken, die explizit einen klaren weiterbildungscurriculum formuliert haben (z.B.: https://www.klinikum-augsburg.de/kliniken-und-institute/klinik-fuer-allgemein-viszeral-und-transplantationschirurgie/fort-und-weiterbildung.html). ob dieser tatsächlich immer eingehalten wird ist natürlich die frage, aber kliniken, die keine festgeschriebenen weiterbildungsziele haben, kein mentorensystem, keine standardisierung und keinen klaren fokus auf der ausbildung der assistenzärzte, werden häufig keine gute ausbildung bieten.

Dem würde ich nicht zustimmen. Papier ist geduldig, seeeehr geduldig.
Anderesherum leisten kleine Abteilungen teilweise hervorragende Weiterbildung ohne dass das irgendwo verschriftlicht wäre.
Glaube nicht dass beides miteinander korreliert.

juke5489
29.05.2018, 15:55
Dem würde ich nicht zustimmen. Papier ist geduldig, seeeehr geduldig.
Anderesherum leisten kleine Abteilungen teilweise hervorragende Weiterbildung ohne dass das irgendwo verschriftlicht wäre.
Glaube nicht dass beides miteinander korreliert.

naja, aber in einem solchen fall wird einem ja vermutlich der chef im vorstellungsgespräch etwas zu den ausbildungsstandards sagen können und was für kompetenzen im rahmen der ausbildung am klinikum erworben werden, praktischer und theoretischer natur.

natürlich reicht ein stück papier allein nicht, aber wer sich die mühe macht sich um ausbildung gedanken zu machen, der wird eher gut ausbilden, als häuser, wo aus- und weiterbildung fremdwörter sind und wo der chef ins stammeln kommt, wenn man ihn fragt, welche eingriffe/interventionen/untersuchungen seine assistenten im x.ten weiterbildungsjahr denn so standardmäßig durchführen.

Mano
29.05.2018, 17:08
naja, aber in einem solchen fall wird einem ja vermutlich der chef im vorstellungsgespräch etwas zu den ausbildungsstandards sagen können und was für kompetenzen im rahmen der ausbildung am klinikum erworben werden, praktischer und theoretischer natur.

natürlich reicht ein stück papier allein nicht, aber wer sich die mühe macht sich um ausbildung gedanken zu machen, der wird eher gut ausbilden, als häuser, wo aus- und weiterbildung fremdwörter sind und wo der chef ins stammeln kommt, wenn man ihn fragt, welche eingriffe/interventionen/untersuchungen seine assistenten im x.ten weiterbildungsjahr denn so standardmäßig durchführen.

Schön wäre es... In der Realität gibt es aber eben gerade für Abteilungen in großen Maximalversorgern/ Lehrkrankenäusern/ Unikliniken Vorgaben von ganz oben, eben solche Ausbildungspläne zu schreiben. Ob das auch nur im Ansatz umgesetzt wird interessiert dann aber niemanden mehr.
Andersherum läuft die Ausbildung in kleinen Kliniken oft vielleicht nicht in ganz so geordnet und standadisierten Bahnen, dafür aber durch persönliches Engagement von Vorgesetzten umso effektiver. Gibts natürlich auch andersherum.
Und im Vorstellungsgespräch wird dir *jeder* Chef die Weiterbildung in seiner Abteilung hochloben und davon schwärmen, was seine Assistenten alles lernen.
Fazit: Es zählen nur die persönlichen Infos von Assistenzärzten (!= Ober-/ Chefarzt) oder man muss eben zwischen den Zeilen lesen und auf sein Glück vertrauen.