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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : unzufrieden mit dem OA



lidarie
11.06.2018, 22:02
In meiner Abteilung kam nach mehr als einem Jahr Abwesenheit ein OA zurück, der noch vom vorherigen Chef eingestellt war. Leider zeigte sich und zeigt sich immer noch, dass er fachlich ganz und gar nicht auf dem Stand der Dinge ist und in meinen Augen teilsweise eine Gefahr für unsere PatientInnen darstellt.
Vor allem im OP-Saal (operatives Fach) hat man nicht das Gefühl, dass man mit einem OA zusammenarbeitet - eher scheint es eine Rollenvertauschung zu geben... (--- und das ist für meine Ausbildung alles andere als was ich mir vorgestellt habe)
Wie soll man denn damit umgehen? Unter den AssistenzärztInnen sind wir uns unschlüssig - es fehlt aber ganz massiv das Vertrauen in die oberärztlichen Fähigkeiten.
Vielleicht kann jemand seine eigenen Erfahrungen schildern.
Ich selbst versuche mir auf die Zunge zu beißen -- bin da aber nicht gut drin und befürchte arge Komplikationen.

anignu
12.06.2018, 00:03
Hatte so ein ähnliches Problem in bisher zwei Abteilungen in völlig unterschiedlicher Form. In einer Abteilung war es so, dass der betreffende Oberarzt immer irgendwie Ausreden gesucht hat warum er grad nicht in den OP kann, was er sonst noch alles zu tun hätte etc. Und wenn er dann im OP war, hat er immer operativ eher so die Minimalvarianten gewählt. Möglichst schnell, möglichst sicher, kurz- und langfristige Ergebnisse egal. Notfälle die am Vortag kamen: waren nicht so schlimm, oh, haben sich nun doch über Nacht verschlechtert. Apropos "kurzfristige Ergebnisse egal": in der Infektsituation immer nur den Teil des Implantats rausgemacht den man sehen konnte / der unter Eiter stand. Der Rest blieb drin und hat erst noch ein paar Tage Schonfrist / Gährung bekommen bis der Gär-Prozess soweit abgeschlossen war, dass der Rest doch raus musste. Dessen OP-Berichte hingegen: brilliant geschrieben. Wahre Meisterwerke der Eloquenz. Und das meine ich ernst. Die liest du und glaubst "natürlich musste die OP so verlaufen"...

Ich hatte dann mal ein langes Gespräch mit dem Chef. Er hat mir dann bzgl. dieser Situation ein paar Dinge erklärt bzw. klargestellt:
- einen chirurgischen Oberarzt ersetzt man sehr sehr viel schwerer als einen Assistenzarzt. Alleine schon ob die Verwaltung eine neue Stelle wieder ausschreiben / genehmigen würde, dann braucht man erst mal einen Kandidaten, dann muss der passen etc. Also Ersatz ist schwierig.
- Oberärzte garantieren die Konstanz einer Abteilung. Während Assistenzärzte üblicherweise 6 Monate bis 5 Jahre bleiben, als Fachärzte dann ggf. nochmal 5 Jahre, bleiben Oberärzte meistens >10Jahre. Es werden damit Standards weitergegeben, eine konstante Qualität aufgebaut etc.
- einen Oberarzt rauswerfen ist noch schwieriger. Der hat einen unbefristeten Vertrag, ist z.B. im öffentlichen Dienst seit über 10 Jahren angestellt und damit quasi unkündbar. Sich da jetzt auf maximale Konfrontation stellen und versuchen ihn über alle Fehler in der Patientenversorgung rauszuwerfen ist quasi unmöglich und würde auch unberechenbare Konsequenzen für die Abteilung nach sich ziehen
- bzgl. OPs hat dieser Chef es möglichst so gemacht, dass das Verursacher-Prinzip galt. Also wenn einer bei einem Patienten zu operieren begonnen hat, dann musste dieser auch die Folgeeingriffe ausbaden. Das hat zur Folge, so die Hoffnung, dass man sich bemüht es gleich richtig zu machen, denn man kommt eh nicht davon. War auch erzieherische Maßnahme für den einen Oberarzt und Besänftigung für die anderen Oberärzte. st ja auch nervig wenn man regelmäßig die Sch... der anderen ausbaden soll.
- den Oberarzt von OPs auszunehmen wegen Patientengefährdung ist auch keine sinnvolle Option, schlechte Arbeit darf auch nicht belohnt werden. Er ist Facharzt, wird entsprechend bezahlt und muss auch eigenverantwortlich schauen wie er auf dem aktuellen Wissensstand bleibt.
- Signal gegenüber anderen Oberärzten: würde der Chef mehr auf die Assistenten als auf seine Oberärzte hören, hätte das auch einen Vertrauensverlust der anderen Oberärzte zur möglichen Folge. Was würde passieren wenn sie mal in Ungnade fallen würden.

lidarie
12.06.2018, 17:21
danke für die ausführliche Antwort! sowas habe ich auch schon vermutet... wie bist du selbst mit der Situation umgegangen? OP-Assistenz kann man ja z.B. so oder so machen --- wie soll man sich professionell verhalten, wenn man sich um seine eigene Weiterbildung sorgt, weil man keinesfalls was falsches lernen will, aber auch nicht wissen kann, was hier alles gerade wirklich falsch läuft :/

Lava
12.06.2018, 18:45
Literatur lesen, Fortbildungen besuchen. Je mehr man das macht, umso mehr merkt man, dass an der eignenen Klinik eigentlich meistens nicht nach den allerneuesten Erkenntnissen und Leitlinien gehandelt wird ;-) Mich hat das auch sehr ernüchtert und teilweise enttäuscht. Teilweise musste ich Patienten Behandlungen empfehlen, von denen ich weiß, dass 95% oder mehr aller anderen es nicht so machen und es einfach nicht richtig ist. Mein Versuch, einen Patienten unauffällig woanders hinzulotsen, wurde enttarnt und das gab Ärger.

lidarie
12.06.2018, 18:58
ja genau... und wie gehst du mit dem darauffolgenden Frust um?
An die Uniklinik wechseln?

erdbeertoertchen
12.06.2018, 19:14
Wenn du mit dem Konzept deiner Klinik unzufrieden bist, gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder akzeptieren oder eine andere Klinik suchen.

Fr.Pelz
12.06.2018, 20:40
anignu, danke für die klugen Gedanken, dein Chef hate das ja echt gut begründet.

Ich empfinde chirurgische Oberärzte auch als ein spezielles Völkchen, da ist keiner wie der andee und alle haben ihre mehr oder weniger großen 2Macken". Ich finde umso eher ein OA Vorbildqualitäten in umso mehr eigenschaften hat, kann er sich umso mehr "Fehler"in anderen Eigenschaften erlauben. Der erste OA, der mich unglaubvlich geprägt hat, ist fachlich extrem gut und ein Arbeitstier. Menschlich und als Führungsperson war er eine Katastrophe (das hat sich inetressanterweise gebssert über die Jahre, er ist leider woanders, ich würde wahnsinnig gern wieder mit ihm zusammen arbeiten). Aber ich hatte immer den Gedanken "Ok, er operiert exzellent, ich hör einfach weg, wenn er mir blöd kommt". Das ist natürlich nicht das Nonplusultra, aber für mich eben akzeptabel.

An seine Stelle trat jemand, der fachlich nicht gut ist (und sich leider extrem selbst überschätzt, GANZ blöde Kombi) und nicht besonders arbeitssam. Also WENN er mal operiert (1-2x in 2 Wochen) dann gleich das Allerkomplizierteste, was dazu führt, dass viele der von ihm operierten Patienten kein gutes Outcome haben. Menschlich ist er ebenfalls eine Katastrophe. Ich kann ihn einfach nicht ernst nehmen und er ist ein sehr schlechtes Vorbild für die gesamte Arbeitsmoral und ich denke immer wieder "Wenn er wenugstens gut operieren könnte, wäre das nicht so schlimm".

Mein Fazit ist, dass ich die Klinik wechsele. Ich möchte so nicht ausgebildet werden. Für mich steht die medizinische Qualität im Vordergrund.
Das Gute ist ja, dass man in der WB rotiert. Ich bin also gottseidank nicht mit dem schwierigen OA in einer Abteilung und hab selten mit ihm zu tun (wir vermeiden uns eh gegenseitig). Ich weiß ja nicht, wie groß deine Klinik ist- aber vielleicht ist es zur nächsten Rotation besser? Gibt es andere OÄ oder FÄ, an denen du ich orientieren kannst?

lidarie
12.06.2018, 21:33
Hallo Fr. Pelz, ich kann das gut nachvollziehen.
Meine Klinik ist ziemlich klein und es besteht keine praktikable Möglichkeit sich aus dem Weg zu gehen. Rotationen wären in andere Krankenhäuser, stehen aber aktuell (noch) nicht zur Debatte.
Nun bin ich am Ende des dritten WB-Jahres und suche nach Orientierung, finde die aber nicht so, wie ich mir das erwünschen würde. Alle anderen OÄ/FÄ haben ihre Stärken, die ich alle schätze und von denen ich lernen kann.
Der OA, der der Grund für den Thread ist, hat das nicht und ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll, ohne ihn vor z.B. nichtärztlichen Personal oder auch Kollegen bloßzustellen

Mano
13.06.2018, 11:17
Wenn ich das richtig verstehe, bist du insgesamt eigentlich zufrieden mit deiner Weiterbildung und nur ein Oberarzt unter mehreren macht einen schlechten Job, richtig?
Die Frage, die sich da für mich primär stellt: Ist dieser Oberarzt eine akute Patientenbedrohung die soweit geht, dass du es nicht (mit-) verantworten kannst? Wenn ja, dann bleibt dir - neben dem mehrfachen Gespräch mit dem Chef und ggf. der Geschäftsführung - nichts anderes übrig als zu gehen.
Wenndas nicht der Fall ist, würde ich eher nach der Devise Augen-zu-und-durch verfahren. Glaube kaum, dass du eine Klinik findest in der *alle* Oberärzte gleichermaßen klinisch gut sind *und* weiterhin auch tatsächlich Ausbildung stattfindet. Letztlich liegt es ja auch an dir, was du mitnimmst. Und gerade auch bei eher schlechten Anleitern kann man ja immer noch mitnehmen, wie man es später eben nicht machen will. Und ansonsten einfach alles was du lernst mit einer gesunden Portion Skepsis betrachten und nicht unhinterfragt übernehmen. Gilt meiner Ansich nach übrigens auch für alle vermeinstlich *guten* Oberärzte...
Je nach Persönlichkeit ist der Oberarzt ja möglicherweise auch durchaus dankbar für Unterstützung und Anregung. Natürlich nicht "das machen sie aber falsch" sondern eher "ich habe den nächsten OP-Schritt bei OA xy ein paar mal gesehen, darf ich den vielleicht durchführen? bzw. wollen wir das auch mal so ausprobieren?"

Achja, an der Uni ist übrigens auch nicht alles gold was glänzt - die sind allenfalls besser im Polieren ;-)

anignu
18.06.2018, 00:46
Achja, an der Uni ist übrigens auch nicht alles gold was glänzt - die sind allenfalls besser im Polieren ;-)
Das auf jeden Fall. Dreimal darfst raten wo vor allem die eher weltfremden Chefs ihr "Handwerk" gelernt haben. Es gibt da Geschichten, die glaubst du nicht...

Aber zum Thema zurück: was tun?
Sehr schwierig. Letztlich ist es auch vom Umfeld abhängig. In meiner Situation damals, ich hab ja schon beschrieben wir mir es mein damaliger Chef erklärt hatte, bin ich initial geblieben. Auch wenn ich von einem Oberarzt (dem LOA) quasi nichts lernen konnte, ein anderer Oberarzt war so super (fachlich, menschlich, patientenbezogen, zurückhaltend, fleißig, etc.) dass er damals und jetzt immer ein Vorbild war/ist. Von dem wollte ich noch viel lernen. Also bin ich geblieben. Chef gut, jetzt nicht mega aber gut, LOA supermegaspitze, ein OA unter aller Kanone, Assi-Kollegen voll kollegial -> bin geblieben. Alleine dass man sich bei den Assi-Kollegen so voll kollegial abspricht wer welche OP macht und es absolut ausgeglichen ist. Hab ich vorher noch nie gehört dass es sowas gäbe und vorher und nachher nie erlebt. Aber es geht. Wirklich. Nein, jetzt ernsthaft.
Dass ich später doch gegangen bin hat Gründe in der Personalpolitik des Hauses, mein Chef hat mir da zugestimmt dass es in meiner Situation sinnvoller war zu gehen.