"Eine Anmaßung von Kompetenzen"
Bei Psychotherapien von Heilpraktikern gibt es Qualitätsdefizite und dubiose Behandlungsmethoden, das zeigen Recherchen des SWR. Dabei versprechen deren Berufsverbände, sie stünden für Qualität und entlasteten das Gesundheitssystem.
Ängste, Depressionen, Persönlichkeitsstörungen: Mehr als ein Viertel der Menschen in Deutschland ist laut Bundespsychotherapeutenkammer psychisch krank.(...)
Wer es sich leisten kann, sucht sich Alternativen - etwa bei Heilpraktikern, die ebenfalls Psychotherapie anbieten dürfen. Heilpraktiker-Berufsverbände versprechen: Sie bieten kurzfristig Termine an, stehen für Qualität und Patientensicherheit und entlasten das Gesundheitssystem. Recherchen des SWR-Investigativ-Formats VOLLBILD zeigen, welche Risiken eine Behandlung bei Heilpraktikern für Psychotherapie bergen kann.(...)
Sie habe sich beim Heilpraktiker zunächst besser aufgehoben gefühlt als bei Ärzten und Therapeuten, sagt eine ehemalige Patientin mit Angststörung,(...)
(...)ihre Symptome seien durch die unzureichende Behandlung immer schlimmer geworden. Eine echte Besserung habe sie erst durch die Behandlung bei einem ärztlichen Psychotherapeuten erfahren, der ihr Medikamente verordnete.
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Mit versteckter Kamera suchte VOLLBILD-Reporter Christoph Kürbel im Selbstversuch eine Heilpraxis auf und gab dort vor, Ängste und Depressionen behandeln lassen zu wollen. Die Praxis wirbt auf ihrer Webseite mit zahlreichen Verfahren, die dagegen wirksam sein sollen. Bevor der Reporter allerdings seine Therapiesitzung antreten durfte, musste er sich zunächst einer esoterischen Energiebehandlung einer Heilerin unterziehen, die ebenfalls in der Praxis arbeitet.
Vehement versuchte sie den Reporter zum Kauf einer "energetischen Heildecke" zu überreden.
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Dass Heilpraktiker das Gesundheitssystem entlasten könnten, sei ein Trugschluss, so der Professor für klinische Psychologie. Er äußert massive Zweifel an der fachlichen Befähigung vieler Heilpraktiker:
"Merkwürdigerweise fühlen sich häufig Heilpraktiker mit einer ganz geringen Ausbildung berufen, schwierige Störungen zu behandeln wie Traumata oder sexuelle Störungen", kritisiert Revenstorf.
Er sieht den Berufsstand insgesamt kritisch und fordert: "Eigentlich müsste man den Heilpraktiker abschaffen."
Um als Heilpraktiker für Psychotherapie zu arbeiten, benötigt man lediglich den so genannten "kleinen Heilpraktikerschein".
Eignungsvoraussetzungen dafür sind ein Mindestalter von 25 Jahren und ein polizeiliches Führungszeugnis. Die Prüfung für den Schein nimmt das Gesundheitsamt ab, schriftlich müssen 21 von 28 Multiple-Choice-Fragen richtig beantwortet werden. Im Anschluss folgt eine 30-minütige mündliche Überprüfung.
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