Zitat von
Jukka666
Ich hatte deshalb durchaus einschränkend gesagt, der Patient muss sich eignen, man sollte die Arbeit des Chirurgen kennen und wissen, wo Probleme des jeweiligen Verfahrens liegen.
Weiterhin, dass der Patient nicht überredet, sondern überzeugt werden sollte, das gilt natürlich auch für den Chirurgen.
Ich boxe kein Verfahren durch, wie du sagst, sondern überlege mir jedes Mal, ob der Patient und das Verfahren für diese OP geeignet sind. Und natürlich, ob der Patient ein Benefit insgesamt hat. Erst dann, wenn wider besseren Wissens der Operateur dem Patienten das Verfahren in seinem Aufklärungsgespräch ausreden will, was leider zu oft passiert, und der Patient bereits mit einer vorgefertigten Meinung in das AnästhesieGespräch geht. Kann es schon mal sein, dass ich den Patienten wieder umstimme.
Das Thema Kompartment und Regionalanästhesie ist aber nun mal etwas, was in der Literatur nicht zum ersten Mal diskutiert wird.
Ich gehe regelmäßig auf den europäischen Anästhesiekongress und jährlich auf dem Jahreskongress der europäischen Gesellschaft für Regionalanästhesie.
Da haben sich schon viel mehr Leute mit diesem Thema befasst, es gab sehr viele pro und contra Argumentationen, von beiden Seiten des Tuchs.
Ich kann dir gerne gute Literatur heraussuchen, Metaanalysen und gute Untersuchungen die mehrfach gezeigt haben, dass ein KompartmentSyndrom durch eine regionalanästhesie NICHT maskiert und verzögert werden kann.
Das ist nun mal eine pauschale Angst der Chirurgen - Wenn auch verständliche, einen Patienten nicht beurteilen zu können, wenn er am Unterschenkel nichts spürt. Das ist aber nicht korrekt, anders kann ich es nicht formulieren.
Ein relevantes kompartment kann nicht durch eine Nervenblockade maskiert werden. Das ist u.a. ein Ischämie-Problem, das genauso wie ein Tourniquet durchbricht. Eine Spinal Anästhesie zum Beispiel oder ein Single Shot eines Ischiadicusblocks sind da sicher nicht maskierend laut Literatur.
Es ist auch ein sehr deutsches Problem, das so zu diskutieren finde ich, da die SpinalAnästhesie im Ausland und die Regionalanästhesie zur Vermeidung von Narkosen gerade im Hinblick auf Kostenersparnis die Regel sind. Und relevante Kompartment-Probleme treten auch im Ausland nicht häufiger auf.
Es hat deshalb sehr wohl mit Nachbehandlung zu tun, wenn man die Patienten nach entsprechenden Eingriff nicht regelmäßig untersucht und sich drauf verlässt, dass der Patient sich schon melden wird wenn er Schmerzen kriegt.
Die Kontrolle der peripheren Durchblutung, Motorik und Sensibilität gehört nun mal dazu. Natürlich gebe ich dir recht insofern, dass man nicht unbedingt die Regionalanästhesie massiv mit hohen Dosen tagelang aufrecht erhalten sollte bei kompartmentgefährdeten Extremitäten. Aber ein Single Shot mit einer einigen Stunden anhaltenden Schmerzfreiheit sollte kein Problem sein.
Es besteht kein Grund, so aggressiv zu argumentieren. Ich Verweise gerne auf die Literatur, die sich da in den letzten Jahren sehr damit beschäftigt hat.
Und wenn ich das so sagen darf, dein Satz „das Problem wird allein durch das von mir präferierte Verfahren ausgelöst“, entlarvt deine eigene Unwissenheit und Unsicherheit Bezüglich KomPartment Syndrom.
Nachtrag: es ist außerdem sehr wohl noch mein Problem, denn wenn ein Patient einen block erhalten hat, und ein Verdacht eines kompartments besteht, wird immer auch die Anästhesie hinzugezogen zur Beurteilung. Wir untersuchen den Patienten, geben Empfehlungen, schreiben konsile, und besprechen das dann gemeinsam auf Station.
Die jahrelange Erfahrung zeigt aber leider, dass pauschal oft der Regionalanästhesie die Schuld gegeben wird für Operations- oder lagerungsbedingte Nervenschäden - was ja niemandes Schuld sein muss. Ich hatte in den letzten zehn Jahren sicher fünf konsile, die wegen einer Fußheberschwäche ein Anästhesiekonsil ausgelöst haben, obwohl der Patient nur einen Femoralisblock erhalten hat.