Deine Aussage war, dass in der Wissenschaft nirgendwo ins Blaue gearbeitet würde. Das ist meiner Meinung nach nicht richtig.
Analogie im Labor: Man bestimmt Merkmal x experimentell und schaut dann, mit welchen Krankheiten, Phänotypen, o.ä. das Merkmal korreliert. Daraus generiert man im Nachhinein eine Hypothese. In dieser Form sicher seltener als bei statistischen Arbeiten, aber kommt schon vor.
Bei meiner ehemaligen Kommilitonin lief es z.B. so:
Ursprüngliche Hypothese: "Bei Patienten mit Krankheit x ist eine Erhöhung von Serumprotein y zu beobachten."
50 Patientenproben und 50 Proben von gesunden Patienten untersucht, keine Unterschiede gefunden. So will das der Doktorvater aber nicht publizieren. Also Patientenakten durchforstet und Teilgruppen gebildet. Haben Patienten, die besonders jung an x erkranken mehr Protein y? usw. Nichts zu holen. Dann mal alle Patienten rausgesucht, die tatsächlich einen hohen Messwert hatten und versucht, in den Akten eine Gemeinsamkeit zu finden. Nichts.
Ok, also mussten Verlaufsmessungen her. Von einem Teil der Patienten (sagen wir 35) gab es noch eine zweite, frühere Blutprobe. Zufällig (?) war das eine Teilgruppe mit insgesamt in der aktuellen Messung erhöhten Messwerten. Also die alten Seren dieser Patienten getestet, dort durchschnittliche Werte.
Ergebnis: Bei Patienten mit Krankheit x kommt es im zeitlichen Verlauf zu einer Zunahme von Serumprotein y.
Das ganze wurde natürlich in einem peer reviewed journal publiziert. Und natürlich wird in der Publikation wie auch in der Doktorarbeit nur von den Verlaufsmessungen bei 35 Patienten berichtet. Den Vorlauf mit den weiteren Messungen erwähnt man nicht, man will den Leser ja nicht verwirren. Note der Doktorarbeit Magna cum laude.
Ich glaube nicht unbedingt, dass diese Art von Konzept eine niedrigere Abschlussquote hat oder schlechtere Noten abwirft. Auch gut und wissenschaftlich sauber geplante Arbeiten können scheitern oder einfach kein publikationswürdiges Ergebnis liefern.
Kann sein, aber so viele von diesen super easy Arbeiten, von denen immer erzählt wird und mit denen man angeblich in 6 Monaten locker komplett fertig ist, scheint es gar nicht zu geben. Ich kenne zumindest keinen, der eine Doktorarbeit mit extrem geringem Zeitaufwand hatte.
Was Aoiyuki beschreibt liegt doch schon am unteren Rand des Spektrums. 250 Patienten mit je 50 Parametern. So aufwendig wird es nicht sein, Laborwerte u.ä. in eine Excel- und/oder SPSS-Tabelle zu übertragen. Rechnen wir mal eine Stunde pro Patient. Dann ist das in den Semesterferien in 4 Wochen zu schaffen. Bei einer Laborarbeit verpufft diese Zeit oft allein schon für die Einarbeitung, ohne dass man dabei einen einzigen Messwert für die Doktorarbeit generiert hätte.