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Feuerblick
Naja, Unikliniken und kleinere Häuser zahlen nach dem jeweiligen Tarifvertrag und haben entsprechend tariflich festgelegte Arbeitszeiten. Wie das realistisch aussieht, solltest du bei Hospitationen erfragen.
Praxis klingt immer soooo entspannt, weil die Stundenzahl so hübsch niedrig aussieht, ABER du darfst nie vergessen, dass die morgens später anfangen und abends unter Umständen bis 18 oder 19 Uhr arbeiten mit riesiger Mittagspause dazwischen. Dazu ist der Patientendurchlauf sehr viel höher und schon wird aus „entspannt“ ein „ganz schön stressig“. Überstunden gibt es in Praxen übrigens auch. Da sollte man sich nicht blenden lassen. Ich bin nach einem ganzen Tag Praxis deutlich mehr am Stock gegangen als nach einem Tag Klinik-Ambulanz. Mal abgesehen davon, dass mir ein- bis zweistündige Mittagspausen einfach nicht liegen und ich es nicht leiden kann, erst um 19 Uhr abends zu Hause zu sein. Von den mindestens 60 Patienten pro ganzem Tag reden wir mal nicht.
Wenn man sich dann nicht selbst organisieren kann und dazu neigt, für alles ewig zu brauchen, dann hat man schnell viele Überstunden an der Backe - und unzufriedene Patienten, weil die nicht ewig warten wollen. Fehlende Organisation des eigenen Arbeitens ist in Praxis und Klinik der häufigste Grund für Überstunden. Wer das nicht beherrscht, wird nirgendwo in Regelarbeitszeit rausgehen.
Ich habe die komplette Facharztzeit in Unikliniken verbracht und habe seltenst nach 17 Uhr (Beginn 7:45 Uhr) das Haus verlassen. Selbst mehr als 15-30 Minuten über Dienstschluss hinaus kamen selten vor. So selten, dass ich nur extrem selten mal einen Tag Freizeitausgleich zusammenbekommen habe. Meistens war es so, dass ich an Tagen mit weniger Arbeit früher gehen konnte und sich das Zeitkonto so von selbst ausgeglichen hat. Einer meiner Chefs sagte mal im Gespräch im 2. WB-Jahr zu mir „Sie gehen ja auch immer pünktlich, wie?“. Naja, warum auch nicht, wenn die Arbeit getan ist? Was kann ich dafür, dass die Kollegen das nicht hinbekommen?
Ich würde übrigens nicht sagen, dass man an Unikliniken generell weniger operieren lernt oder mehr Überstunden macht. Das kommt aufs Haus an, das kommt auf den Chef und die Oberärzte an und auf die Ausbildungspolitik des Hauses. Zu meiner Zeit war es z.B. an den meisten Kliniken noch üblich, dass intravitreale Injektionen nur durch Oberärzte und Chefärzte durchgeführt wurden. Als die Injektionen aber immer mehr und mehr wurden, stand plötzlich der Chef vor mir und informierte mich, dass ich als drittälteste Assistentin jetzt damit anfangen solle (Mitte 3. WB-Jahr). Danach habe ich die jüngeren Assistenten angelernt. Es kann also durchaus sein, dass man auch andere Dinge als Assistenzarzt lernen kann und darf, die bisher traditionell frühestens kurz vor dem Facharzt angefangen wurden.
Aber wie gesagt: Es spricht ja nichts dagegen, erst einmal zwei Jahre in einer Augenklinik wirklich die Basics zu lernen und sich dann einen Praxisverbund zu suchen, in dem man ans Operieren herangeführt wird. Aber ACHTUNG! Auch da gibt es welche, die machen das gewissenhaft mit Supervision und regelmäßigem Teaching und welche, die stellen dich hin und sagen (ohne Teaching) „Mach einfach mal“.
Es spricht auch nichts dagegen, im Verlauf der Weiterbildung ein- oder mehrmals das Haus zu wechseln. Im Gegenteil: Es ist sogar gut, wenn man mal andere Vorgehensweisen und andere Herangehensweisen sieht. Das hilft später ungemein.