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Aktive Benutzer in diesem Thema

  1. #1
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    Hi!

    Hier hab ich mal eine Frage, welche Befugnisse und Reche Ärzte in Bezug auf ihre Patienten haben.

    "Unser" Krankenhaus liegt ja auf St. Pauli, nur ein paar Straßen von der Reeperbahn entfernt, dass da nicht nur nette alte Omis kommen, kann man sich da ja vorstellen.

    Frage 1:
    Angenommen, ein Opfer organisierter Kriminalität (z.B. Menschenhandel) oder familiärer Gewalt (Stichwort: Ehrenmord) wird (ernsthaft verletzt) ins Krankenhaus eingeliefert.
    Klar, als erstes werden die Ärzte wohl die Polizei rufen.
    Aber was können sie noch für die Patientin tun?
    Dürfen sie z.B. Namen und/oder Diagnose auf der Krankenakte ändern?
    Dürfen sie (vermeintlichen) Angehörigen den Kontakt verweigern?
    Angenommen die junge Dame ist noch minderjährig: wer ist in diesem Fall für sie zuständig?

    Frage 2:
    Ein Arzt entdeckt bei einem Kind deutliche Spuren von Misshandlung (Abdruck von Gürtel bzw. Gürtelschnalle auf dem Rücken etc.).
    Darf er das Kind unter dem Vorwand einer anderen Krankheit ins Krankenhaus einweisen, um eine akute Gefährdung zu verhindern?

    Frage 3:
    Es stellt sich heraus, dass sich ein Patient illegal in Deutschland aufhält.
    Sind die Ärzte verpflichtet, das der Polizei zu melden?


    Kann mir hier jemand weiterhelfen?

    LG,
    Eva



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  2. #2
    ganz seltene MD-Spezies Avatar von trina1081
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    zu 1 und 3: Ein Arzt ist nicht verpflichtet, die Polizei zu rufen. Er muss da die Gefahr für die Allgemeinheit abwägen. Er kann die Polizei holen, muss es aber nicht. Auch wenn dadurch Straftaten gedeckt werden.

    zu 2: Er kann ja die Einweisungsdiagnose einfach in ICD-10 aufschreiben, dann können das die Eltern nicht erkennen, wie die wirkliche Einweisungsdiagnose lautet. Prinzipiell darf man einweisen zum Schutz des Kindes. Ich würde da aber vor allem das Jugendamt einschalten.

    Ich hoffe, das hilft dir ein bisschen weiter

    trina



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  3. #3
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    Ja, danke!


    Zu Frage 1:

    Angenommen eine junge Frau wurde nach einem Mordversuch (Stichwort: Ehrenmord) eingeliefert und bittet die Ärzte um Hilfe, weil ihre Familie immer noch nach ihr sucht. Kurze Zeit später taucht auch tatsächlich ein Junge auf, der seine große Schwester Yldiz Sahdan (oder wie sie auch immer heißt) sucht.

    Wie kann der Arzt verhindern, dass die Angehörigen die junge Dame im Krankenhaus finden?
    Er kann ja schlecht einen Aushang am schwarzen Brett für die übrigen Kollegen/Schichten machen, dass sie niemandem verraten sollen, dass eine Yldiz Sahdan bei ihnen im Krankenhaus liegt - oder doch?
    Welche anderen Möglichkeiten gibt es?


    Und beim Stichwort Menschenhandel:
    Was macht ein Arzt z.B. mit einer jungen (evtl. minderjährigen), illegal eingeschleusten Russin, die zusammengeschlagen bei ihm im Krankenhaus liegt und bereit wäre, gegen ihre Peiniger auszusagen?
    Nach der Entlassung einfach wieder auf die Straße setzen und so tun, als wäre nichts?
    Ich weiß nicht, ob das wirklich jemand fertigbringt...
    Polizei rufen?
    (Wird sie dann nicht sofort als kriminelle Ausländerin abgeschoben? Oder gibt es da Sonderregelungen?)
    Welche Vereinigungen gibt es da noch, die - legal - helfen könnten?


    LG,
    Eva



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  4. #4
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    Hallo!

    Was Du ansprichst, berührt letztendlich die Abwägung "ärztliche Schweigepflicht" vs. "Schutz anderer Rechtsgüter".
    Grundsätzlich ist die ärztliche Schweigepflicht eine sehr wichtige Sache, da ein Patient sich zu jedem Zeitpunkt darauf verlassen muß, daß sein Arzt nur zu seinem Wohl handelt und keine Informationen an andere weitergibt; wenn ein Patient das Gefühl hat, daß er dem Arzt nicht vertrauen kann, wird er sich in manchen Situationen wohl gegen die Behandlung entscheiden und lieber keinen Arzt aufsuchen, was nicht immer gut ist.

    Zitat Zitat von Eva255
    Frage 1:
    Angenommen, ein Opfer organisierter Kriminalität (z.B. Menschenhandel) oder familiärer Gewalt (Stichwort: Ehrenmord) wird (ernsthaft verletzt) ins Krankenhaus eingeliefert.
    Klar, als erstes werden die Ärzte wohl die Polizei rufen.
    Nicht unbedingt. Falls die Polizei bereits im Spiel war, hat sich der Polizeiruf erübrigt; falls die Patientin selbständig ins Krankenhaus gekommen ist, ohne vorher Kontakt mit Polizei und Rettungsdienst Kontakt gehabt zu haben, so wäre es eine grobe Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht, ohne Wissen oder ger gegen den Willen der Patientin die Polizei zu rufen. Dies kann legitim sein, wenn dadurch z.B. ein konkretes weiteres Verbrechen verhindert werden kann, aber "einfach so" geht's nicht. Vielmehr sollte man als Arzt versuchen, die Patientin zu überzeugen, von sich aus Anzeige zu erstatten bzw. die Polizei verständigen zu lassen, und auf jeden Fall muß man der Patientin das Gefühl geben, daß ihre Behandlung unabhängig davon geschieht, wie sie sich entscheidet.


    Zitat Zitat von Eva255
    Aber was können sie noch für die Patientin tun?
    Sie vernünftig behandeln und ihr zeigen, daß ihr im Krankenhaus nichts passieren kann, sowie dafür sorgen, daß das stimmt! Weiterhin kann es sinnvoll sein, in einem vertrauensvollen Gespräch - wie oben angeeutet - über die Frage "Anzeige erstatten - ja oder nein?" zu reden.


    Zitat Zitat von Eva255
    Dürfen sie z.B. Namen und/oder Diagnose auf der Krankenakte ändern?
    Warum sollte so etwas geschehen? Niemand hat das Recht, einfach so die Krankenakte einzusehen; sollte es irgendwann, z.B. in einem Gerichtsverfahren, aber doch relevant werden, was darin steht, dann profitiert die Patientin nur dann davon, wenn wahrheitsgemäß dokumentiert ist, wann man welche Befunde bei ihr festgestellt hat. Man würde ihr sogar schaden, wenn die Akte irgendwie den Anschein erweckt, frisiert zu sein. Unabhängig vom konkreten Fall wäre aus außerdem ein Verstoß gegen ärztliche Berufspflichen, die Dokumentation derart zu manipulieren.


    Zitat Zitat von Eva255
    Dürfen sie (vermeintlichen) Angehörigen den Kontakt verweigern?
    Ja. Kontakt zur Patientin und Informationen über ihren Zustand sollte es für irgendwelche anderen (egal ob Freunde, Familie usw.) eigentlich nur mit dem (mutmaßlichen) Einverständnis der Patientin geben, und wenn z.B. der "Besuch" der Patientin nach Einschätzung des Arztes nicht schadet.


    Zitat Zitat von Eva255
    Angenommen die junge Dame ist noch minderjährig: wer ist in diesem Fall für sie zuständig?
    An sich sind immer die Eltern / Erziehungsberechtigten "zuständig" für minderjährige Patienten, d.h. insbesondere, daß sie über Aufenthaltsort und medizinische Behandlung entscheiden können. Sollten keine Eltern oder nachweislichen Erziehungsberechtigten da sein, sollte der Arzt immer zum maximalen Wohl seines Patienten handeln. Sollten die Eltern offensichtlich zum Schaden der Patientin entscheiden, womöglich aus niederen Beweggründen, kann in einem Schnellverfahren der minderjährige Patient vorläufig unter Betreuung des Jugendamtes gestellt werden, so daß die Eltern sich nicht mehr einmischen können. Dies ist ein schwerer Eingriff in die "Familie" als Institution und setzt voraus, daß die Entscheidung der Eltern in ihren Konsequenzen das Kind akut bedrohen würde.


    Zitat Zitat von Eva255
    Frage 2:
    Ein Arzt entdeckt bei einem Kind deutliche Spuren von Misshandlung (Abdruck von Gürtel bzw. Gürtelschnalle auf dem Rücken etc.).
    Darf er das Kind unter dem Vorwand einer anderen Krankheit ins Krankenhaus einweisen, um eine akute Gefährdung zu verhindern?
    Wenn der Arzt hat, daß eine akute Gefahr besteht, daß dem Kind weiterer Schaden zugefügt wird, ist jedes Mittel recht, um es zu schützen. Dies sollte aber nach Möglichkeit so diplomatisch geschehen, daß es nicht zum offenen Konflikt mit den Eltern kommt. Eine Möglichkeit ist, den Zustand des Kindes dramatischer darzustellen, als er wirklich ist, um das Kind z.B. im Krankenhaus behalten zu können, bis die Jugendamt/Polizei informiert sind und ggf. weitere Entscheidungen getroffen haben.


    Zitat Zitat von Eva255
    Frage 3:
    Es stellt sich heraus, dass sich ein Patient illegal in Deutschland aufhält.
    Sind die Ärzte verpflichtet, das der Polizei zu melden?
    Nein, im Gegenteil. Ein Arzt sollte niemals zum Schaden seines Patienten handeln. In diesem Fall kann kein weiteres Verbrechen verhindert werden, der Patient ist ja schon illegal nach Deutschland eingereist, also gibt es keinen Grund, die ärztliche Schweigepflicht zu brechen. Weiterhin hätte eine Meldung an die Polizei nur die Folge, daß bestimmte Personenkreise ihr Vertrauen in die Ärzteschaft in Praxen und Krankenhäusern verlieren und auch bei bedrohlichen Erkrankungen nicht mehr zum Arzt gehen. Als Arzt ist man aber in erster Linie dem Wohl der Patienten verpflichtet, und dann erst dem Recht.

    Ich hoffe, ein wenig geholfen zu haben.

    Grüße



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  5. #5
    gern geschehen Avatar von Kackbratze
    Mitglied seit
    05.04.2003
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    LV-426
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    Ober-Unarzt
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    Der Arzt darf das Kind einweisen, auch mit einer anderen Diagnose, muss aber dann auch parallel das Krankenhaus darüber informieren.
    Meist sind Mißhandlungszeichen so schwerwiegend, dass eine Einweisung gerechtfertigt ist. (spätestens zum Ausschluss einer Hirnblutung, ein wahrer Klassiker....)(oder halt die ICD-10 Verschlüsselung).

    Kacken ist Liebe!
    Salmonella ist Kacken!


    What have you done today to earn your place in this crowded world?



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