Liegt die ärztliche Berufserlaubnis vor, besteht kein Anspruch auf Erteilung einer Heilpraktikererlaubnis. Ein Arzt kann nicht zugleich Arzt und Heilpraktiker in einer Person sein; auch ist dem Arzt ein gemeinschaftliches Zusammenwirken mit Heilpraktikern in Form der Gemeinschaftspraxis untersagt. Das Bayerische Verwaltungsgericht München (VG München) hatte sich im Urteil vom 19. Januar 2010 (M 16 K 09.5144) – rechtskräftig – mit der Frage zu befassen, ob einer approbierten Ärztin, die in einer Gemeinschaftspraxis tätig ist, die Heilpraktikererlaubnis erteilt werden könne.
Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass die Erteilung einer Heilpraktikererlaubnis nicht erfolgen kann. Die zuständige Behörde hatte sich zu Recht auf die Grundsatzentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 2. März 1967 (1 C 52.64) bezogen, so das VG München. Durch die Ablehnung der Zulassung der Berufung mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH) vom 16. Juni 2010 (21 ZB 10.606) ist das Urteil des VG München rechtskräftig (§ 124 a Absatz 4 Satz 4 Verwaltungsgerichtsordnung –VwGO).
Aus dem Sachverhalt
Die klagende Ärztin erhielt im Februar 2005 die ärztliche Approbation. Sie ist als Ärztin in einer Gemeinschaftspraxis tätig. Im Februar 2009 beantragte sie bei der beklagten Behörde, ihr die Heilpraktikererlaubnis zu erteilen. Dies wurde im Mai 2009 mittels rechtsmittelfähigen Bescheids abgelehnt. Die Behörde führte in den Entscheidungsgründen an, dass die Ärztin kein berechtigtes Interesse an der beantragten Erlaubnis habe. Der Erteilung der Erlaubnis steht der Wortlaut des § 1 Absatz 1 Heilpraktikergesetz (HeilprG) entgegen, wonach ein Erlaubnisvorbehalt nur für Nichtärzte bestehe. Im Übrigen wurde auf bereits dazu ergangene Entscheidungen des VG München vom 27. Juni 1995 (M 16 K 94.3604) und des BayVGH vom 20. November 1996 (7 B 95.3013) verwiesen. Auch dem von der Klägerin eingelegten Widerspruch half die zuständige Regierung nicht ab. Daraufhin erhob die Klägerin Klage beim VG München und beantragte, den Bescheid der Behörde in Form des Widerspruchsbescheids der zuständigen Regierung aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihr die beantragte Heilpraktikererlaubnis zu erteilen.
Aus den Gründen
Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zwar zulässig, aber unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Heilpraktikererlaubnis nach § 1 Absatz 1 HeilprG.
Nach dieser Vorschrift bedarf der Erlaubnis, wer die Heilkunde ohne als Arzt bestallt zu sein, ausüben will. Ausübung der Heilkunde im Sinne des HeilprG ist jede berufs- oder gewerbsmäßig vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden bei Menschen, auch wenn sie im Dienste von anderen ausgeübt wird (§ 1 Absatz 2 HeilprG). Nach § 1 Absatz 2 Halbsatz 2 HeilprG führt der Erlaubnisinhaber die Bezeichnung „Heilpraktiker“. Die Klägerin als approbierte Ärztin, die ihren Arztberuf ausdrücklich weiterhin neben der avisierten Tätigkeit als Heilpraktikerin ausüben möchte, kann die beantragte Erlaubnis nicht erhalten, weil sie schon keiner Heilpraktikererlaubnis bedarf und nach der Rechtsordnung als bestallte Ärztin eine solche Erlaubnis aus Rechtsgründen auch nicht erhalten dürfte. Ein Anspruch besteht, wie der BayVGH im Urteil vom 20. November 1996 (7 B 95.3013) ausgeführt hat, bereits deshalb nicht, weil die Klägerin sie aus rechtlicher Sicht nicht benötigt, es also an der Erlaubnisbedürftigkeit fehlt, für die sie die Erlaubnis erstrebt. Die Approbation der Klägerin beinhaltet von Rechts wegen bereits alle heilkundlichen Tätigkeiten, die von § 1 Absatz 2 HeilprG umschrieben sind.
Darüber hinaus fehlt der Klägerin, wenn man in Rechnung stellt, dass die erstrebte Heilpraktikererlaubnis neben rechtlichen unbestreitbar auch faktische Vorteile etwa der Gestalt bietet, dass sie nunmehr in ihrer Eigenschaft als Heilpraktikerin insoweit nicht mehr an das berufsrechtliche Kooperationsverbot gebunden wäre und deshalb zu ihren Gunsten annimmt, dass sie grundsätzlich auch als Ärztin einer Heilpraktikererlaubnis bedürfe, das rechtliche Interesse am Erhalt einer solchen Erlaubnis. Denn es steht fest, dass sie auf Dauer nicht in der Lage sein wird, von dieser Erlaubnis Gebrauch zu machen, da diesem Gebrauch Hindernisse des ärztlichen Berufsrechts entgegenstehen, die sich schlechthin nicht ausräumen lassen. Die Tätigkeit, die die Klägerin erstrebt, nämlich eine Heilkundetätigkeit als Heilpraktikerin neben ihrer ärztlichen Tätigkeit, ist von Normen, die außerhalb des Regimes des HeilprG, nämlich in der ärztlichen Berufsordnung zu finden sind, untersagt und deshalb nicht erlaubnisfähig. Das VG München hat in seiner oben zitierten Entscheidung aus § 29 Absatz 2 Berufsordnung für die Ärzte Bayerns vom 12. Oktober 1997 (BO-Ärzte), heute § 30 BO-Ärzte, den Grundsatz der Unzulässigkeit einer Personalunion von ärztlicher Tätigkeit und Heilpraktikertätigkeit abgeleitet. Es hat insoweit ausgeführt:
Aus dem Sinn und Zweck dieses standesrechtlichen Verbots einer Kooperation von Arzt und Nichtarzt ergibt sich im Wege eines „Erst- Recht-Schlusses“, dass auch ein und dieselbe Person nicht nebeneinander als Arzt und Nichtarzt untersuchen und behandeln darf. Denn noch weniger als in den Fällen, in denen Arzt und Nichtarzt (hier konkret: Arzt und Heilpraktiker) ohne klare Trennung der Verantwortungsbereiche im Sinne von § 29 Absatz 2 BOÄrzte nebeneinander tätig werden, könnte der Patient bei einer Personalunion von Arzt und Heilpraktiker im Regelfall erkennen, in welcher Eigenschaft ihm der Behandelnde entgegentritt. Bei einer derartigen Vermengung der beiden Formen der Heilkunde in ein und derselben Person würden zudem Allgemeininteressen in der Weise berührt, die zu nicht hinnehmbaren Unzuträglichkeiten führen müssten. Beide Gesichtspunkte zusammen rechtfertigen die Feststellung, dass eine gleichzeitig berufliche Betätigung als Arzt und als Heilpraktiker miteinander unvereinbar sind; der Betroffene muss sich für die eine oder andere Ausübungsform der Heilkunde entscheiden.
Auch der BayVGH hat diese Aussage gestützt und ausgesprochen, dass ein überragendes öffentliches Interesse darin besteht, eine Vermengung der Rechts- und Pflichtenstellung des Arzt- und des Heilpraktikerberufes zu vermeiden. Es bestehe die konkrete Gefahr, dass der Patient bei einer Personalunion in der Regel nicht erkenne, in welcher Eigenschaft ihm der Behandelnde entgegentritt.
Diese Bedenken greifen auch nach Ansicht des VG München voll durch. Es ist den zitierten Entscheidungen des VG München und dem BayVGH weiterhin darin beizupflichten, dass auch die Beifügung von Nebenbestimmungen zur Erlaubnis, die eine räumliche und zeitliche Trennung der beiden Tätigkeiten zum Inhalt hätten, wie sie auch von der Klägerin angestrebt wird, die beschriebenen Gefahren nicht ausräumen könnten. Denn abgesehen von der Unkontrollierbarkeit der Einhaltung solcher Nebenbestimmungen wären dadurch die Hauptbedenken, die in der Möglichkeit schädigenden Missbrauchs der Gesetzlichen Krankenversicherung besteht, nicht auszuräumen.
Einwände
Einwände der Klägerin dagegen vermögen nicht durchzudringen. Der Hinweis der Klägerin, es gäbe Heilpraktiker, die den Titel „Dr. med.“ führen würden, und dass es in diesen Fällen noch nie zu Verwechslungsgefahren bei den Patienten gekommen sei, geht von vornherein fehl, da der Allgemeinheit und der informierten Patientenschaft bekannt ist bzw. bekannt sein muss, dass der Titel „Dr. med.“ auf den Erwerb des Doktorgrades in der Medizin, allermeist nach abgeschlossenem Studium der Medizin, hinweist, nicht jedoch auf eine umfassende Kuriererlaubnis aufgrund der Approbation als Arzt. Deshalb ist die Titelverbindung „Dr. med.“ mit der Berufsbezeichnung „Heilpraktiker“ im Gegensatz zur Kombination der Berufsbezeichnungen „Arzt und Heilpraktiker“ aus objektiver Sicht nicht irreführend.
Grundrechte
Grundrechte der Klägerin werden durch die Versagung der beantragten Erlaubnis nicht unverhältnismäßig und damit in zulässiger Weise eingeschränkt. Denn der Heilpraktikerberuf ist für die Klägerin kein im Verhältnis zu ihrem bereits ausgeübten Arztberuf anderer, neuer Beruf. Rechtsfertigungsgrund für den Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung der Klägerin bildet der legitime Zweck des § 30 BO-Ärzte, der zum Zwecke des Patientenschutzes sowie zum Zwecke der Erhaltung des Gesundheitswesens und der Gesundheitspflege (dazu beispielsweise BayVGH vom 12. März 1990, 21 B 89.01871) ein Kooperationsverbot von Arzt und Nichtarzt und folglich auch das Verbot einer Personalunion von ärztlicher und Heilpraktikertätigkeit anordnet. Dieser Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit ist angesichts der Gewichtung der in Rede stehenden Rechtsgüter, auf der einen Seite die wirtschaftlichen Interessen der Klägerin an einer Tätigkeit als Heilpraktikerin, auf der anderen Seite die überragend wichtigen Gemeinwohlbelange des Patientenschutzes sowie der Gesundheitspflege, auch verhältnismäßig. Ebenso ist der geltend gemachte Grundrechtsverstoß durch rechtswidrige Eingriffe in die Vereinigungsfreiheit gemäß Artikel 9 Absatz 1 Grundgesetz nicht festzustellen. Denn durch die Versagung der Erlaubnis als hier in Frage kommenden Eingriffsakt wird ihr nicht das Recht genommen, mit anderen im Rahmen der Heilkunde zu kooperieren. Die Erlaubnisversagung zielt nicht auf die Verhinderung einer Kooperation der Klägerin mit Heilpraktikern ab, sondern auf Verhinderung einer Vereinigung beider heilkundlichen Berufsausprägungen in ihrer Person unabhängig davon, ob sie den „neu hinzugewonnenen“ Beruf in Zukunft allein oder mit anderen auszuüben gedenkt. Es handelt sich also nicht einmal um einen mittelbaren oder faktischen Eingriff in die Vereinigungsfreiheit.
Aus europarechtlichen Bestimmungen schließlich kann die Klägerin keinen Anspruch herleiten, da diese nicht auf den Streitfall Anwendung finden. Ihm fehlt der grenzüberschreitende Bezug, der Voraussetzung für die Anwendbarkeit gemeinschaftsrechtlicher Grundfreiheiten ist (vergleiche Bay.VGH vom 20. Juni 2007, 7 B 06.1240).