Die Aussage zu deinem fehlenden Freundeskreis lässt mich etwas daran zweifeln, ob soziale Kontakte wirklich der Kern deines Problems sind.
Es klingt für mich einfach so als hättest du ein Problem mit stressigen Situationen in denen man wenig Kontrolle über die Situation hat, als bräuchtest du öfters mal eine "Rückzugsmöglichkeit". Das kann man sich IMHO problemlos einrichten. In meiner UCH-Famulatur konnte ich z.B. stets entscheiden was ich machen will, wieviel ich machen will, ob ich in die Ambulanz gehen will, ob ich in den OP gehen will, usw. Und in meinen Psychiatrie-Famulaturen hätte ich theoretisch auch den ganzen Tag im Arztzimmer sitzen können und es hätte niemanden gestört. Ich will damit nicht empfehlen, dass du das machst. Aber ich vermute, dass das Wissen, dass du das jederzeit tun könntest, die ganze Situation für dich schon deutlich entschärfen wird.
Du hast drei Monate Pflegepraktikum erfolgreich hinter dich gebracht, wo es wahrscheinlich sehr viel "unvermeidbaren" "Stress" und sehr viele "unvermeidbare" Patientenkontakte gab, also kannst du deine Famulaturen und das PJ bestimmt auch geschickt einrichten. Es gibt viele Hausarztpraxen wo man nur den halben Tag da sein muss. Es gibt Rehakliniken und psychiatrische Kliniken, in denen das Arbeitstempo ein ganz anderes ist, du ständig die Möglichkeit hast, mal "Pause" zu machen, du dich meist in Ruhe mit einem Patienten nach dem anderen auseinandersetzen kannst statt das Gefühl zu haben alles gleichzeitig machen zu müssen, usw. Und auch in der Inneren Medizin gibt es solche Möglichkeiten - ein Bekannter ist Onkologe, den hab ich mal in der Ambulanz besucht, dort ist alles extrem entspannt. Das Praktikum in der Palliativstation war noch extremer. Oder man macht das Innere-PJ eben in einer Rehaklinik. Oder, die Extremvariante, man macht das PJ in Australien, wo es in vielen Krankenhäusern überhaupt niemanden interessiert wie oft man da ist. (Und wieder: Ich will dir das nicht empfehlen, aber zu wissen dass man jederzeit weg könnte wird den Stress wahrscheinlich deutlich reduzieren.)
Die kleinen ländlichen Krankenhäuser, die runningMan empfohlen hat, kann ich auch nur empfehlen. In Unikliniken gehört es ja oft schon fast zum guten Ton dazu, dass man, selbst wenn es gar keinen Stress gibt, ständig von angeblichem Stress redet, und jeden tatsächlichen Stress viel dramatischer wirken lässt als er tatsächlich ist. In kleineren Krankenhäusern ist diese Attitüde IMHO viel seltener.
Und keine Angst, der klinische Studienabschnitt ist großteils pure Theorie. Abgesehen vom Praxissemester hatten wir nur hin und wieder kleine Häppchen an Patientenkontakt. Ansonsten ist es genau wie in der Vorklinik - man setzt sich hin und lernt Theorie. Nur dass Stoff und Klausuren meist deutlich leichter als in der Vorklinik sind
Wenn du mit deiner Wohnsituation am Studienort unzufrieden bist, dann solltest du daran mal was ändern. Wenn du mit deinem Mangel an Freunden am Studienort unzufrieden bist, dann solltest du daran ebenfalls mal was ändern. Das sind alles Dinge die du selbst verändern kannst, und die auch deine Zufriedenheit mit dem Studium stark erhöhen werden.
Und natürlich ist die Persönlichkeit eines Menschen nicht zu 100% unveränderlich. Sonst wäre ja jede Form der Psychotherapie völlig sinnlos Statt gleich mit einer negativen Einstellung ("nur oberflächliche Symptombekämpfung") an deinen Termin mit dem Psychiater ranzugehen, würde ich das also eher als Chance sehen herauszufinden welche Dinge du selbst verbessern kannst (wie z.B. Wohnsituation, Freundeskreis, Art der Famulaturen, Art der PJ-Tertiale) und wie du lernen kannst mit Situationen die dich anstrengen besser umzugehen.
Ich kenne mehrere Ärzte, die ähnlich veranlagt sind wie du - einer ist Assistenzarzt in der Neuropathologie, einer ist Oberarzt in der Onkologie, eine ist Pathologin, eine ist Assistenzärztin in der Radiologie... gibt glaube ich genug Möglichkeiten, sich das als Arzt gut einzurichten. Und zwar, und das ist ein wichtiger Punkt, meines Erachtens viel mehr Möglichkeiten als wenn man z.B. BWLer ist.
Ich glaube also, dass es genug Möglichkeiten gibt, wie du dir den Rest des Studiums angenehmer gestalten kannst, und dass du diese Möglichkeiten erst alle ausschöpfen solltest, bevor du dich zum Abbruch entscheidest.