Wenn man deinen Bericht liest, hat man das Gefühl, es ist eine selbst erfüllende Prophezeiung: Es scheint, als gehst du zum einen mit einem Schreckensszenario im Hinterkopf rein, und darauf baut sich dann ein durchgehend negatives Gefühl auf. Bei meinem ersten Dienst in der Psychiatrie hatte ich auch gehörig die Hosen voll. Das Gefühl, man sitze auf einer tickenden Bombe, gibts manchmal (Gerade wenn ein Psychotiker richtig Stimmung macht oder sich ein Borderliner versucht zu suizidieren). Was mir persönlich (dies stellt sicherlich kein Patentrezept dar) half:
1. Das Gefühl, dass das Pflegepersonal den Job schon ewig macht und auf nette Fragen bislang immer sehr nett reagierte
2. Die meisten Kunden waren schon mal da, dementsprechend lese ich immer den letzten Arztbrief, bevor ich jemanden aufnehme
3. Für Fragen, die mir zu peinlich sind, sie dem Hintergrund zu stellen und die ich nicht nachlesen kann, rufe ich entweder meinen Oberarzt auf dem Handy an (dafür gibts dann manchmal ne Flasche Wein) oder ich rufe meinen Kumpel an, der in Weiterbildung fortgeschritten ist.
4. Es erwartet niemand, dass alles tutti läuft. Manchmal ist es eben unrund, dafür gibt es den Hintergrund. Der muss ich kritischen Situationen auch valide Entscheidungen treffen, dafür wird er ja auch bezahlt. Mein Chef sagt immer "lieber einmal zu viel, als einmal zu wenig anrufen". So mache ich das dann auch. Es gibt einfach Dinge, dafür brauch ich den Telefonjoker mit 30 Jahren Psychiatrieerfahrung
5. Das Gefühl, am nächsten Tag Reklamationen zu bekommen, dass die Aufnahmen schlecht mediziert wurden oder meine Entscheidungen falsch seien, hatte ich zunächst auch. Bislang gab es keinen Rückläufer, von daher würde ich diesbezüglich einfach nach vorne schauen.
6. Als Bonus nehme ich mir nach dem Dienst gerne einen Tag überstundenfrei. Dann habe ich auch etwas, worauf ich mich freue, wenn ich durchs Haus wiesel
Kopf hoch, alles wird gut. Psychiatrie ist ein cooles Fach (und man hat immer coole Geschichten)