Uff, komplexere Geschichte, aber natürlich reizvoll für die Orthoptistin in mir
1. Warum du als Kind unterkorrigiert wurdest, ist heute Spekulation. Vielleicht hat man einen positiven Effekt auf den Aussenschielwinkel gesehen (oder gab es vielleicht sogar ein dissoziiertes Höhenschielen??), vielleicht kamst du damit besser zurecht, vielleicht hast du damals schon mit der richtigen Korrektur Konfusion/Doppelbilder angegeben. Wird man heute nicht mehr herausfinden bzw. dazu bräuchte man die alte Akte.
Dass man per se einen rein akkommodativen Strabismus unterkorrigiert und dann fälschlicherweise operiert hat, glaube ich hingegen nicht. Ist ja keine neue Erkenntnis, dass Schielkinder grundsätzlich (und schon gar vor OP) komplett auskorrigiert sein müssen. Insofern war die Abweichung nach außen wohl eher ein Übereffekt. Ob der groß genug und auffällig genug war, um eine neuerliche OP zu wagen, kann ich nicht sagen.
Interessant wäre die genaue Augenstellung heute und die Frage, welche Binokularfunktionen wirklich vorhanden sind. Dass ein Gehirn subjektiv zu fusionieren versucht, bedeutet leider noch lange nicht, dass wirklich Fusion vorhanden ist.
Sprich: Binokularsehen besteht aus Simultansehen, Fusion und erst am Ende aus Stereosehen. Manche Menschen schaffen nur Simultansehen, manche bringens bis zur Fusion und manche eben bis zum Stereosehen, also bis zur Tiefenwahrnehmung, die aber auch noch Abstufungen aufweist... Die frühere Annahme, man könne per Sehschule das Binokularsehen oder gar die Fixatoin verändern, scheint eher falsch zu sein. Jedenfalls habe ich in meiner Laufbahn keinen geschulten Patienten gesehen, bei dem die ganzen Tricks geholfen haben... und wir haben damals noch viel geschult...
2. Wenn die komplett auskorrigierte Brille Probleme macht, dann ist das komplette Auskorrigieren zum heutigen Zeitpunkt (aufgrund der Tatsache, dass das Gehirn anderweitig geprägt wurde über viele Jahre) einfach die falsche Methode. Insofern würde ich unbedingt (aber bitte in Zusammenarbeit mit einer guten Orthoptistin und nicht nur beim Optiker) dazu raten, eine linksseitig unterkorrigierte Brille anfertigen zu lassen. Der optimale Visus ist leider nicht immer auch die optimale Korrektur. Und wenn man plötzlich mit Fusionsversuchen oder gar alternierender Fixation zu kämpfen hat, dann ist das nicht wirklich erstrebenswert.
3. Monovision kann man Patienten bei Lasik etc. anbieten, sollte es aber vorher austesten. Patienten mit stark dominantem Auge werden damit nicht klarkommen. Patienten mit etwas wackligem Binokularsehen auch nicht.
Der ganze Rest kommt allerdings prima mit der einen Dioptrie Unterschied (mehr macht man in der Regel nicht) klar und büßt auch nicht nennenswert Stereofunktionen ein. Ein Problem fürs Gehirn oder für die Augen entsteht bei Menschen, die diese Art zu sehen tolerieren normalerweise nicht.
So, ich hoffe, ich habe zumindest mal einen Teil aufdröseln können. Ist schon eher komplex und nicht eben mal mit einem Zweizeiler zu beantworten...