Der Tante-Emma-Markt - Frischmarkt Wilhelm in Wittelsberg - war i.d.T. herzallerliebst und eine Quelle wahrlich denkwürdiger und anderswo schwer auftreibbarer Tropfen - leider ist er nicht mehr. Aber einige dort erstandene Weine reifen noch in meinem Fundus heran und erlauben in den nächsten Jahren noch etliche Stunden dankbaren Gedenkens.
Nebenbefundlich ist der Weihnachtswein allerdings tatsächlich in einem großflächigen SB-Warenhaus (Hypermarkt) erstanden worden.
1996er R. Lopez de Heredia Vina Gravonia, Rioja Blanco
Sehr traditioneller Wein von einem sehr traditionellen Erzeuger. Durch die lange Lagerung hat dieser Weißwein einen ins leicht rosé-artige spielenden hellen Bernsteinton angenommen. Sieht ein bisschen wie ein neumodischer "Orange-Wine" aus, hat damit jedoch nichts zu tun. Keinerlei Trübung, kein Sediment, aber durch die Reife-bedingte Nachdunklung ein etwas abgestumpfter Glanz. In der Nase sehr komplexes, doch nicht besonders intensives Bouquet von Aprikosen und etwas Zitrone mit einer irgendwie grünen Nussigkeit (gedünstete Quinoa?). Am Gaumen eine "rauhe Sanftheit" wie weiches Frottee. Deutlich vorhandene, aber zugleich etwas gebrochene Säure, keinerlei störende Bitternis. Wieder Aprikose, süße blanchierte Mandeln, nussig-vegetabile Noten mit einer ganz sachten kalten Rauchigkeit wie ein sehr milder Hojicha, angedeutete Honig-Anklänge. Irgendwie erwartet man aufgrund der Farbe und der Textur und des Stichworts Rioja auch Vanille (von der Barrique-Lagerung), aber entsprechende Aromen sind – wenn einmal vorhanden – durch die lange Reifung verflogen. Nicht besonders langer aber sehr sauberer und befriedigender Abgang. Ein überaus altmodischer Wein, der in seinem Aus-der-Zeit-Gefallensein durchaus etwas Poetisches und Kontemplatives an sich hat. So träumt ein alter, in einer Kellerecke vergessener Cognac in seinem Fass davon, wie es einmal war, eine Traube zu sein. 16/20 + 2 Extrapunkte für die unaufdringliche Vielschichtigkeit.