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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Umgang mit Anfeindungen



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nonametoo
12.12.2021, 17:58
Hallo, ich werde euch gleich mal mein aktuelles Problem schildern und sicher hat der ein oder andere so etwas ähnliches in unterschiedlichen Settings auch schon erlebt. Die Frage ist wie man mit solchen Anfeindungen / "auf-dem-kieker-haben" am besten umgeht: versuchen sachlich zu bleiben, professionell weglächeln und weitermachen oder es ansprechen auf die Gefahr hin, direkt als zickig oder überempfindlich abgestempelt zu werden und es noch schlimmer zu machen?
Zu meiner Situation: ich habe vor 3 Monaten relativ jung (mit 35) eine Stelle als Oberärztin angetreten und werde innerhalb meiner Abteilung auch bei älteren inzwischen gut akzeptiert. Das Problem sind die wöchentlichen Tumorboards. Dort sitzen nur Chefärzte und Abteilungsleiter zwischen 50 und 70 Jahren und ich bin die einzige Frau und junge Person. Die ersten Wochen hatte ich wie zu erwarten Schwierigkeiten, meine Ansichten und Interessen zu vertreten oder durchzusetzen und das ein oder andere Mal wurde auch hinterher mein Chef angerufen, ob er die Sache genauso sehe etc.. Mir ist klar, dass man sich als "Neuer" erstmal einen Stand erarbeiten muss und ich habe das als relativ normal angesehen. Letzte Woche hat es sich dann allerdings zugespitzt: die drei Herren der wichtigsten Abteilungen schienen sich von Anfang an einig, dass alles was ich tue und äußere falsch ist, selbst die reine Tatsache, Patienten vorzustellen war schon verkehrt. Speziell waren es drei Leute, die ständig alles auf teilweise absurde Weise nieder redeten, Augen rollten ect. Der Rest hat sich kaum geäußert (Pathologe, Studenten ect.) Das ganze zog sich über 1,5 Stunden so hin, ich wusste manchmal echt nicht, wie ich noch reagieren soll oder ob ich einfach gehen soll.
Ich will hier nicht jammern, würde mich aber über einen Erfahrungsaustauch über den Umgang mit ähnlichen Situationen freuen. Sollte man offensichtliche Provokationen ignorieren und möglichst professionell drüber gehen und hoffen, irgendwann akzeptiert zu werden oder Grenzen aufzeigen und diese Dinge verbalisieren, auf die Gefahr hin, noch mehr Angriffsfläche zu bieten? Welche Erfahrungen habt ihr gemacht?

Leucovorin
12.12.2021, 20:31
Es gibt die Option deinen Chef oder einen Kollegen mitzunehmen (wenn er das möchte) und so Probleme oder Umstimmigkeiten aus dem Weg zu räumen.

RussianAngel
12.12.2021, 21:56
Um ganz ehrlich zu sein: ich bin relativ emotional und gehe da viel zu schnell in Konfrontation...Irgendwie dachte ich, dass man gegenüber einem Arzt mindestens eine minimale neutrale Grundschätzung äussern sollte, aber nein, da ist manch eine Sekretärin wichtiger als einige Oberärzte...
Falsch gedacht: das einzige, was Dich wirklich weiter bringt ist diese Leute zu ignorieren, sie anzulächeln, wenn die Augen auf Dich rollen, dann rollst Du zurück und einfach mit Humor spiegeln...Sonst verlierst Du Nerven über Primaten, die nicht wissen, dass ein Mensch respektiert werden sollte, egal was...Leider in Deutschland mega ausgeprägt (aber natürlich in anderen Ländern auch) und leider in der Medizin ad absurdum...

Lächeln, Augen drehen, sich vorstellen, dass diese Herren alte Frösche sind: alles was Dich von schlechten Gedanken fernhalten kann; alles eher auf die leichte Schulter, mitlachen...Seitdem ich das mache, sind sogar die Bösesten perplex :D :D :D und ich fahre deutlich gelassener ... Aber es gibt vielleicht klar auch andere Ansätze, Du musst den Richtigen für Dich finden...Auf Konfrontation würde ich nur gehen, falls Du Dir sicher bist, dass dies keine Auswirkung auf Deine Karriere hat (was Du nie wissen kannst de facto, es sei denn das Krankenhaus ist Deins), oder wenn der Chef 100000 Prozent hinter Dir steht...Und wirklich eventuell in Konfrontation eher subtil: Verbündete suchen, lächeln, seine Interessen verfolgen :P

flopipop
13.12.2021, 11:10
die drei Herren der wichtigsten Abteilungen schienen sich von Anfang an einig, dass alles was ich tue und äußere falsch ist, selbst die reine Tatsache, Patienten vorzustellen war schon verkehrt. Speziell waren es drei Leute, die ständig alles auf teilweise absurde Weise nieder redeten, Augen rollten ect. ... Welche Erfahrungen habt ihr gemacht?

koalitionen schmieden. netzwerk aufbauen. gesetze der macht nicht vernachlässigen. hättest du in der klinik oder noch besser im raum mehrere oder zumindest einen mächtigen befürworter, hätten sich die anderen zurückgehalten. alleine gegen die gruppe um wahrheiten kämpfen ist aussichtslos.

Fr.Pelz
13.12.2021, 14:19
Ein Ohr rein, ein Ohr raus. Kennst du die 4 Ebenen der Kommunikation? Ich bin immer gut auch im Umgang mit wahrhaft schwierigen chirurgischen Oberärzten damit gefahren, nur die Sachebene zu hören. Natürlich müssen richtige Grenzüberschreitungen/Beleidigungen angesprochen werden, aber da suchst du dir wirklich vorher lieber eine Allianz.
Die werden damit wieder aufhören, wenn du dich nicht provozieren lässt und mit fachlicher Kompetenz glänzt.

RussianAngel
13.12.2021, 16:19
Ich würde so gerne schreiben: victim shaming und blaming ist so was von out, als würde man heutzutage sagen: das Fräulein hatte einen zu kurzen Rock, also ist sie schuldig für die Verge....ung. Allerdings ticken die alten Chefärzte immer noch genau so, bitte das nicht vergessen...Man muss leider im Krankenhaus mit der Hierarchie mitspielen, wenn man nicht ein wirkliches Opfer werden möchte...

Aber Emotional würde ich lieber sagen: das "Opfer" muss doch mit nichts überzeugen, schon mal gar nicht mit "fachlicher Kompetenz" (die man selbstverständlich mit fortschreitendem Alter je nachdem immer ausbaut und man nicht von einer frischen Oberärztin vollumfänglich erwarten muss)...Respekt wird bedingungslos vorausgesetzt, also basta...
Schön wäre es :-nix

facialis
13.12.2021, 18:39
lass das alpha alpha sein...meistens reagieren die chefs so, wenn sie sich in ihrem status angegriffen fühlen, das sind narzisse...also bloß nicht glauben, man wäre mit denen auf augenhöhe, das spüren die allein schon körpersprachlich bzw durch die art wie man redet und sägen so einen ab. man braucht eben breites kreuz für solche besprechungen.

alex1
14.12.2021, 11:42
Tumorboards sind eine schwierige Sache, je nachdem wer das sitzt...

Welche ist deine Disziplin? Bist du aber die einzige Vertreterin deiner Disziplin?
Ist dein Chef auch beim Tumorboard dabei? Was sagt er dazu?

Eine Idee wäre, mit einem Kolllegen, der von der anderen "akzeptiert" wird ins Board zu gehen, die Fälle mit dieser Person vorher zu besprechen. Du sprichst dann im Board (und zwar nur du) und dein Kollege kann dich unterstützen, wenn die Diskussion entartet.

Ganz wichtig bleibt: Professionell bleiben, nicht auf ein niedrigeres Niveau sich bewegen. Und natürlich darfst du und solltest du "den alten Herren" kontern, wenn sie Absurdes erzählen. Mit Daten und Fakten, Papers zitieren, usw. Damit profilierst du dich.

cartablanca
14.12.2021, 12:14
Ja das sind häufig Narzisse. Mit Narzissten ist es schwierig. Am Besten objektiv und stoisch bleiben - auch wenn es schwer fällt. Wenn es zuviel wird, muss man das Ganze auch mal melden. Narzisse haben ihre Impulse und ihr Ego nicht unter Kontrolle. Das muss von außen immer mal wieder gebremst werden. Ohne Konflikt geht es bei diesen Leuten nicht.

ehem-user-25-04-2022-1131
14.12.2021, 12:19
Narzissen ?

Christoph_A
14.12.2021, 12:28
Ich verstehe nicht ganz, warum man hier irgendwie immer den Fehler auf die TE schieben will, sie soll ruhig bleiben, sie soll sachlich bleiben, sie soll notfalls jemand "akzeptierteres" mitnehmen (was per se ja einer Kapitulation gleichkäme), Leute, so kommt man nicht weiter. Wenn jemand meint, er muß jede akademische Sachebene verlassen und einen diskreditieren, dann kann man nicht mit heiteitei antworten. Dann muß man notfalls auch zurückkeilen und den eigenen inneren Silberrücken rauskehren, anders erlangt man bei solchen Flachzangen nie Respekt. Wenn die einmal sehen, daß rote Linien nicht überschritten werden sollen, halten die sich schon dran. Manche old school chefs sehen das ja sogar als eine Art Test an und wenn da kein eindeutiges Halt kommt, fahren die mit einem Schlitten.
Kann mich da noch gut an einige Szenen erinnern, wo bei Boards dann richtig die Kuh geflogen ist, aber anders gehts manchmal nicht. Hab mir auch schon Schreiduelle Nase an Nase mit CA anderer Belegabteilungen geliefert, ist unschön, gehört aber halt auch zum Leben dazu.

cartablanca
14.12.2021, 12:39
Das hat nix mit Schuld zu tun. Der TE ist nicht schuld. Die Chefs übrigens auch nicht. Man sollte das nicht aus der Perspektive der Schuld sehen. Es geht nicht darum wer welchen Anspruch hat sondern darum was das pragmatischste Vorgehen ist, um weiter zu kommen und nicht emotional zu sehr zu leiden.
Wenn dir jemand im Winter ein quengelndes Neugeborenes in einem Korb vor die Tür setzt, klingelt und abhaut, bist du ja auch nicht schuld daran, dass es dort liegt, aber du musst trotzdem Verantwortung übernehmen.

Christoph_A
14.12.2021, 13:18
Das hat nix mit Schuld zu tun. Der TE ist nicht schuld. Die Chefs übrigens auch nicht. Man sollte das nicht aus der Perspektive der Schuld sehen. Es geht nicht darum wer welchen Anspruch hat sondern darum was das pragmatischste Vorgehen ist, um weiter zu kommen und nicht emotional zu sehr zu leiden.
Wenn dir jemand im Winter ein quengelndes Neugeborenes in einem Korb vor die Tür setzt, klingelt und abhaut, bist du ja auch nicht schuld daran, dass es dort liegt, aber du musst trotzdem Verantwortung übernehmen.

Nope, Einspruch, sollten sich die Chefs so benehmen, wie von der TE dargestellt, sind sie Schuld. Und Doppel Nope, die bisherigen Ratschläge zielten m. Mn. einfach zu sehr auf Appeasement ab. Man kann nicht immer nur Konflikten aus dem Weg gehen.

cartablanca
14.12.2021, 13:29
Nope, Einspruch, sollten sich die Chefs so benehmen, wie von der TE dargestellt, sind sie Schuld. Und Doppel Nope, die bisherigen Ratschläge zielten m. Mn. einfach zu sehr auf Appeasement ab. Man kann nicht immer nur Konflikten aus dem Weg gehen.

Ist ein Borderliner selbst schuld, wenn er sich ritzt? Wir kommen da in Bereiche, die noch nicht ganz erforscht sind. Du kannst deine Chefs nicht ändern. Die können sich vermutlich auch selbst nicht ändern. Höchstens das Erscheinungsbild. Ja es ist das Beste Konflikten aus dem Weg zu gehen. Wenn es ab und zu zuviel wird, muss man es melden. Sonst emotional davon Abstand nehmen. Ziele definieren und verfolgen. Nicht zuviel Zeit (auch gedanklich) mit diesen Leuten verbringen.

Fr.Pelz
14.12.2021, 13:31
Nope, Einspruch, sollten sich die Chefs so benehmen, wie von der TE dargestellt, sind sie Schuld. Und Doppel Nope, die bisherigen Ratschläge zielten m. Mn. einfach zu sehr auf Appeasement ab. Man kann nicht immer nur Konflikten aus dem Weg gehen.

Nein, aber wenn man sich provozieren lässt, hat man schon verloren. Man kann auch seinen Standpunkt weiter selbstbewusst vertreten, ohne zu schreien. Meiner Meinung nach ist das auch deutlich respektabler, als sich auf so ein Kindergartenniveau von gegenseitigem Beschreien runterziehen zu lassen. Und: wenn man emotional wird, macht man Fehler, sowohl auf menschlicher als auch auf fachlicher Ebene.

Christoph_A
14.12.2021, 13:36
Nein, aber wenn man sich provozieren lässt, hat man schon verloren. Man kann auch seinen Standpunkt weiter selbstbewusst vertreten, ohne zu schreien. Meiner Meinung nach ist das auch deutlich respektabler, als sich auf so ein Kindergartenniveau von gegenseitigem Beschreien runterziehen zu lassen. Und: wenn man emotional wird, macht man Fehler, sowohl auf menschlicher als auch auf fachlicher Ebene.

Sehe ich komplett anders, man kann manchen Menschen nur mit ihren Mitteln beikommen. Jedenfalls meine Erfahrung aus fast 20 Jahren "an der Front". Für "moralische" Überlegenheit kannste Dir nix kaufen. Wie sagte einst ein weiser Mann so treffend "everybodies Darling is everybodies Depp".... Lieber einmal ordentlich die Fronten geklärt als jahrelanges unterschwelliges Gemaule in jeder Besprechung anhören.

Fr.Pelz
14.12.2021, 13:44
Also mein letzter chirurgischer Chefarzt hat ziemlich viel durchgesetzt, was er haben wollte. Im Tumorboard, bei der Verwaltung, natürlich auch bei seinen Mitarbeitern, ein typisches Alphatier. Der schreit allerdings nie. Der widerspricht vehement und hört nicht auf zu argumentieren, bis er hat, was er will. Langjährige Mitarbeiter stöhnen über 2-3stündige Mitarbeitergespräche, in denen sie irgendwann einfach aufgegeben haben. Er bleibt sehr höflich dabei, der geht auch jeden Sonntag in die Kirche - und trägt diese Innere respektvolle Haltung auch in Gespräche rein. Das hat er wahrscheinlich aus irgendeinem Führungsseminar und es macht ihn natürlich auch relativ anstrengend, wenn man eben anderer Meinung ist. Aber er bekommt eben was er will und andere Chefärzte legen sich lieber mit dem Verwaltungsdirektor an als mit ihm. Da sind die Fronten also auch geklärt.

Christoph_A
14.12.2021, 13:54
3 stündige Mitarbeitergespräche in Bayern-na dann, viel Spaß dabei, da wär ich gerne Mäuschen.
Geht allerdings nicht darum, wie man Ziele erreicht, sondern wie man mit der von der TE beschriebenen Situation umgeht. Und da waren mir die Vorschläge einfach zu devot. Wie man seinen Standpunkt nun vertritt, ist ja prinzipiell egal, nur muß man ihn, siehe Dein Exchef, halt deutlich und entschlossen vertreten.
Ich bleibe dabei, wie man in den Wald ruft, kommts zurück. Und unbeantwortet anstänkern lassen, das wirds mit mir nie geben. Die Wahl der Waffen obliegt dann dem Tonfall des Gegenübers.

cartablanca
14.12.2021, 14:18
Und: wenn man emotional wird, macht man Fehler, sowohl auf menschlicher als auch auf fachlicher Ebene.

Das stimmt. Man sollte sich nicht aus dem Gleichgewicht bringen lassen. Das nämlich das was die wollen.

Leucovorin
14.12.2021, 17:13
Sehe ich komplett anders, man kann manchen Menschen nur mit ihren Mitteln beikommen. Jedenfalls meine Erfahrung aus fast 20 Jahren "an der Front". Für "moralische" Überlegenheit kannste Dir nix kaufen. Wie sagte einst ein weiser Mann so treffend "everybodies Darling is everybodies Depp".... Lieber einmal ordentlich die Fronten geklärt als jahrelanges unterschwelliges Gemaule in jeder Besprechung anhören.

Also mit dem eigenen Chef oder "wichtigen" Kollegen/Oberärzten kannst du das nicht machen, wenn du scharf auf Karriere bist bzw. als Assi scharf auf den FA.
Aber bei Leuten aus anderen Abteilungen, die eh als "schwierig" in der Klinik gelten...so what. Haben die auch nicht anders verdient.