PDA

Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Psychische Belastung in der Klinik



Seiten : [1] 2 3

MartinGraf
05.05.2024, 19:38
Hallo ihr Lieben,

Ich wollte Euch gerne um Rat bitten. Ich bin aktuell Assistenzarzt in einem mittelgrossen Haus auf der Inneren. Der Anfang auf der Inneren war holprig, aber nach fast einem Jahr kann ich sagen, dass ich mich immer besser zurecht finde.
Aktuell merke ich aber wie sehr mich meine eigene Psyche limitiert. Man muss dazu sagen, dass ich seit eines schweren Unfalls vor einigen Jahren einen PTBS habe und auch früher mal lange krank geschrieben war. Eigentlich dachte ich ich sei nach der Therapie über den Berg. Aber bei uns in der Klinkk ist die Stimmung derart schlimm im Moment, dass ich wieder extrem mit meiner Psyche zu kämpfen habe.

Mit meiner Chefin habe ich von Anfang an kein gutes Verhältnis. Sie ist extrem launisch und mystrauisch. Sie hat so ein paar Lieblinge und ein paar selektierte "Opfer" und natürlich habe ich es geschafft eines der Opfer zu werden. Versteht mich nicht falsch, es ist kein Mobbing. Es ist primär, dass sie mich anschnautzt für alles und alles was ich gut mache wird ignoriert und nie kommentiert. Manchmal lacht sie mich einfach aus und gibt mir das Gefühl gar nichts zu können.
Aktuell bin ich auf der Intensivstation und die Pflege dort ist eigentlich sehr nett. Es gibt nur ein/zwei mit denen ich gar nicht klar komme, die mir ständig auf die Finger schauen und mich in allem kritisieren.
Mit meinen Kollegen komme ich grundsätzlich gut zurecht. Ich habe zwei Kollegen, mit denen ich mich sehr gut verstehe, aber die sehe ich aktuell nicht viel.

Generell konnte ich diese Gesamtsituation biaher gut kompensieren, aber aktuell merke ich wie schrecklich belastet ich bin. Gestern habe ich auf der Arbeit fast geweint, wirke vermutlich auch maximal unausgeglichen. Ich habe Mühe damit zu sehen, dass man mir keine Fehler verzeiht und ich habe nicht das notwendige Selbstwertgefühl im Moment um das zu kompensieren.
Wenn ich nach Hause komme, schlafe und weine ich nur. Ab und zu kann ich mich aufraffen meine Familie und Freunde zu sehen. Mit ihnen rede ich manchmal darüber.


Ich habe jetzt wieder einen Termin bei meinem Psychologen ausgemacht, der ist aber erst in 2 Wochen.
Krankschreiben will ich mich aktuell nicht, ich habe das Gefühl das würde auf der Arbeit nur alle darin bestätigen, dass ich ein Taugenichts bin.
Ich habe auch schon überlegt, ob ich mit meinem Tutor (Oberarzt) bei uns darüber rede. Er kennt keine Details, weiß aber dass ich früher mal lange krank geschrieben war.
Wie sind da Eure Erfahrungen? Meint ihr das würde helfen oder treten ich da etwas los was wieder auf mich zurückfällt?
Finanziell ist reduzieren keine Option, da ich früher schon nur Teilzeit gearbeitet habe.

Ich weis, dass ich etwas unternehmen muss. Bin aber unsicher was, da ich mich leider auf der Arbeit recht alleine mit der Situation fühle.

milz
05.05.2024, 19:48
Stelle wechseln?

MartinGraf
05.05.2024, 19:52
Ich habe eine neue Stelle, aber erst ab April 2025. Für früher konnte ich nichts finden, da ich ortsgebunden bin.

rafiki
05.05.2024, 19:54
Welches Vorgehen am besten ist, hängt sehr davon ab, wo du langfristig lang willst. Karriere in der Klinik? Dieses Fach oder was anderes? Eigene Familie oder nicht? Prinzipiell klingt es nach einer Depression, die behandelt werden sollte, da die Gefahr einer Chronifizierung groß ist. Ob das ohne eine AU geht, hängt von der Schwere der Symptomatik ab. Andere Menschen kann man prinzipiell nicht ändern, sondern sich nur auf sie einstellen oder die Situation verlassen (trifft dann aber andernorts häufig auf ähnliche Probleme). Mit dem OA reden würde ich nur, wenn du ganz sicher bist, dass er integer ist. Dann kann es hilfreich sein, ansonsten auch völlig kontraproduktiv, allgemein würde ich eher davon abraten.

MartinGraf
05.05.2024, 21:40
Danke für die Antwort.
Grundsätzlich möchte ich langfristig gerne ambulant/niedergelassen arbeiten. Denke das würde einfach besser zu mir und meinem Leben passen.
Da ich aber ortsgebunden bin habe ich schon Sorge "verbrannte Erde" zu hinterlassen, zumal wenn meine Psyche das zulässt ich gerne den Facharzt für Gastroenterologie machen möchte. Meine Chefin ist gut vernetzt, denke das wird eh ein Problem wenn sie als mögliche Referenz hinzugezogen wird.
Eine lange Krankschreibung wegen "Psyche" wird bei uns im Haus vermutlich eh als Tratsch komplett zerrissen werden. Klar muss man das nicht direkt kommunizieren, aber so etwas kommt doch eh immer raus oder?

Tramaldol
05.05.2024, 22:57
Stelle wechseln?

Das wird einem hier immer geraten, sobald irgendwelche Probleme auftreten. Allerdings kann es nicht der Weißheit letzter Schluss sein. Man muss auch irgendwo mal 2-3 Jahre bleiben können und es sagt so einiges über die Weiterbildung hier aus.

Ich würde zu einer längeren Erholungsphase wegen chronischer Erschöpfung raten.
Außerdem würde ich über die Fachwahl nachdenken. Soll es wirklich Innere sein? Das Fach ist im stationären Bereich oftmals sehr frustrierend, fachspezifisch bedingt.
Innere brauch man eh für Allgemeinmedizin. Auch ein schönes Fach.

Kat.
06.05.2024, 07:20
Hallo du. Natürlich ist es total schwer Ratschläge aus der Ferne zu geben. Ich persönlich würde dir, aus meiner Erfahrung in einer psychosomatischen Reha in der ich zur Zeit nur mit Menschen arbeite die aus einer beruflichen Überlastungssituation kommen, arbeite, raten, dich krankschreiben zu lassen und deine mentale Gesundheit an erste Stelle zu stellen. Nimm dich die zwei Wochen bis zum Termin mit der Psychologin raus und besprich dann, wie es weiter geht. Das kann erstmal ein Gespräch mit dem Arbeitgeber sein oder doch die gesundheitsbedingte Kündigung. Wäre aber wohl gut sich auch vor Antritt der nächsten Stelle um dich zu kümmern, nicht, dass das da dann wieder ähnlich läuft. Liebe Grüße und viel Kraft!

StuartProwerFaktor
06.05.2024, 13:04
Im Grunde gibt es mMn nach 2 wesentliche Punkte.

1) Du machst Innere und bist scheinbar der Sprache mächtig. Ergo wirst du immer eine Arbeit bekommen, fast egal wo. Und die wird auch immer relativ adäquat bezahlt sein. Wenn du dich also fragst, "was kann schlimmstenfalls passieren, wenn..." würde ich sagen "nicht viel".
2) Meiner Meinung nach, sollte man Arbeit primär nur als Arbeit sehen. Das Problem fängt da an, wo man glaubt, dass Probleme außerhalb von einem selbst liegen. Ob jemand auf der Arbeit mit dir nicht klar kommt ist völlig egal - die allermeisten Leute kannst du einfach ignorieren und mit Leuten die mit sich selbst nicht klar kommen (nicht wenige im Gesundheitswesen) kann man selbst auch nicht klar kommen. Klar OA und CA sowie ärztliche Kollegen muss man schon schauen, gerade wenn man etwas handwerklich erlenen will, aber wie du schreibst soll der Stellenwechsel ja erfolgen.
Oder um es mal anders zu formulieren, eine gesunde "Egaleinstellung" kann man lernen, ist aber nicht leicht.

Tramaldol
07.05.2024, 00:33
Naja. Sehr frustrierend.
Also quasi Medikation mit Venlafaxin und Olanzapin. Danach ist einem einiges egal.

Shade
08.05.2024, 12:09
Lieber Martin, erstmal vielen Dank für deine ehrlichen Worte, ist sicher nicht leicht, darüber zu sprechen. Ratschläge wurden dir ja schon viele gegeben. Nur das zu deiner Info: als Assistenzärztin am Ende der Ausbildung weiss ich, dass du sicher nicht der einzige bist. Gerade bist du in einer Phase deiner Ausbildung, die oft beängstigend sein kann: du hast "schon" genug Berufserfahrung, als dass mit "Ich bin ja Anfänger" nichts mehr entschuldigt werden kann, gleichzeitig ist ein Jahr noch wirklich nicht viel, um souverän mit allem umgehen zu können. In den nächsten Jahren wird sich dein Wissen, social skills und Erfahrung noch extrem steigern. Zusätzlich bist du jetzt noch auf die Intensiv rotiert, wahrscheinlich eine der schwierigsten Stationen deiner Ausbildung, mit oft sehr viel traurigen/frustranen Patientengeschichten, überfordernden Situationen, vielen neuen Infos etc. In dieser Phase - gerade wenn man psychisch eher fragil ist - Depressionen zu entwickeln, ist nicht ungewöhnlich.
Wahrscheinlich reden Kolleginnen über solche Themen öfter untereinander als männliche Kollegen, so dass du vielleicht das Gefühl hast, dass du der einzige seist. Ich habe schon oft Kolleginnen (meist hinter verschlossenen Türen) weinen sehen und kenne selbst solche Phasen, also du bist wirklich nicht allein.

Als allererste Massnahme würde ich auch empfehlen, dich 2-3 Wochen vom Hausarzt krank schreiben zu lassen, kannst dir ja für die KollegInnen auch eine Ausrede (kleiner Bandscheibenvorfall, Harnwegsinfekt, umgeknickt, whatever) parat legen. Das wird dir erstmal eine kleine Pause geben, um etwas Abstand zu gewinnen und die weiteren Schritte (z.B. Wechsel auf weniger anspruchsvolle Station, Reduzierung des Arbeitspensums, frühere Kündigung um wenigstens einige Monate vor der nächsten Stelle frei zu haben, psychologische Anbindung wie schon geplant) zu planen.

Hoffe, das hilft etwas.

Trenn
08.05.2024, 19:45
Facharzt Innere interventionell ambulant ist auch nicht ganz ohne. Man muss schnell und sicher in der Diagnostik sein, und das lernt man hauptsächlich in der Klinik. Ich sehe jetzt, dass einige der Altassistenten, die ich aus dem PJ kenne, sich mittlerweile als Gastroenterologen nieder lassen (gut, hier ist auch Ballungsgebiet und ein Sitz schwieriger zu bekommen) und mein PJ ist auch schon 10 Jahre her. Spricht nach dem Facharzt kommen 2-3 Jahre Spezialisierung und dann nochmal paar Jahre OA, wo man erst richtig viel Funktion macht, damit man gut genug ist, um das Arbeitspensum eines niedergelassenen effektiv durch zu kriegen. Vielleicht ist es in nicht Ballungsgebieten anders, man wird mehr angeleitet, wird auch in Praxen weitergebildet, aber grundsätzlich muss man sich schon die Frage stellen, ob man dem allen gewachsen ist. Ich konnte während den 24h Diensten nie gut abschalten, deswegen wäre OA mit Hintergrund für ne ganze Woche nix für mich gewesen.

Nilani
09.05.2024, 09:06
Als allererste Massnahme würde ich auch empfehlen, dich 2-3 Wochen vom Hausarzt krank schreiben zu lassen, kannst dir ja für die KollegInnen auch eine Ausrede (kleiner Bandscheibenvorfall, Harnwegsinfekt, umgeknickt, whatever) parat legen. Das wird dir erstmal eine kleine Pause geben, um etwas Abstand zu gewinnen und die weiteren Schritte (z.B. Wechsel auf weniger anspruchsvolle Station, Reduzierung des Arbeitspensums, frühere Kündigung um wenigstens einige Monate vor der nächsten Stelle frei zu haben, psychologische Anbindung wie schon geplant) zu planen.

Hoffe, das hilft etwas.

Den ersten Satz kann ich nur unterstreichen, nimm dir eine Auszeit und lass dich erstmal krankschreiben. Aber es geht niemanden was an, warum du AU bist, da muss man sich auch keine "Ausrede" einfallen lassen und eigentlich sollte auch niemand erfahren, dass man "wegen der Psyche" krank ist, was ja auch deine Sorge war. Gut, bisher hatte ich gutes Verhältnis zu meinen Oberärzten, wenn ich ausfalle, wissen sie auch meist, warum. Aber es ist nicht erforderlich. Unser Chef ist manchmal ziemlich frustriert, wenn er bei einigem (nichtärztlichen) Personal nicht erfährt, warum, aber es geht ihn schlicht und einfach nichts an und auf der AU für den AG steht keine Diagnose. Aber ja, das ist schwer, insbesondere nochmal für unsere Berufsgruppe. Da muss man wohl auch lernen, sich abzugrenzen und die schon erwähnte "sch...egal Mentalität" entwickeln.

Tramaldol
09.05.2024, 12:31
Klar niemanden geht es etwas an, auf der anderen Seite steht das Interesse an Kollegen. Es gilt als unmenschlich und unhöflich sich nach oder sogar während einer Erkrankung nicht für den anderen Kollegen zu interessieren. Wenn ein Kollege von einem auf den anderen Tag nicht mehr kommt und das mehr als > 2 Wochen, fragen sich alle was denn los sei.

Momentan sind F-Diagnosen immer noch stigmatisierend, obwohl relativ weit gesellschaftlich verbreitet. Ein Paradox.

Wenn jemand innerhalb von 2-3 Jahren wirklich >30 Krankheitstage hat, wird man individuell abwägen, ob so jemand zu der Arbeit passt. Die Kollegen dürfen ja die Arbeit übernehmen bzw. wird insgesammt weniger geschafft zum Teil bei vollen Bezügen.
Kein Unternehmen oder Abteilung kann sich ausschließlich Leute leisten, die kaum zur Arbeit erscheinen auf die Dauer.

Auch Beamte werden zum Amtsarzt geschickt um zu schauen ob sie arbeitsfähig sind. Da hört man dann von jahrelangen Versuchen mit immer wieder kehrenden Erkrankungen. Wenn eine Erkrankung, egal ob F-Diagnose, einen plagt und man nicht regelmäßig mehr arbeiten kann trotz 1 Jahr und mehr Auszeit, Tabletten, Reha, Physio, Psychotherapie und Co, dann ist es (leider!) so.

JumpRopeQueen
09.05.2024, 14:08
Ich frag mal hier, da es inhaltlich zum Thema passt:

Stimmt es, dass wenn man sich wegen einer F-Diagnose krankschreiben lässt, es in Zukunft schwieriger wird in eine private Krankenversicherung zu wechseln?

Bonnerin
09.05.2024, 14:54
Ich frag mal hier, da es inhaltlich zum Thema passt:

Stimmt es, dass wenn man sich wegen einer F-Diagnose krankschreiben lässt, es in Zukunft schwieriger wird in eine private Krankenversicherung zu wechseln?

Die meisten privaten Krankenversicherungen und Berufsunfähigkeitsversicherungen fragen definitiv ab, ob psychische Erkrankungen in einem definierten Zeitraum (von den letzten drei Jahren bis teilweise open end) vorlagen. Wenn man da "ja" angeben muss, wird es entweder sehr teuer (Risikozuschlag), der Bereich wird aus der Versicherung ausgenommen oder man bekommt eine Absage.

MellowMed
11.05.2024, 07:31
Entscheidend ist die Frage was du willst. Wenn du das nicht weißt, wird es kompliziert.

Die Arbeitsbedingungen in der Inneren sind schlecht. Das Problem ist primär systemisch und erst sekundär den Vorgesetzten geschuldet, weshalb ein Stellenwechsel ein hohes Risiko hat dass es genauso scheiße wird, ein kleines Risiko dass es sogar schlechter wird und nur eine kleine Chance bietet dass es besser wird.

Bedenke Innere heißt immer Spezialisierung und dann entweder Klinikkarriere (also es bleibt grob wie es ist aktuell nur besser bezahlt) oder man kann nach durchschnittlich 15 jahren (!) als junger OA in die niederlassung, selbständig nur bei Zahlung mittlerer 6stelliger Beträge, sprich mit dem Druck zu arbeiten wie blöd weil es sich sonst wirtschaftlich nicht lohnt.

Ich will es nicht schlecht reden, kenne Kolleg*innen die machen das gerne. Es ist nur ein recht exotischer Berufsweg den man auch machen wollen sollte. Wenn man da schon früh zweifelt würde ich empfehlen frühzeitig abzuspringen.

Longstoryshort: Wenn du unbedingt Innere machen willst, wird es hart, arbeite mit AUs, ignorier die kollegen und arschbacken zusammenkneifen. Aufgrund deiner Konstitution aber hohes Risiko für chronifzierte psychische Erkrankung mit bleibender funktionseinschränkung (als ausgeburnter Internist reicht es auch nicht mehr immer zum erfolgreichen hausarzt/Mikrobiologie/Radiologen).
Falls du an der Inneren auch nur ein wenig zweifelst, such dir was anderes!

MartinGraf
11.05.2024, 21:44
Danke für Eure Antworten und Ratschläge.
Ich bin jetzt mal bis nach Pfingsten krankgeschrieben und versuche etwas zur Ruhe zu kommen.
Unsere Sekretärin hat schon gefragt was ich habe. Ich habe ihr gesagt, dass ich das nicht sagen möchte. Kam glaube ich etwas pampig rüber, aber besser ging es in dem Moment irgendwie nicht. Stand eh schon unter Strom.
Ich hoffe ich kann mit meinem Psychologen meine Gedanken etwas besser ordnen und schauen wie ich weiter mache. Aktuell habe ich das Gefühl total in einer Sackgasse zu stecken.

Eigentlich mag ich die Innere Medizin und es interessiert mich auch kein anderes Fach so sehr. Ich habe aber schon länger daran gedacht mich vielleicht mal ganz weg vom klassischen Internisten zu orientieren. Aber ich finde es schwierig da irgendwie Anregungen zu finden, da die meisten halt schon in der Klinik oder in der Praxis arbeiten und man sich folglich kaum mit jemandem austauschen kann. Pharma möchte ich nicht und bei Versicherungen sehe ich mich auch nicht. Und eigentlich mag ich den Patientenkontakt sehr. Ich habe selten diesbezüglich wegen meiner Psyche eine Überbelastung. Es ist primär wirklich das "Drumherum".
Ich würde auch behaupten, dass ich grundsätzlich gut mit Menschen kann. Aber irgendwie bin ich schnell mal das Ego Opfer von irgendjemandem und wenn ich mich dann wehre rümpfen sie die Nase. Und dazu noch meine Chefin, die mich offenkundig nicht mag. Ich finde es sehr schwierig in so einem Umfeld zu arbeiten wenn man eh schon viele Probleme mit sich selbst hat.

Ich weis gerade einfach nicht mal, ob ich überhaupt ein guter Arzt bin oder werden kann. Ich habe das Gefühl alle um mich herum machen es besser und wissen mehr. Und die, die offensichtlich nichts können, können es besser überspielen. Und ich kann beides nicht und falle einfach durch.

Zilia
12.05.2024, 02:22
Es gibt ja noch berufliche Alternativen mit Patientenkontakt wie Reha-Klinik oder Psychosomatik. Kenne Internisten, die heute in der Arbeitsmedizin, Transfusionsmedizin oder Hygiene tätig sind. Mit der PTBS bist Du halt vorbelastet im „normalen“ Klinikbetrieb, der auch vorher völlig psychisch Gesunde ziemlich fertig machen kann. Darauf musst Du um Deiner Selbst Willen Rücksicht nehmen.

Tramaldol
12.05.2024, 12:35
Bedenke Innere heißt immer Spezialisierung und dann entweder Klinikkarriere (also es bleibt grob wie es ist aktuell nur besser bezahlt) oder man kann nach durchschnittlich 15 jahren (!) als junger OA in die niederlassung, selbständig nur bei Zahlung mittlerer 6stelliger Beträge, sprich mit dem Druck zu arbeiten wie blöd weil es sich sonst wirtschaftlich nicht lohnt.

Ich will es nicht schlecht reden, kenne Kolleg*innen die machen das gerne. Es ist nur ein recht exotischer Berufsweg den man auch machen wollen sollte. Wenn man da schon früh zweifelt würde ich empfehlen frühzeitig abzuspringen.

Longstoryshort: Wenn du unbedingt Innere machen willst, wird es hart, arbeite mit AUs, ignorier die kollegen und arschbacken zusammenkneifen. Aufgrund deiner Konstitution aber hohes Risiko für chronifzierte psychische Erkrankung mit bleibender funktionseinschränkung (als ausgeburnter Internist reicht es auch nicht mehr immer zum erfolgreichen hausarzt/Mikrobiologie/Radiologen).
Falls du an der Inneren auch nur ein wenig zweifelst, such dir was anderes!

Also so ist das auch nicht. Man kann entweder mit oder auch ohne Spezialisierung ziemlich schnell im ambulanten Bereich verschwinden. Oberarzt werden? Wozu?
Man macht den Innere FA und geht dann Angestellt in ein MVZ oder falls sich was findet eigene Praxis.
Oder man macht Innere FA plus Spezialisierung und lässt sich dann im MVZ anstellen oder gründet, sofern möglich und gewollt, was eigenes.
Ewig in der Klinik rumhängen mit Wochenenden, 24h Betrieb: Wenig attraktiv.

Ob man das Fach Innere mag, ist eine persönliche Entscheidung. Kann auch nur abraten. Stundenlange unproduktive Visiten mit Leuten, die im Elfenbeinturm oder auf dem Mond leben, miese Arbeitsbedingungen, oft kann man nur bedingt helfen.

Trenn
12.05.2024, 12:57
Internistische Sitze sind rar. Es gibt Neu-Zulassungsbeschränkungen für Kardiologie und Gastro. Man kann erst ab dem Zeitpunkt des Facharztes auf die Warteliste der KV. Abgeber können daher höhere Summen als Abschlag verlangen.
Man kriegt als Internist viele apparative Untersuchungen seperat vergütet. Schaffe ich statt 10 Kolos 15 Kolos am Tag, habe ich einen höheren Umsatz (die Wartezeiten auf Kolos sind immens, d.h. Patienten hat man immer). Damit man schnell arbeiten kann, braucht es Erfahrung und Übung. Und die gibt es vor allem, wenn man als OA in der Klinik den ganzen Tag endoskopiert und abends als Hintergrund rein kommt. Wenn man in der Spezialisierung schon viel endoskopieren kann, hat man Glück (wahrscheinlich früher häufiger als jetzt). Die meisten FA Innere wurden erstmal auf Station verheizt (wenn man fertig wurde, durfte man noch ein bisschen Interventionen machen). Später als Neu-OA mit dem Gastroenterologen waren sie auch noch nicht so schnell und sicher beim endoskopieren. Das kam erst mit der Zeit.
Ob ein MVZ einen Gastroenterologen ohne viel Endoskopier-Erfahrung viel zahlen wird, kann ich mir auch nicht vorstellen. Man hat halt viel Konkurrenz und so eine schlechtere Verhandlungsposition.