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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Passive Sterbehilfe auf Intensivstation?



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ehemalige Userin 24092013
14.11.2010, 17:25
Naja Tubus oder Trachkanülen sind ja Dinge, die die Atemwegswiderstände (Gasfluss, Tubus, Druckdifferenz) erhöhen. Macht bei einer kontrollierten Beatmung nix, wird aber in der Spontanatmung relevant, weil mehr Atemarbeit durch den erhöhten Widerstand.

Neuere Beatmungsgeräte haben dann eine ATC (automatische Tubuskompensation) bei der dann der Atemwegsdruck in der Inspiration angehoben und in der Expiration abgesenkt wird. Das Ganze soll dem Patienten dann das Gefühl geben, als würde er ganz normal und ohne Schnorchel atmen.

Also eine (für mich) sehr elegante Lösung den Patienten am Tubus komfortabel spontan atmen zu lassen...ob sterbend oder grad in der Weaningphase. Der abgeschnittene Tubus erscheint mir wirklich mittelalterlich.

Übrings hat net jeder Respirator ne integrierte ATC - Narkosegeräte haben diese Zusatzfunktion ehr nicht.

Hellequin
14.11.2010, 17:52
In dem Fall glaube ich eher nicht, das es irgendeine Relevanz hat ob man den Tubus kürzt, ihn beläßt oder gleich ganz extubiert. So we sich der Befund der cerebralen Bildgebung liest ist die Wahrscheinlichkeit das der Pat zu diesem Zeitpunkt noch spontan atmet vermutlich eher gering.

THawk
14.11.2010, 17:57
Ah, interessant. Hatte ich noch nie gehört. Danke!

Rico
14.11.2010, 17:59
@ Rico: bei den Tuben die ich kenne (Firma Rü***) endet die Cuffstrippe so ungefähr auf Lippenhöhe, viel tiefer würde ich den Tubus eh net abschneiden wollen, sonst gibts am Ende noch n HNO Konsil....:-nixDa der Patient ja auf ITS liegt wird sich da doch hoffentlich einer finden, der ein Bronchoskop bedienen kann...

Hab zum Tubuskürzen (dessen Intention ich nun erfasst habe, was aber bei uns nicht usus ist... wie haben auch Tubuskompensation.... ;-)) mal ein bisserl gegoogelt und bin in einschlägigen Foren darauf gestossen, dass einige argumentieren, dass das generell nicht erlaubt sei, denn man verändert damit ein Medizinprodukt baulich und damit müßte es wieder neu zugelassen werden. :-nix Aber keine Ahnung, was die Juristen dazu sagen würden...

Wenn ich wissen will ob der Patient triggert, dann kann man doch echt erstmal CPAP machen. :-dafür

ehemalige Userin 24092013
14.11.2010, 18:13
@ Rico: mit den IPSen ist es manchmal komisch....es kommt wirklich vor, dass kein Bronchoskop bedient werden kann, bzw die die es könnten grad keinen Dienst haben. Aber das ist grad n völlig anderes Thema (ebenso wie IPSen ohne eigenes BGA Gerät, oder so merkwürdige Dinger...)


Wir sind uns wenigstens einig: Tubuskompensation ist besser als das Verändern eines Medproduktes.;-9

Rico
14.11.2010, 18:53
@ Rico: mit den IPSen ist es manchmal komisch....es kommt wirklich vor, dass kein Bronchoskop bedient werden kann, bzw die die es könnten grad keinen Dienst haben. Aber das ist grad n völlig anderes Thema (ebenso wie IPSen ohne eigenes BGA Gerät, oder so merkwürdige Dinger...)Dann würde ich als Chef eine Dienstanweisung herausgeben:
"Wer Tuben abschneidet muss auch bronchoskopieren können" :-D

Aber wir driften ab, viel interessanter sind doch zwei Fragen:
@ Snoopie: Was is nun mit der Patientin geworden?
@ medimatze: Wie is Eure Philisophie zum Tubuskürzen? Gibt's noch Vorteile, die wir bisher übersehen haben?

Sebastian1
14.11.2010, 18:57
Ich hab das Tubuskürzen zum letzten Mal vor einigen Jahren gesehen, da waren genau die hier bereits angeführten Argumente Hintergrund. Anderes als Herabsetzung von Totraum und Atemwegswiderstand fiele mir da auch nicht mehr ein.
Zu dem besagten Fall ist, denke ich, alles gesagt - erloschene Hirnstammreflexe, Nulllinien-EEG, Einklemmung - NSE würde ich persönlich da nicht mehr haben wollen. Wird eh hoch dreistellig ausfallen, vermute ich.

Rico
14.11.2010, 19:04
NSE würde ich persönlich da nicht mehr haben wollen. Wird eh hoch dreistellig ausfallen, vermute ich.Die wäre ja auch früher (ab 24h nach Rea) fällig gewesen, als man das Ausmass noch nicht kannte; das CT ist ja erst nach drei Tagen gelaufen...

Relaxometrie
14.11.2010, 19:05
NSE würde ich persönlich da nicht mehr haben wollen. Wird eh hoch dreistellig ausfallen, vermute ich.
Theoretisch weiß ich, was NSE ist. Aber aus der Praxis kenne ich den Wert nicht. Wird dieser Parameter häufig eingesetzt? Wenn ja, in welchen Konstellationen und mit welchen Folgen/bzw. kann der Wert eventuell sogar ein Argument für einen Therpieabbruch sein?

Sebastian1
14.11.2010, 19:11
NSE = neuronenspezifische Enolase. Wird nach Reanimationen mit unklarer Hypoxiezeit eingesetzt, Referenzwert ist bei uns <16 ng/mL. Bei deutlich erhöhten Werten korrelliert das ganz gut mit diffus-hypoxischen Hirnschäden. (aus eigener Erfahrung, habe dazu keine Studien gelesen)

Relaxometrie
14.11.2010, 19:17
Aber eine massiv erhöhte NSE ist wahrscheinlich nur ein Baustein der Gesamtentscheidung für einen Therapieabbruch? Oder hat der NSE-Wert sogar überhaupt keine therapeutische Relevanz, weil eh die Klinik führend ist?

Sebastian1
14.11.2010, 19:24
Ja, kann man so sagen. Meist ergibt sich da ja ein Bild aus unklarer Hypoxiezeit, Klinik, Bildgebung. Andere Parameter wie NSE oder ICP augmentieren dann oft nur das, was man eh schon vermutet. Aber auch andersrum: Ich hatte in der vergangenen Woche als NA eine Rea, die direkt kompetente Ersthilfe bekommen hat, nach 20 Minuten ROSC erzielt werden konnte, Hypothermie eingeleitet, darunter dann noch analgosediert geblieben. Da lässt die NSE von <30 zZt noch hoffen, dass es ohne allzu grossen neurologischen Schaden einhergegangen sein könnte.

Rico
14.11.2010, 19:29
Theoretisch weiß ich, was NSE ist. Aber aus der Praxis kenne ich den Wert nicht. Die Neuronenspezifische Enolase kommt we der Name nahelegt in Neuronen vor (und in kleinzelligen Bronchialkarzinomen ;-)). Deshalb kann man sie wie das "Troponin des Gehirns" verwenden, werden viele Neuronen geschädigt und gehen zu Grunde, z.b. im Rahmen einer Hypoxie bei Kreislaufstillstand, dann steigt der Wert an.

Wird dieser Parameter häufig eingesetzt? Kriegen bei uns alle Patienten, die extern reanimiert worden sind und mit unklaren Liegezeiten vor Beginn der Rea (und die die Rea primär überlebt haben - logisch).

Wenn ja, in welchen Konstellationen und mit welchen Folgen/bzw. kann der Wert eventuell sogar ein Argument für einen Therpieabbruch sein?Es gibt zwei Cut-off-Punkte, die ich genau nicht mehr im Kopf habe, ab dem niedrigeren (ich glaube bei > 25) ist eine hypoxische Hirnschädigung zunehmend wahrscheinlich, beim höheren (>60) eine schwere zu vermuten.
Wichtig finde ich, dass der Wert nur ein Baustein ist, Klinik und Bildgebung müssen natürlich passen, deshalb wir NUR auf den Wert keine Entscheidungen fällen. Da man ihn aber schon früh (nach 24-48h) hat, teilweise bevor sich das volle Ausmass einer Schädigung in der Bildgebung zeigt, kann man z.b. bei einem sehr hohen Wert schonmal die Angehörigen auf moll stimmen und eben aufpassen, dass man nicht zuviel Optimismus weckt.

Evil
14.11.2010, 21:07
Versteh mich net falsch Evil, ich gehöre mit Sicherheit net zu den besonders "spürsamen", Aromasterbepflege-, Hokospukusschwestern aber ich hab doch schon den ein oder anderen Patienten auf ner ITS abtreten sehen und das kann manchmal in ein - doch längeranhaltendes - Rumgeröchel (nenns wie Du möchtest) ausarten. Und ich weiss net, ob ein halb am Kehlkopf hängender Kunsstoffpinüppel (wir reden hier von abgeschnibbelt und durch die Einatmung tiefer eingezogen) das ganze Gesterbe so viel "angenehmer" macht.
Ok, wenn das Dingen soweit reinrutscht, das ein spontanatmender Patient dadurch belastet wird, ist das nicht ok, da hast Du recht. Von Spontanatmung bin ich aber in dem Fall nicht mehr ausgegangen, und das Ganze durch stümperhaftes Herumfummeln überhaupt erst herbeizuführen, halte ich für eine ziemliche Sauerei.
Zudem denke ich, daß sich das Dingen mit Laryngoskop und Magill-Zange auch ohne HNOler entfernen ließe. Der Urheber bekäme dann trotzdem einen fetten Einlauf von mir ;-)

War nicht persönlich gemeint, Kaddel, aber nachdem, was ich schon auf der Onko gesehen habe, reagier ich relativ heftig, wenn Patienten in Palliativsituationen noch unnötig traktiert werden, sorry :-)

Hypnos
14.11.2010, 21:21
War nicht persönlich gemeint, Kaddel, aber nachdem, was ich schon auf der Onko gesehen habe, reagier ich relativ heftig, wenn Patienten in Palliativsituationen noch unnötig traktiert werden, sorry :-)

Mit Chemotherapien lässt sich eben trefflich Geld verdienen! Und mit Onkologen habe ich auch so meine Probleme... (nicht mit allen, aber doch mit einigen).

Wenn man sich dann noch vor Augen führt, daß eine Chemotherapie, um einen biologischen Nutzen haben zu KÖNNEN, mindestens noch 6 Wochen life-time erfordert, kann man UNGEFÄHR ermessen, a) wieviel Kohle hier zum Fenster rausgeschmissen wird und b) wieviel Leid man dem Sterbenden noch zusätzlich antut...:-meinung

Rico
14.11.2010, 21:53
Wenn man sich dann noch vor Augen führt, daß eine Chemotherapie, um einen biologischen Nutzen haben zu KÖNNEN, mindestens noch 6 Wochen life-time erfordert, Wie definierst Du denn "biologischen Nutzen", woher kommen die 6 Wochen und wieso gelten die pauschal für alle Chemotherapeutika und maligne Erkrankungen?
Ich denke hier spontan z.B. an akute Leukämien, bei denen die CTx auf Intensiv erfolgt und ich mit dem Fasturtec in der Hand danebenstehe bei drohender Tumorlyse - das sind ja nicht manchmal nichtmal 6 Stunden bis zum Eintritt des biologischen Nutzens.

Janny
14.11.2010, 22:04
Mit Chemotherapien lässt sich eben trefflich Geld verdienen! Und mit Onkologen habe ich auch so meine Probleme... (nicht mit allen, aber doch mit einigen).

Wenn man sich dann noch vor Augen führt, daß eine Chemotherapie, um einen biologischen Nutzen haben zu KÖNNEN, mindestens noch 6 Wochen life-time erfordert, kann man UNGEFÄHR ermessen, a) wieviel Kohle hier zum Fenster rausgeschmissen wird und b) wieviel Leid man dem Sterbenden noch zusätzlich antut...:-meinung

:-meinung. Hab ich leider auch schon viel zu häufig gesehen. :-( Zu den genauen Zahlen kann ich allerdings nichts sagen, nur dazu, dass der ein oder andere besser auf einer Palliativstation aufgehoben wäre als auf der Onkologie :-nix

Aber zurück zum ursprünglichen Thema:
Würde mich auch interessieren, was mit der Patientin wurde. Wenn ich das richtig im Kopf habe, dann konnte keine Hirntoddiagnostik eingeleitet werden, weil der Midazolamspiegel zu hoch war? Meine Information hierzu war eigentlich, dass hier eine Antagonisierung möglich wäre und anschließende Diagnostik!
Und wenn der Hirntod festgestellt ist, dann erübrigt sich ja die Frage mit dem Therapieabbruch weil tot???

Sebastian1
14.11.2010, 22:08
daß eine Chemotherapie, um einen biologischen Nutzen haben zu KÖNNEN, mindestens noch 6 Wochen life-time erfordert

Ohne jetzt viel Ahnung von Onkologie zu haben - wie kommen denn die angesprochenen 6 Wochen zustande und was ist dann der Nutzen? Und für welche Entitäten gilt das?

Flemingulus
15.11.2010, 15:33
Ich denke hier spontan z.B. an akute Leukämien, bei denen die CTx auf Intensiv erfolgt und ich mit dem Fasturtec in der Hand danebenstehe bei drohender Tumorlyse - das sind ja nicht manchmal nichtmal 6 Stunden bis zum Eintritt des biologischen Nutzens.

Das ist jetzt ja eine mehr semantische Diskussion und an den 6 Wochen wollen wir uns sicher auch nicht allzu strikt aufhängen - aber nur zur Nomenklatur: die evtl. innerhalb von Stunden zu beobachtende Tumorlyse ist die biologische Wirkung, demgegenüber ist der Nutzen ("biologisch" kann man da aber ruhig weglassen) die Lebensverlängerung oder die Besserung der Lebensqualität und beide denkbaren "Nutzeffekte" hinken der biologischen Wirkung naturgemäß hinterher - ob jetzt um Wochen oder um Tage ist aber eher ein Streit um des Kaisers Bart. :-)

Keenacat
15.11.2010, 15:45
...zumal hier ja eine terminale Situation diskutiert wird - da noch ein Tumorlysesyndrom zu induzieren wäre sicherlich das genaue Gegenteil von "Nutzen" im Sinne von Lebensqualität. :-)) Da tritt dann sozusagen der Nutzen überhaupt nicht mehr ein.
Lebensverlängerung ist ja in so einer Situation in der Regel schon vom Tisch.

Generell muss man im Blick haben, wie Nutzen und Schaden sich die Waage halten, und die meisten radikaleren Chemotherapieregime sind in der Palliativsituation raus. Dann lieber nochmal bestrahlen, Debulking oder Kortison, wenn der Tumor denn wirklich Probleme macht, die mit Volumenreduktion gelöst werden könnten.