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Aktive Benutzer in diesem Thema

  1. #41
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    So!
    Nach ausführlicher Anmase habe ich nun folgendes erfahren.

    Patient leidet seit rund zwei Jahren an Panikattacken und nimmt deshalb dauerhaft Bromazepam 1,5 mg morgens und abends. Daraufhin wurden die Panikattacken besser. Er bekommt dies vom Hausarzt.

    Wenn er die Dosis nach oben setzt, dann hat er auch wieder Appetit. Dies möchte er aber nicht machen um nicht in einen Kreisel zu geraten.

    Er kann sich aber auch nicht vorstellen, dass die Einnahme von Bromazepam auf Dauer eine solche Gewichtsabnahme hervorrufen kann.

    Ansonsten werden keine Medikamente genommen. Auch der Test auf andere Drogen war negativ.

    Der Patient geht normal seinem Beruf nach.



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  2. #42
    The Dark Enemy Avatar von morgoth
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    Ich denke, du hast es mit einem psychisch (bzw. tatsächlich psychosomatisch) relevant und ernsthafter erkrankten Patienten zu tun.

    Klar, ich habe als entsprechender Facharzt beim Lesen auch immer meine Psychobrille auf; trotzdem sind jetzt schon einige red flags zusammengekommen.
    Kalorienzählen, eigenanamnestische Angabe von Panikattacken, BZD-Dauertherapie, ausschliessliche hausärztliche Behandlungen ...

    Viele psychische Erkrankungen sind auch deshalb komplex und herausfordernd, weil sie
    - entweder für den Betroffenen schambesetzt sind (Dissimulieren, Bagatellisieren, Nicht-Ansprechen ...)
    - oder ihnen gar nicht (mehr) bewusst sind. "Normal" essen und "normal" arbeiten gehört deswegen immer weiter anamnestisch abgeklärt; da wundert man sich immer wieder, wo/wie die einzelne Person ihr "Normal" verortet.

    Beide Fälle haben übrigens sehr wenig mit dem allgemeinsprachlichen Konzept einer Lüge zu tun.



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  3. #43
    Registrierter Benutzer
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    Du meinst ernsthaft relevant eine psychatrische Ursache? Oder noch zusätzlich eine somatische?

    Ich kann mir die Appetitlosigkeit nur so erklären: der Patient nimmt schon seit längerem eine bestimmte Dosis an Benzodiazepinen. Durch die Adaption des Gehirns und die vermehrte Ausbildung weiterer GABaerger Rezeptoren, kommt es mit der Zeit zu einer gewissen Unterdosierung, wenn nicht erhöht wird. Ergo wäre der Patient dauerhaft auf Entzug.

    Korrigiert mich bitte, wenn es falsch ist. Ich bin ja noch im Lernprozess.

    Therapie wäre in dem Fall Entzug?



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  4. #44
    Summsummsumm Avatar von Feuerblick
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    Die Frage ist: Hat er dir denn auch mal geschildert, was für ihn "normales" Essen bedeutet? Menge, Zusammensetzung etc.
    Bei komplexen Problemstellungen sollte man sich grundsätzlich das "normal" erklären lassen.

    Bestes Beispiel (wurde früher bei uns in Vorlesungen gern angeführt): Es gibt Menschen, die erzählen dir, ihr Stuhlgang sei normal. Hakst du nach, stellt sich heraus, der Stuhl ist dünnflüssig und sie rennen alle drei Stunden aufs Klo. Warum "normal"? Nun, weil das schon lange so ist und für diesen Menschen Normalität wurde. Ergo: "Normal" nicht hinnehmen - nicht, wenn man auf der Suche nach Ursachen ist.

    Insofern: Immer nachhaken. Das ist etwas, was man als Newbie auch erstmal lernen muss.
    Erinnerung für alle "echten" Ärzte: Schamanen benötigen einen zweiwöchigen Kurs mit abschließender Prüfung - nicht nur einen Wochenendkurs! Bitte endlich mal merken!

    „Sage nicht alles, was du weißt, aber wisse immer, was du sagst.“ (Matthias Claudius)



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  5. #45
    Diamanten Mitglied
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    5. WBJ Psychiatrie
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    Bei Menschen, die längere Zeit mit Panikattacken zu tun haben, die eine Benzodiazepin-Dauertherapie haben, sollte man immer auch ausführlich Richtung Angststörung und Depression explorieren.

    Dass sich das mit der Benzodiazepin-Dauertherapie erst jetzt herausstellt, nach mehreren Nachanamnesen durch einen Studenten, zeigt recht eindrucksvoll, dass es auf dieser Station einiges an Verbesserungspotenzial gibt. Sowas muss man ja eigentlich im Rahmen der Aufnahme schon erhoben haben.

    Dass Benzodiazepine zu einer Gewichtszunahme führen können, ist nicht besonders überraschend - sie sedieren ja.

    Es ist in diesem Fall offenbar noch sehr viel an Anamnese nötig - am besten fände ich wie gesagt die Erstellung einer Zeitachse, mit Ernährung (und zwar ganz konkret, über "normal" hinausgehend), Stimmung, Medikation, Schlaf, Appetit, usw., und wie das mit den Gewichtsveränderungen korreliert.

    Außerdem müsste man natürlich erheben, wann das mit dem Kalorienzählen und der Trinknahrung angefangen hat.

    Du konntest jetzt ja recht klar herausarbeiten, dass es einen Zusammenhang zwischen Bromazepam und Panikstörung gibt (würde man ja auch hoffen), und zwischen Bromazepam und Appetit. Ich denke, dass die Tatsache, dass der Appetit bei einer höheren Benzodiazepin-Dosis in Ordnung ist, ein deutlicher Hinweis für eine psychiatrische Genese des Geschehens ist. Ob es da außerdem auch eine Essstörung gibt, ist bisher noch unklar, aber ist zumindest denkbar. Da könnte man z.B. versuchen etwas genauer nachzufragen, warum der Pat. skeptisch gegenüber einer (vorübergehenden!) Steigerung der Benzodiazepin-Dosis ist.

    Sehr seltsam ist jedenfalls dass, bei einer seit zwei Jahren bestehenden Panikstörung, der Pat. keine Langzeittherapie der Panikstörung (und/oder Angststörung und/oder Depression) hat, also keines der dafür zugelassenen SSRI/SNRI. (Wann wurde Venlafaxin denn jetzt abgesetzt? Vor einem Jahr, oder vor drei Jahren?) Das ist schade; da hätte man sich vielleicht einiges an Benzodiazepinen sparen können.

    Das Long-QT-Syndrom erschwert leider auch das.

    Und die Einstellung auf ein SSRI/SNRI kann bei so einem Patienten eine Herausforderung sein, da sie initial die Unruhe und Anspannung ja gerne steigern.

    Psychotherapie ist bei so einem Patienten definitiv ein Muss.

    Wenn du dem Patienten was gutes tun willst, dann fasse das, was du erheben konntest (zuerst Gewichtszunahme, dann Gewichtsabnahme, früher Venlafaxin wegen Depression, seit zwei Jahren Panikstörung, deshalb Benzodiazepin-Dauertherapie, Zusammenhang zwischen Benzodiazepin-Dosis und Appetit, dzt. kein SSRI/SNRI, Kalorienzählen, Trinknahrung, Long-QT-Syndrom, was bisher alles an somatischen Untersuchungen durchgeführt wurde) möglichst kurz aber gleichzeitig möglichst präzise zusammen und lass ihn erneut psychiatrisch begutachten mit Fragestellung Procedere, Verlegung in psychosomatische Klinik.



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