Das Krankenhaus kannte offenbar den Unterschied zwischen Polytrauma und Hochrasanztrauma nicht. Auch nicht den Unterschied zwischen einem normalen VU und Sturz bei uns auf der Strecke.
Tatsächlich wurde ein Teil meiner Patienten mit der Begründung "Polytrauma" vom örtlichen Krankenhaus abgelehnt. Es kam dann wohl zu Irritationen im zweiten Haus, als der als "Polytrauma" angekündigte Patient zu Fuss in den Schockraum ging wo das komplette Schockraumteam auf ihn wartete.
This above all: to thine own self be true,
And it must follow, as the night the day,
Thou canst not then be false to any man.
Hamlet, Act I, Scene 3
Bei uns wurden schon welche aus der Ambulanz zu Fuß in den eilig einberufenen Schockraum gebracht wegen "Hochrasanz"... mein radiologisches Unverständnis deer dramatischen Situation wird immer belächelt...
Naja, Unfallmechanismus und resultierendes Trauma sind so zwei Dinge. Und im Zweifelsfall packe ich den Patienten präklinisch lieber einmal komplett ein, als dass ich eine Unfallfolge übersehe. Beispiel Autounfälle: Zweimal im letzten Jahr bin ich an Unfallstellen gekommen, da lag das Auto auf dem Dach. Einmal kurvenreiche Landstrasse, Geschwindigkeit eher nicht so hoch, einmal Autobahn mit ca 100 km/h. Die Kräfte, die da gewirkt haben, haben zumindest eine Karosserie von ~1 Tonne durch die Luft gewirbelt. GsD sind die Autos heute ja sehr gut gebaut...beide Autofahrer standen augenscheinlich erstmal unbeeindruckt in der Gegend rum.
Schön, wenn die Fahrgastzelle so robust ist, aber - um mal auf Leitlinien zu kommen - habe ich hier zB über den Unfallmechanismus (und in einem Fall über das Alter) Kriterien der Canadian C-Spine-Rules zur HWS-Immobilisation. Vakuummatratze gibt's dann auch.
In der telefonischen Voranmeldung beschreibe ich in solchen Fällen den Unfallmechanismus, sage aber auch klar, dass die Patienten klinisch stabil sind. Wenn dann klinische Untersuchung in der Klinik +FAST unauffällig sind, kann man ja immer noch deeskalieren.
Gegenbeispiele, die ich in der Vergangenheit erlebt habe:
13jähriger, Bagatellsturz, aufgenommen in der Pädiatrie zur Commotioüberwachung. Nachts notfallmäßig ins CT und uns auf Intensiv vorgestellt, Notfallverlegung in die Uni, dort bei massivem SDH hirntot angekommen...
55jähriger, Alleinunfall mit Roller, alkoholisiert. Vom NA auf die Trage gelegt, einmal in die Klinik gefahren ohne weitere Maßnahmen (ausser Zugang) - dann in der Ambulanz zügigst Schockraumalarm ausgelöst, instabiles Becken, Beckenzwinge, im CT dann reapflichtig geworden. Relativ banaler Unfall, leider präklinisch übersehene open-book-Fraktur....
Rollerfahrer, im Kreisverkehr beim Anfahren umgekippt, RTW ohne Notarzt befördert Patienten in den nächsten Grundversorger, dort im Wartebereich Röntgen kollabiert, Notfall-CT - übersehene Nierenruptur.... im Gegensatz zu den beiden anderen noch die Kurve gekriegt.
Man wird das nicht immer alles vermeiden können, aber wie gesagt - nicht immer korrelieren klinische Ersteinschätzung und tatsächliches Verletzungsmuster....
Deswegen finde ich eine Sichtung im Schockraum auch richtig wenn es das vor Ort gibt. Aber nicht jeder stabile Patient muss direkt zum maximalversorger und Auffahrunfall mit 30km/h muss nicht zwangsweise GK-CT bekommen.
Zweiradfahrer, Auto mit Überschlag sowie stumpfes Thoraxtrauma hab ich schon ähnliche Überraschungen klinisch gesehen bei initial relativ unauffälligem Patient