Ich gehe auch gleich mal als gutes Vorbild (haha, selten so gelacht) voran und berichte mal so frei von der Leber weg.
Wie bin ich in der Laboratoriumsmedizin gelandet? Eher zufällig (lol. Wie tatsächlich sogar viele andere). Ich mochte damals das Klischi-Praktikum in der Klinik sehr und so in der Retrospektive muss ich auch sagen, dass ich immer gerne Laborwerte gesichtet und interpretiert habe. Das war z.B. im Innere-PJ von der Arbeit da (insgesamt sehr mäßig das Tertial) das Einzige, was mir gefallen hat.
Angefangen habe ich aber in der Patientenversorgung…nur um festzustellen, dass ich glaube ich in der Anästhesie leider doch recht falsch bin. Bei der Suche nach einer anderen Fachrichtung bin ich dann erneut über die Laboratoriumsmedizin gestolpert - die ich eigentlich im Studium ausgeschlossen hatte, weil man Innere stationär gebraucht hat. Dank der neuen WBO ist das aber in meinem Kammerbereich keine Pflicht mehr.
Also auf gut Glück mal rumgefragt und beworben und inzwischen arbeite ich seit mehr als einem Jahr in einem Großlabor einer Laborkette im ambulanten Bereich.
Zunächst mal: der Großteil der Laboratoriumsmediziner:innen ist nicht stationär, sondern ambulant tätig. Immer mehr Krankenhäuser gliedern die Labore aus, wenn sie überhaupt noch eigene haben. Ausnahmen sind hier die Unikliniken, wobei auch diese durchaus auch Spezialanalysen verschicken - es gibt z.B. Labore, die ausschließlich Immundiagnostik oder spezifische Gerinnungsdiagnostik betreiben, die dann auch durchaus die jeweils einzigen in Deutschland für den Bereich sind.
Wo kann man also arbeiten?
Labor in einer Klinik selbst (im Regelfall Unikliniken, aber auch einige andere Maximalversorger)
Inhabergeführtes Privatlabor
Labor einer der kommerziellen Ketten
Oft unterscheiden sich die einzelnen Standorte der Ketten auch sehr im Bereich von Größe und Spektrum. Man kann daher nicht allgemeingültig sagen, dass Kette A sehr schlecht ist und B sehr gut.
Eine Krankenhausanbindung bedingt natürlich auch eine Besetzung in der Nacht und am Wochenende - kleinere Standorte haben da aber durchaus geschlossen.
Wie sieht mein typischer Tag aus?
Ich komme erstmal zur Arbeit - meistens um 8, aber durchaus auch mal um 10. Die meisten kommen zwischen 9 und 11 Uhr.
Die erste Tätigkeit ist erstmal, den Rechner anzumachen. Wir haben feste Schreibtische, sodass man sich zum Glück nicht täglich einen freien Rechner suchen muss.
Danach checke ich im Regelfall erstmal meine Mails. Man kriegt verdammt viele davon, aber glücklicherweise muss man natürlich nicht alle bearbeiten (wenns Rundmails sind). Teilweise hat man danach schon eine erste To-Do-Liste, wen man anrufen, wem man schreiben und mit wem man im Labor selbst reden muss.
Im Zweifelsfall steht danach erstmal der Blick in die Validation an - die "bread and butter"-Tätigkeit der Laboratoriumsmediziner:innen.
Die Wertebestimmung erfolgt in fast allen Fällen nicht durch uns, sondern durch mehr oder minder automatische Analyzer. Diese Werte werden dann technisch durch die MTAs/MTLAs freigegeben. Diese beurteilen hauptsächlich, ob der Wert von der Maschine an sich betrachtet erstmal plausibel ist. Sind die Kalibratoren für den Parameter aktuell? Waren die Kontrollmessungen gut? Hat man in einem engen zeitlichen Zusammenhang viele auffällige Werte eines bestimmten Parameters? Dann werden diese Messungen oft sofort wiederholt. Auch bei Einzelproben mit Werten, die stark vom Referenzbereich abweichen wiederholen die MTAs im Regelfall eigenständig.
Diese Werte landen dann bei uns und werden ärztlich bewertet. Sind die im Einzelbefund stimmig? Sind sie im Zusammenhang stimmig? Haben wir hier eine Konstellation, wo bestimmte weitere Diagnostik sinnvoll wäre? Dann kommentiert man, faxt man oder telefoniert durchaus mit den Praxen oder Kliniken.
Ansonsten kommt es halt andersrum auch zu Nachfragen der Einsender:innen, die man telefonisch beantwortet. Das Spektrum der Nachfragen ist dabei so weit wie das der Labormedizin. Einige Nachfragen kann man schnell direkt aussortieren und an die Mibi, Transfusionsmedizin oder Humangenetik verweisen. Andere Fragen wären z.B. welches Material für einen bestimmten Wert benötigt wird, was man bei Krankheit XYZ als Diagnostik empfiehlt oder man ist gerade der Blitzableiter, weil irgendetwas eventuell nicht geklappt hat oder zu lange dauert.
Glücklicherweise hat man halt den Computer zur Hand und kann parallel im Laborinformationssystem oder bei Google nachschauen. Gelegentlich bleibt einem aber auch nichts übrig, als zu sagen, dass man zurückruft. Dann fragt man bei fachärztlichen Kolleg:innen oder bei den MTAs in der Abteilung nach - oder telefoniert sich quer durch Deutschland. Je nach "Abgefahrenheitsgrad" der Anfrage ruft man dann halt auch in den entsprechenden Referenzlaboren an, weil es sonst niemand macht. Beispielhaft z.B. das BNI für Tropenmedizin in Hamburg oder Abteilungen an spezifischen Unikliniken.
Dazu wird man durchaus auch aus verschiedenen internen Bereichen angerufen. Sei es ein Gerätearbeitsplatz im Labor, die Mitarbeitenden in der Auftragserfassung oder jemand aus der Kundenbetreuung. Von wem und wie oft man angerufen/angemailt wird hängt so ein bisschen davon ab, ob man z.B. bereits im Gebäude gesichtet wurde, oder je nachdem möchte MTA-Kollege 1 lieber die Antwort von mir als von dem:der Kolleg:in, der:die auch gerade da ist (oder umgekehrt ). Je nachdem wie sehr es gerade mal "brennt" ist man durchaus für mehrere Stunden mit Organisation direkt am Geräteabeitsplatz beschäftigt.
Unterbrochen wird dieser Kreislauf aus Beratungen und Validation durch Telkos, Videokonferenzen und Meetings in persona (wobei ich auf letztere gerne verzichte. Bei dem Rest kann man nämlich nebenbei weitervalidieren o.ä.). Davon hat man bei uns mindestens 1/Tag (was grob der Dienstübergabe/Visite im Krankenhaus entspricht, aber zum Glück deutlich weniger nervig ist). Es können aber auch deutlich mehr sein, ich hab teilweise auch eher 2 oder mehr am Tag. Ob und inwieweit man in diese "klassische Projektarbeit" mit eingebunden ist, ist stark variierend. Ich habe Kolleg:innen, die eher 4 Telkos/Tag haben, und andere (sowohl WBAs als auch FÄ), die nur in einer Besprechung sind. Teilweise wird man direkt angefragt/mitgeplant, manchmal hat man (sehr übertrieben gesagt) auch Pech und geht gerade über den Flur und landet dann noch in nem Meeting.
Zu alledem kommen dann halt Handmethoden dazu - Bewertung von Blots, Immunfixationen, Liquormikroskopie, Diff-BBs. Letzteres wird aber zumindest bei uns zu 98%+ von den MTAs erledigt. Man selbst ist in ruhigen Minuten unten und schaut, dass man die horrende Zahl von 500 Diff-BBs für die Prüfung zusammengekratzt bekommt. Das sind dann auch Befunde, die man selbst betextet für die Freigabe. Und wenn das erledigt ist und gerade auch nix zu validieren ist, liest man einen Fachartikel, holt sich einen Kaffee oder quatscht mit den Kolleg:innen…
Großer Vorteil gegenüber der Klinik ist, dass man eigentlich immer jemanden hat, den man bei Problemen oder Ähnlichem fragen kann. Eigentlich alle im Team bei uns sind sehr nett und hilfsbereit, damit kann man dann einiges doch recht gut und schnell klären.
Weil es schon mal hier im Forum gefragt wurde - nein, es ist kein chilliger Job für Personen mit einer Sozialphobie o.ä. Man hat zwar keine Patient:innen, aber einen Dienstleistungsaspekt gegenüber den Einsender:innen, der durchaus grob mit der Kommunikation in Anästhesie oder Radiologie vergleichbar ist - teilweise telefoniert man auch mal 15 Minuten oder länger für eine Beratung. Dazu die Kommunikation intern, die auch im Optimalfall gut sein sollte - das erleichtert für alle das Leben erheblich.
Ein Teilbereich, der auch so nebenher mitläuft ist Qualitätsmanagement, dafür haben wir im Team aber auch Personen mit entsprechender Expertise. Im Rahmen der Weiterbildung macht man auch 6 Monate Transfusionsmedizin (worauf ich mich freue) und 12 Monate Mibi (worauf ich mich bedeutend weniger freue, weil ich das schon im Studium ziemlich eklig fand).
Ich mag, dass ich auch mal Zeit habe, für eine Frage tiefer zu recherchieren, mir paper anzuschauen und Ähnliches. Viele klinisch tätige Kolleg:innen sind dann eigentlich doch ganz erfreut, wenn man sie mit neuen Infos versorgt. Dienste muss man bei uns machen, nachts + Wochenende. Die Belastung ist sehr schwankend. Man macht aber homeoffice und kann zumindest im eigenen Bett schlafen, womit ich deutlich glücklicher bin als auf der Klinikpritsche früher.
Mache ich mir Sorgen, dass die KI mich ablöst? Tatsächlich nicht…solange ich regelmäßig ärztlichen Kolleg:innen Grundlagen der Präanalytik ("Nein, wir können das jetzt gewünschte Blutbild nicht aus dem Serum vom Vortag machen!") erkläre und/oder auch mal einfach den Befund vorlese (Tipp: Gelegentlich sind die Betextungen nicht im Kumulativbefund im KH sichtbar) sehe ich eine Grundbasis für die Zukunft des Jobs. Dazu kommen dann eben die wirklich speziellen Fragen, die teilweise auch von erfahrenen OÄ oder Niedergelassenen gestellt werden. Man ist halt tatsächlich auch sehr interdisziplinär aufgestellt mit dem Wissen - vielleicht nicht im therapeutischen Bereich, aber eben für die Diagnostik.
Die Altersstruktur ist auf Seiten des Nachwuchses. Es gibt nur knapp 1200 FÄ für Laboratoriumsmedizin in Deutschland und viele davon sind relativ alt. Es gibt auch viele Quereinsteiger:innen mit klinischem FA, die dann aber natürlich auch schon älter sind. Als junge:r WBA direkt Laboratoriumsmedizin durchzuziehen bringt einen in eine denke ich gute Verhandlungsposition.
Zudem würde ich einen exit in andere privatwirtschaftliche Bereiche hier auch nicht als unmöglich ansehen (z.B. Siemens Healthineers oder andere).
Vor einem Wechsel sollte man unbedingt hospitieren. Das "patientenfern" ist sicher für einige erstmal eine Traumvorstellung, um dem Klinikfrust zu entkommen. Aber die Realität aus der Validationstätigkeit am Schreibtisch (die eben einen großen Anteil hat) und Meetings (die subjektiv viele Ärzt:innen einfach generell nicht mögen) schreckt viele Bewerber:innen schon beim Hospitieren ab. Wenn einem das aber gefällt oder zumindest nichts ausmacht, dann kann man in dem Bereich schon relativ glücklich und zufrieden sein.