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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Zunehmende Verwirrtheit



RS-USER-Siebenschläfer
26.04.2004, 12:09
Einen wunderschönen Frühlingstag allerseits...

Mir ist da eine ganz spannende Geschichte aus meiner Studienzeit in den Sinn gekommen. Die Diagnose war nicht allzu schwierig, aber das "Warum" erforderte doch einiges an "kriminalistischem Spürsinn".

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An einem Mittwochmorgen wird eine kleine, herzige, ca. 80jährige Oma wegen zunehmender Verwirrtheit auf unsere Notfallstation gebracht.
Von der Begleitperson, der Tochter, erfahren wir, dass die Dame alleine wohnt, den Haushalt ohne Probleme meistert, zur Sicherheit habe aber die Gemeindekrankenschwester jeden Morgen rasch vorbeigeschaut. Die Mutter sei bis jetzt "im Kopf ganz normal" gewesen sei. Aber seit Montag habe die Familie eine zunehmende Verwirrtheit festgestellt.
Angesprochen auf Medikamente und Vorerkrankungen ist die Tochter keine grosse Hilfe: Die Mutter sei bis jetzt eigentlich - ausser einer Osteoporose - kerngesund gewesen.
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P.S. Vorwarnung: Es wird längere Zeit dauern, bis ich Eure Vorschläge beantworten kann, aber Antwort kommt bestimmt. Bitte Geduld haben!!!

RS-USER-schmoelzi
26.04.2004, 12:13
Tja, dann mal die üblichen Vitalparameter bitte:
RR, Puls, SpO2, EKG

Zusätzlicht Anamneseerhebung in Richtung Insult, also neurologischer und motorischer Status. Kopfschmerz? Sehstörung? Da wir ja schon im KH sind, wäre ein CT wohl auch kein Fehler.

Xaxis1
26.04.2004, 12:18
Hat sie genug getrunken ? Oder liegt eine Ekksikose (?) vor?

Blutzucker?

RS-USER-schmoelzi
26.04.2004, 12:20
BZ vergess ich jedes Mal, aber ich darf als Sani in Ö ja auch nicht messen.

ambulancedriver
26.04.2004, 12:42
Original geschrieben von Xaxis1
Hat sie genug getrunken ? Oder liegt eine Ekksikose (?) vor?


Das wäre auch meine erste Vermutung!!!

Rettungstiger
26.04.2004, 13:43
Na ja, was es halt alles so geben kann:
unblutiger Insult , Tumor, evtl. auch schleichende Blutung, Hyperglykämie, Exiskose, Hochdruckkrise, Alzheimer, Medikamentennebenwirkungen durch falsche Einnahme oder veränderte (durch Krankheit) Verstoffwechslung, körpereigene Vergiftung durch evtl. Niereninsuffizinez, Körperfremde Vergiftung durch Zusichnahme von von alten Lebensmitteln oder falschen Heilkräutern/Pilzen, ect. , Mangelernährung durch altersbedingte beginnende Unselbständigkeit)
RR, Puls, EKG, Spo2, neurologische Untersuchung, Anamnese (Meidkamente, Sturz in letzten Wochen mit Kopfbeteiligung, Sonstige Begleiterscheinunge, Ernährungsgewohnheiten) Körperliche Untersuchung (alte Verletzungen im Kopfbereich, Allgemeinzustand) Blutabnahme und Laboruntersuchung (weiss nicht was man da alles so ohne bestimmten Verdacht gewöhnlich bestimmt). Die Dame gleich in die Röhre zu schieben ist ohne Anhaltspunkt wohl eher nicht indiziert.

RS-USER-Siebenschläfer
27.04.2004, 16:47
Original geschrieben von schmoelzi
Tja, dann mal die üblichen Vitalparameter bitte:
RR, Puls, SpO2, EKG
Zusätzlicht Anamneseerhebung in Richtung Insult, also neurologischer und motorischer Status. Kopfschmerz? Sehstörung? Da wir ja schon im KH sind, wäre ein CT wohl auch kein Fehler.


Original geschrieben von Xaxis1
Hat sie genug getrunken ? Oder liegt eine Ekksikose (?) vor?

Blutzucker?

Alle Vitalparameter waren plus/minus in Ordnung.
Hydratation: gut
AZ und EZ: gut
Anamnesevertiefung bringt ausser das bereits Erwähnte nichts Neues.

Neurologische Untersuchung:
Nichts Auffälliges. Keine Kopfschmerzen, keine Sehstörungen. Nur diese Verwirrtheit. Deshalb wurde ein Minimentalstatus durchgeführt: tiefe Punktzahl.
Die Verwirrtheit: zeitlich und örtlich nicht orientiert, sich dessen aber voll bewusst. Aber die Fähigkeit zu kombinieren ist vorhanden (Bsp: weisser Mantel + Stethoskop = Arzt, also Ort = Spital). Vergisst die Fragen gerade wieder, merkt es aber, ist deswegen ziemlich traurig.



Original geschrieben von Rettungstiger
Na ja, was es halt alles so geben kann:
unblutiger Insult , Tumor, evtl. auch schleichende Blutung, Hyperglykämie, Exiskose, Hochdruckkrise, Alzheimer, Medikamentennebenwirkungen durch falsche Einnahme oder veränderte (durch Krankheit) Verstoffwechslung, körpereigene Vergiftung durch evtl. Niereninsuffizinez, Körperfremde Vergiftung durch Zusichnahme von von alten Lebensmitteln oder falschen Heilkräutern/Pilzen, ect. , Mangelernährung durch altersbedingte beginnende Unselbständigkeit)
RR, Puls, EKG, Spo2, neurologische Untersuchung, Anamnese (Meidkamente, Sturz in letzten Wochen mit Kopfbeteiligung, Sonstige Begleiterscheinunge, Ernährungsgewohnheiten) Körperliche Untersuchung (alte Verletzungen im Kopfbereich, Allgemeinzustand) Blutabnahme und Laboruntersuchung (weiss nicht was man da alles so ohne bestimmten Verdacht gewöhnlich bestimmt). Die Dame gleich in die Röhre zu schieben ist ohne Anhaltspunkt wohl eher nicht indiziert.

Alzheimer innert so kurzer Zeit?
Keine Sturzzeichen.
Labor: ok. Was möchtest Du den haben?

silver tabby
27.04.2004, 18:09
Original geschrieben von Siebenschläfer

Labor: ok. Was möchtest Du den haben?

Also:

Blutbild, CRP, BSR, E`lyte, Transaminasen, Zucker, Krea, Harnstoff, U-Status, u.U. ABGA....

RS-USER-Siebenschläfer
27.04.2004, 19:43
Original geschrieben von silver tabby
Also:

Blutbild, CRP, BSR, E`lyte, Transaminasen, Zucker, Krea, Harnstoff, U-Status, u.U. ABGA....


BB, CRP, BSR, Enzyme, Krea, Harnstoff war normal. ABGA ebenfalls. Das abgenommene Blut für die Elektrolyte (welche, bitte?) ist in der Transportanlage steckengeblieben.

Tjaja... So ist der Spitalalltag!

- Was macht Ihr mit der Omi, bis die endgültigen Resultate da sind?
- Vor allem, könnt Ihr jemanden finden, der etwas mehr über sie Bescheid weiss???

silver tabby
28.04.2004, 09:41
E`lyte: Na, K, Ca ges., Ph,

Gibts ne alte Akte von ihr???

RS-USER-Siebenschläfer
28.04.2004, 16:46
Original geschrieben von silver tabby
E`lyte: Na, K, Ca ges., Ph,

Na, K, Ph ist plus/minus normal. Calcium: zu hoch.



Original geschrieben von silver tabby Gibts ne alte Akte von ihr???

Nein, aber lies mal meinen allerersten Beitrag hier...


So, wie behandelt ihr die Oma, wo liegt die Ursache?

RS-USER-Parasympathikus
28.04.2004, 20:55
Weiß die Schwester von der Sozialstation denn nichts näheres? Dort müsste man doch Bescheid wissen über ihre Grunderkrankungen.

RS-USER-Parasympathikus
28.04.2004, 20:58
Nen Astrup können wir ja auch gleich noch machen und die Temperatur messen.

Anna Phylaxie
29.04.2004, 09:28
Kann es sein, dass die Verwirrtheit einfach durch den erhöhten Calciumspiegel ausgelöst wurde?
Ich habe gelesen, dass eine Aufnahme von mehr als 2g/Tag zu solchen Zuständen führen kann...Reizübertragungsfunktionen im Nervensystem usw., vielleicht eine Milch, Feigen, Mandel -süchtige? :)
Oder sie nimmt irgendwelche Präparate, weil etwas ältere Menschen vielfach Calciummangel haben?
Vielleicht sogar in kombinierter Form, so dass Calcium gar nicht so direkt ins Auge fällt....

das sind lediglich laienhafte Vermutungen... bin ja noch nicht mal RS ;).

LG

Heiki

:knuddel:

silver tabby
29.04.2004, 10:16
Okay... habe ein wenig im Net geschaut...:

Eine erhöhte Calciumzufuhr kann schädlich sein: Bei Menschen mit Neigung zu Nierensteinen sowie Funktionsstörungen der Nieren, bei Behandlung von Magengeschwüren mit bestimmten Medikamenten (calcium-haltige Antazida), wenn gleichzeitig viel Milch getrunken wird. Bei Patienten mit einer erhöhten Nebenschilddrüsen-Funktion bei Vitamin-D-Überdosierung.

Klinisch äußert sich eine Calcium-Überdosierung mit: Erbrechen, gesteigertem Durstempfinden (Polydipsie), Verstopfung und Appetitlosigkeit (Anorexie), Herzrhythmusstörungen, Nierensteine, Bewußtseinsstörungen (Delirium).


Ich nehme an, du meinst letzten Punkt....?


Noch ein bisschen ausführlicher aus der Schweizer "roten Liste"

Überdosierung


Die Symptome sind die einer Hyperkalzaemie: Anorexie, Übelkeit, Erbrechen, Obstipation, Bauchschmerzen, Muskelschwaeche, Polyurie, Durst, Schlaefrigkeit, Verwirrtheit; in schweren Faellen Koma, Herzarrhythmien, Herzstillstand.



Die Behandlung umfasst Massnahmen zur Senkung des Calciumblutspiegels, wie beispielsweise Natriumphosphat per os oder in schweren Faellen als i.v. Infusion.

Anna Phylaxie
29.04.2004, 10:58
Hmmmmm

Sie hat also Osteoporose...., richtig?

-> Vielleicht bekommt sie dafür ein Präparat mit Kalzium?

Ich muss mir das alles ja anlesen, aber im Netz stand, dass bei Osteoporose Kalzium und Vitamin D-Mangel vorherrscht.

Vielleicht hat sie zusätzlich noch viel Kalziumhaltiges gegessen oder in der beginnenden Verwirrtheit dann sogar zu viele Tabletten genommen?

Kann man die Gemeindeschwester befragen, bzw. falls sie Tabletten bekommt, wer gibt sie ihr, nimmt sie sie selbst ein?

RS-USER-Siebenschläfer
29.04.2004, 11:38
Original geschrieben von Anna Phylaxie
Hmmmmm
Sie hat also Osteoporose...., richtig?
-> Vielleicht bekommt sie dafür ein Präparat mit Kalzium?
Vielleicht hat sie zusätzlich noch viel Kalziumhaltiges gegessen oder in der beginnenden Verwirrtheit dann sogar zu viele Tabletten genommen?
Kann man die Gemeindeschwester befragen, bzw. falls sie Tabletten bekommt, wer gibt sie ihr, nimmt sie sie selbst ein?

Genau das haben wir gemacht: Da wir über allfällige Medikamente von Mutter und Tochter keine Angaben erhalten konnten, versuchten wir die Gemeindekrankenschwester zu erreichen, aber die weilte seit Freitagabend in den Ferien - zusammen mit ihrem Mann, dem Hausarzt... Also hat die Tochter mal bei Mami in der Wohnung rumgewühlt und brachte uns schliesslich zwei Medikamentenschachteln. Eine davon waren Calciumtabletten, die andere weiss ich nicht mehr.


Original geschrieben von silver tabby
Die Symptome sind die einer Hyperkalzaemie: Anorexie, Übelkeit, Erbrechen, Obstipation, Bauchschmerzen, Muskelschwaeche, Polyurie, Durst, Schlaefrigkeit, Verwirrtheit; in schweren Faellen Koma, Herzarrhythmien, Herzstillstand.

Die Behandlung umfasst Massnahmen zur Senkung des Calciumblutspiegels, wie beispielsweise Natriumphosphat per os oder in schweren Faellen als i.v. Infusion.

Da ausser einer Verwirrtheit keine andere Symptomatik bestand, beschränkte sich unsere Behandlung auf eine normale Infusion. Im Laufe der ersten beiden Tage legt sich die Verwirrtheit zunehmend und endlich erfuhren wir die ganze Geschichte:
Die Gemeindekrankenschwester, die ja unsere ältere Dame jeden Morgen besuchte, nahm sich an jenem Freitag extra Zeit, um die Medikamente für die ganze Woche zu richten. Aus irgendeinem Missgeschick leerte die Oma diese Pillen aber aus und fand die Hälfte nicht mehr. Aber zum Glück erinnerte sie sich noch an die Dosierung: Zwei weisse und eine rosarote Tablette. Hmm oder war es eine weisse und zwei rosarote?
So nahm sie die doppelte Menge an Calciumtabletten zu sich...

Das Erstaunliche an diesem "Fall" war für mich, erstens dass eine simple Überdosierung an Calciumtabletten eine Hyperkalzämie auslösen kann und zweitens dass das einzige Symptom dieser Hyperkalzämie eine Verwirrtheit war, keine Verstopfung, keine Polyurie, keine Polydipsie, keine Schwäche/Unwohlsein, keine EKG-Veränderung, nichts!