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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : RTW/NEF : schwerer Krampfanfall



Blaulichtgurke
24.01.2015, 16:35
Ähnlicher Fall, letztens bei uns im Wachgebiet passiert, war aber nicht dabei:

Ihr werdet als RTW-Besatzung (2 RA) mit dem Meldebild "schwerer Krampfanfall" zu einem kleinen Park am See in XYZ gerufen. Das NEF wurde mitalarmiert und muss aus etwa 20km Entfernung "anreisen".
Nach 10 Minuten erreicht ihr den Einsatzort, wo euch zwei ältere Damen ganz hastig zu euch winken, ziemlich aufgeregt sind und ihr nur Wortfetzen von "krampft stark" und "reagiert nicht" aufschnappt, und euch zum Patienten führen. Hinter einem dichten Strauch seht ihr dann noch zwei Passanten und den Patienten, welcher allerdings im Rollstuhl "hängt". Auf den ersten Blick seht ihr die die starken Muskelzuckungen sowie verdrehte Augen nach oben.
Aus dem Mund rinnt Blut und auf dem zweiten Blick fällt euch die blasse Gesichtsfarbe auf.

Wie geht es weiter?

tami...san
25.01.2015, 10:57
Wie lange krampft er den schon?
Wichtig wäre die Inspektion der Atemwege da dies allerdings während des Krampfanfalls nicht geht müssen wir uns überlegen ob wir uns nicht selbst gefährden wenn wir ihn auf den Boden lagern. Notkompetenz Midazolam i.m. geht bei euch unter welchen Bedingungen? Ein Pro Argument hierfür wäre das der Notarzt noch auf sich warten lässt und ich eine Gefahr sehe das uns der Patient aspiriert.

Brutus
25.01.2015, 21:05
Wieso i.m.? Mal abgesehen, dass ich von Midazolam als Mittel der Wahl bei einem Krampfanfall nix halte, gibt es da ja gute Alternativen zu i.m. Was ist denn mit dem guten alten MAD? 1ml pro Nasenloch und gucken was passiert. ;-)
Ansonsten würde ich ja vor Medikamentengabe mal die gute alte Überwachung dranbasteln! Und zu den erhobenen Werten darf auch gerne ein BZ gehören...

Blaulichtgurke
26.01.2015, 23:32
Wieso i.m.? Mal abgesehen, dass ich von Midazolam als Mittel der Wahl bei einem Krampfanfall nix halte, gibt es da ja gute Alternativen zu i.m. Was ist denn mit dem guten alten MAD? 1mg pro Nasenloch und gucken was passiert. ;-)
Ansonsten würde ich ja vor Medikamentengabe mal die gute alte Überwachung dranbasteln! Und zu den erhobenen Werten darf auch gerne ein BZ gehören...

Okay, die Überwachung dranzubasteln gestaltet sich als schwierig.
Während ihr versucht, am zuckenden Pat. einen SpO2 Sensor sowie RR-Manschette anzulegen, erzählen euch die Passanten dass sie vor etwa 15 Minuten jemandem plötzlich schreien gehört haben, dann seien sie in jene Richung gelaufen und haben den Patienten krampfend, in seinem Rolli, vorgefunden.
SpO2 zeigt nach hin und her 75-80%, RR liegt bei 110/70.
Übrigens herrschen draußen eisige Temperaturen von etwa -2°C und euer Pat. hat nur eine dünne Jacke an, dementsprechend zentralisiert ist er auch an den Extremitäten.
Ein EKG dranzubauen ist vorerst nicht machbar, da der Pat. durch mehrere Gurte fixiert ist, sodass eben "Shirt hochschieben" nicht hinhaut.

Chak
27.01.2015, 11:54
Habt ihr ihm inzwischen Diazepam via MAD o.dgl. gegeben und hat es eine Wirkung gezeigt, oder krampft und zuckt er immer noch fleißig herum? Falls letzteres, dann gebt ihm doch wenigstens mal eine Decke. Falls es Wirkung zeigt, wie ist der Zustand im Moment, könnt ihr ihn auf eine Trage umlagern und in den RTW bringen?

Blaulichtgurke
27.01.2015, 19:54
Habt ihr ihm inzwischen Diazepam via MAD o.dgl. gegeben und hat es eine Wirkung gezeigt, oder krampft und zuckt er immer noch fleißig herum? Falls letzteres, dann gebt ihm doch wenigstens mal eine Decke. Falls es Wirkung zeigt, wie ist der Zustand im Moment, könnt ihr ihn auf eine Trage umlagern und in den RTW bringen?

Diazepam via MAD ist drin, zeigt aber zunächst keine Wirkung, der Pat. zuckt immer noch fleißig rum.
Okay, es wird eine Decke über ihn gelegt, aber dies ändert nichts an seinem Zustand.

Zum Umlagern:
Euer Pat. krampft fleißig, ist angeschnallt und steht mit dem Rolli im Gebüsch.
Willst du ihn so auf die Trage legen?
Oder wie würdest du fortfahren?

grundewelle
10.02.2015, 21:56
Wie lange krampft er denn jetzt insgesamt? Was sagen die Passanten? Hat das jemand genau gesehen?

1. Typ aus dem Gebüsch und vom Rolli runter.
2. Entscheiden ob Therapie draußen oder im RTW (wenn möglich!)
3. 2mg Midazolam über den MAD
4. Birne des Patienten und das Personal vor Verletzungen schützen, im besten Fall auf die Seite drehen - wird aber eher schwierig nehme ich an.
5. Sauerstoffbrille auf hohem Flow (viele sagen ja es bringt nix, andere benutzen 15l über die Brille als "ApOx" - Oxygenierung während Apnoe oder als Zusatz zur CPAP Beatmung. Schaden wird es ihm momentan denke ich nicht.)
6. Gucken was passiert -> i.v. Zugang etablieren. Das geht ja eigentlich fast immer, wenn man zu viert ist. Wenn das gar nicht geht evtl. nochmal 2mg Midazolam über MAD und dann i.o. / i.v.

DennisB
10.02.2015, 22:32
3. 2mg Midazolam über den MAD
Falls MAD vorgehalten werden, vermute ich mal, dass auch die Midazolam 15mg/3ml-Ampullen da sind. 2mg erscheinen mir da für einen Erwachsenen sehr wenig. Bei uns wäre die Referenzdosis für einen Erwachsenen 10mg (2ml) intranasal.

grundewelle
10.02.2015, 23:29
Das wäre natürlich optimal - ist bei uns jedenfalls anders... Auch wenn das zur Folge hat, dass die MAD so gut wie nie verwendet werden. Wir haben nur die 5ml = 5mg Ampullen, MAD sind aber auch da.

Blaulichtgurke
16.02.2015, 20:25
Das wäre natürlich optimal - ist bei uns jedenfalls anders... Auch wenn das zur Folge hat, dass die MAD so gut wie nie verwendet werden. Wir haben nur die 5ml = 5mg Ampullen, MAD sind aber auch da.

Okay, wir haben den Patienten jetzt aus dem Rolli befreit, auf die Seite gelegt und insgesamt 10 mg Midazolam via MAD verabreicht.
Kurz darauf kommt es zum Sistieren der Muskelkontraktionen, euer Patient schläft ein.
O2 läuft auf 12l/min.
Werte: Puls 140/min, RR 180/110, SpO2 unter 12l 96-98%
Das Legen einer Viggo erweist sich als schwer, auch der 4. Punktionsversuch durch den NA ist frustran.

Blaulichtgurke
16.02.2015, 20:29
Wie lange krampft er denn jetzt insgesamt? Was sagen die Passanten? Hat das jemand genau gesehen?



Die Passanten erzählen euch, dass sie spazieren gewesen seien, dann plötzlich einen lauten Schrei gehört haben und den Patienten krampfend im Rollstuhl vorgefunden hätten.
Die Krampfdauer beträgt etwa 15 Minuten

grundewelle
17.02.2015, 15:37
Jut, dann einmal flux Vitalparameter erweitern... Hatten wir nen BZ?

Atemfrequenz? Atemzugvolumen? Erscheint das suffizient? Die SpO2 unter 12lpm ist ja nicht so der Knaller.

Dann einmal gucken:
ob die Atemwege frei sind, die Zunge zurückfällt etc.
Lunge beidseits belüftet? Thorax hebt beidseitig?
EKG, RR im 3min Intervall
Pupillen? Irgendwelche neurologischen Auffälligkeiten?
Verletzungen? Kopf mal untersuchen, von mir aus auch gerne einen orientierenden Ganzkörper Bodycheck.

Vielleicht finden wir ja irgendeinen Medikamentenausweis?

Achja: Wenn das mit dem Zugang tatsächlich so schwer sein sollte, dann wird halt gebohrt. Ohne Zugang so jemanden fahren halte ich für Riskant... Gerade mit dem Hintergrund, dass man den scheinbar nicht mal eben etablieren kann.

Brutus
17.02.2015, 17:06
Kurz darauf kommt es zum Sistieren der Muskelkontraktionen, euer Patient schläft ein.
O2 läuft auf 12l/min.
Werte: Puls 140/min, RR 180/110, SpO2 unter 12l 96-98%
Das Legen einer Viggo erweist sich als schwer, auch der 4. Punktionsversuch durch den NA ist frustran.
Brauchen wir eine Viggo? Zusammengefasst liest sich das doch jetzt gar nicht sooooo schlimm. Im Fall des Falles hab ich einen Bohrer. ;-)
Aber zur Zeit habe ich den Krampf durchbrochen, der Patient ist stabil, also einladen, ab zur Neuro. Dann können die einen Zugang friemeln...


Hatten wir nen BZ?
Atemfrequenz? Atemzugvolumen? Erscheint das suffizient? Die SpO2 unter 12lpm ist ja nicht so der Knaller.
BZ hätte ich auch noch gerne, aber was ist denn so schlimm an 96-98%? So würde ich das nicht als schlimm stehen lassen wollen. Wenn die Sättigung jetzt bei Wegnahme von O2 auf 50 runtergeht, dann ja. Aber wenn die Sättigung mit und ohne Sauerstoff über 90% ist, würde ich gar nix machen. Die 12l stammen ja höchstwahrscheinlich noch vom Status im Krampf. Und das würde ich jetzt bei den o.g. Werten runterschrauben...


Dann einmal gucken:
ob die Atemwege frei sind, die Zunge zurückfällt etc.
Lunge beidseits belüftet? Thorax hebt beidseitig?
EKG, RR im 3min Intervall
Da der Patient ja noch auf der Seite liegt (s.o.), sollte die Zunge eigentlich nicht stören. Warum 3min-Intervall für die RR-Messung?


Pupillen? Irgendwelche neurologischen Auffälligkeiten?
Nach 10mg Dormicum? Wäre schlimm, wenn der keine neurologischen Auffälligkeiten hätte. DANN würde ich mir Sorgen machen. :-))


Achja: Wenn das mit dem Zugang tatsächlich so schwer sein sollte, dann wird halt gebohrt. Ohne Zugang so jemanden fahren halte ich für Riskant... Gerade mit dem Hintergrund, dass man den scheinbar nicht mal eben etablieren kann.
Wieso? Mit dem MAD kann ich anscheinend gute Medikamente wirksam applizieren. Hat ja schon einmal funktioniert. Und warum soll ich jetzt einen stabilen Patienten mit einer Knochenmarksbohrung traktieren, wenn ich das im Notfall immer noch machen kann?

grundewelle
25.02.2015, 16:13
BZ hätte ich auch noch gerne, aber was ist denn so schlimm an 96-98%? So würde ich das nicht als schlimm stehen lassen wollen. Wenn die Sättigung jetzt bei Wegnahme von O2 auf 50 runtergeht, dann ja. Aber wenn die Sättigung mit und ohne Sauerstoff über 90% ist, würde ich gar nix machen. Die 12l stammen ja höchstwahrscheinlich noch vom Status im Krampf. Und das würde ich jetzt bei den o.g. Werten runterschrauben...

Ne, deswegen ja im Auge behalten. Wenn der nach dem krampfen wieder suffizient atmet und dann immer noch unter der Sauerstoffgabe bei den Werten ist, würde ich mal horchen woran das liegt.


Da der Patient ja noch auf der Seite liegt (s.o.), sollte die Zunge eigentlich nicht stören. Warum 3min-Intervall für die RR-Messung?

Klar, muss nicht unbedingt im Intervall sein. Wenn man aber doch die Möglichkeiten hat - warum nicht nutzen?


Nach 10mg Dormicum? Wäre schlimm, wenn der keine neurologischen Auffälligkeiten hätte. DANN würde ich mir Sorgen machen.


Jaja, nur einmal schnell nachschauen, ob man eine ausgeprägte Pupillendifferenz hat. Das ganze dauert ja nur um die 1,5 Sekunden :-)


Wieso? Mit dem MAD kann ich anscheinend gute Medikamente wirksam applizieren. Hat ja schon einmal funktioniert. Und warum soll ich jetzt einen stabilen Patienten mit einer Knochenmarksbohrung traktieren, wenn ich das im Notfall immer noch machen kann?

Stimmt. Vielleicht nur für den Fall einer Zustandsverschlechterung im Hinterkopf behalten, oder einigermaßen erreichbar lagern. Wir haben ja bis jetzt noch keinen richtigen Anhaltspunkt für den Krampfanfall, oder?

Blaulichtgurke
05.04.2015, 23:35
Ne, deswegen ja im Auge behalten. Wenn der nach dem krampfen wieder suffizient atmet und dann immer noch unter der Sauerstoffgabe bei den Werten ist, würde ich mal horchen woran das liegt.



Klar, muss nicht unbedingt im Intervall sein. Wenn man aber doch die Möglichkeiten hat - warum nicht nutzen?



Jaja, nur einmal schnell nachschauen, ob man eine ausgeprägte Pupillendifferenz hat. Das ganze dauert ja nur um die 1,5 Sekunden :-)



Stimmt. Vielleicht nur für den Fall einer Zustandsverschlechterung im Hinterkopf behalten, oder einigermaßen erreichbar lagern. Wir haben ja bis jetzt noch keinen richtigen Anhaltspunkt für den Krampfanfall, oder?


Ich lös mal auf... :)

Unser Pat. war tiefschlafend, mit nem BZ von 106, auf die Trage gelegt worden.
Äußerlich sind keine Verletzungszeichen erkennbar.
Mit den o.g. Werten wurde er ohne Zugang und mit Sonderrechten in die Neuro des Maximalversorgers gefahren.
Kurz vor eurer Abfahrt kamen auch die Herrschaften der Polizei eingetrudelt, im Nachgang stellte sich heraus dass der Patient schwerst-mehrfach behindert ist und von seinen Pflegeeltern, die überfordert mit ihm waren (da starker Pflegefall etc.) mitten im Park ausgesetzt wurde.
Wegen seiner (wohl starken, therapieresistenten) Epilepsie sollte er normalerweise im Notfall Diazepam rektal verabreicht bekommen, zusätzlich besteht ein Herzfehler in Form eines VSD inkl. Bluthochdruck und Vorhoffflimmern.
Da er natürlich auf Hilfe und Betreuung angewiesen ist, erwartet die "Pflegeeltern" jetzt ein saftiges , gerichtliches Verfahren.