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MagicMuffin
20.11.2022, 14:23
Hallo an alle,

ich weiß, das Thema ist unendlich durchgekaut, aber vielleicht mag ja trotzdem noch jemand helfen.

Ich habe vor 3 Monaten auf einer chirurgischen Station in einer Uniklinik angefangen. Wir fangen morgens um 7 offiziell an, da ist man aber immer früher. Feierabend ist nie vor 18 Uhr. Oft bin ich noch bis 19 Uhr da.

Bei uns gilt die Regel: Überstunden werden im ersten halben Jahr nicht aufgeschrieben. Danach kann man sich einen kleinen Teil aufschreiben lassen. Das Problem ist: ein Oberarzt muss gegenzeichnen (oder die Überstunden anordnen). Zeiterfassung gibt es nicht. Dienste gibt es 4-6 jeden Monat.

Ich möchte mich nicht das halbe Jahr lang ausnutzen lassen und tausende Euros verschenken. Mit dem Chefarzt hat man eigentlich gar keinen Kontakt. Vorbei muss man an den Oberärzten, die aber die Unterschrift bei Kollegen, die es versucht haben, verweigern.

Hat jemand einen Rat oder war in einer ähnlichen Situation? Ich verbringe quasi meine gesamte Freizeit im Krankenhaus. Ob FZA oder Geld ist mir egal, mir ist nur wichtig, dass ich das Gefühl habe entlohnt zu werden.

][truba][
20.11.2022, 14:37
Warum schreibst du den Beitrag dann nicht in einer der anderen threads? Da erhält man auch ne Antwort.

So wie du die Situation beschreibst, denke ich, dass es ziemlich aussichtslos klingt. Vermutlich bleibt dir nicht mehr als zu kündigen oder aber die Sache zu akzeptieren. Ist allerdings höchstgradig illegal. Man könnte natürlich auch das Gewerbeaufsichtsamt verständigen aber dann will man auch nicht mehr in der Abteilung arbeiten.

Züschata
20.11.2022, 15:00
Ich finde es immer wieder erstaunlich zu sehen und hören, was in Unikliniken veranstaltet wird und werden kann.

Feuerblick
20.11.2022, 15:01
Entweder keine Überstunden machen (ja, das geht… nur das wirklich Notwendige abarbeiten, alles andere bleibt liegen) oder kündigen.
Im Übrigen sind das auch die Antworten in den schon vorhandenen Threads. Was erwartest du dir von der erneuten Frage?

MagicMuffin
20.11.2022, 15:09
[truba][;2248430']Warum schreibst du den Beitrag dann nicht in einer der anderen threads? Da erhält man auch ne Antwort.

Ich wusste nicht, dass man auf alte Beiträge antworten darf. In anderen Foren ist Threads ausgraben häufig verboten.


Entweder keine Überstunden machen (ja, das geht… nur das wirklich Notwendige abarbeiten, alles andere bleibt liegen) oder kündigen.
Im Übrigen sind das auch die Antworten in den schon vorhandenen Threads. Was erwartest du dir von der erneuten Frage?

Auch in der Probezeit? Wird man da nicht relativ schnell rausgeworfen?

Ich hoffe auf ermutigende Antworten, den Überstundenzettel auszufüllen und abzugeben. Oder auf Argumente, die ich meinem Oberarzt nennen könnte.

][truba][
20.11.2022, 15:16
Ja, wäre hier erlaubt. Sind meistens ja auch nicht so alt.

Du kannst natürlich ausfüllen, zum OA gehen und sagen, dass es gegen gültiges Recht verstößt, Überstunden nicht zu dokumentieren.

Das wird eventuell (aber weiß man nicht) zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses am Ende der Probezeit (oder schon vorher) führen.

Nefazodon
20.11.2022, 15:34
Also, als Erstes muss ich mal sagen, wenn Dienstbeginn 7 Uhr ist, würden mich keine 10 Pferde dazu bekommen, früher zu kommen.
Das ist schonmal das Allererste, was ich ändern würde!

Ansonsten: Priorisieren. Dann fällt die Visitendokumentation halt sehr kurz aus, die Briefe auch....
Im Zweifel keine Angehörigengespräche mehr ab einer gewissen Uhrzeit:-nix
Etc...
aber die Tipps sind alle bekannt.

Gegenüber den Oberärzten würde ich argumentieren, dass es normal ist, dass man als Anfänger mehr Zeit braucht (deswegen kriegt man weniger Geld) und dass man deswegen Überstunden aufschreiben möchte.
Ist auch wichtig für die Abteilung um irgendwann zusätzliche Stellen fordern zu können....

Wenn das nicht fruchtet, würde ich nach Ende meiner offiziellen Dienstzeit den zuständigen Oberarzt anrufen ob ich Überstunden machen soll (dann unterzeichnet!) oder nicht...

Aber ganz ehrlich: Es klingt so, als wäre der Laden darauf ausgelegt, dass die Ärzte Überstunden machen. Also stehst Du auf verlorenem Posten, zumal in der Probezeit.

Da bleibt dir nur abzuwägen, ob und wie lange Du mitmachen willst. Was sind die Benefits? Möchtest Du da Karriere machen? Möchtest Du in die Forschung?

Endoplasmatisches Reticulum
20.11.2022, 15:35
Der Blödsinn, das Anfänger keine Überstunden aufschreiben dürfen, wird mit den Jahren auch nicht spannender. Wer einen Anfänger einstellt, weiß, dass er einen langsameren Arbeiter bekommt. Und für diese unverschuldete Lahmarschigkeit wird der Arbeitnehmer bereits mit einem geringeren Tarifgrundlohn bestraft. Diskussionen zur Rechtmäßigkeit von Überstunden sind da völlig deplatziert.

Der Rest wurde gesagt. Eigene Risikoaffinität abschätzen. Dann eine Risikoabwägung vornehmen: Aufmucken gegen Windmühlen vs. Schaden im Verlustfall des Arbeitsplatzes. Ich würde mir das nicht antun. Lebenszeit ist kein Wohlfahrts-Selbstbedienungsladen für Arbeitgeber. Von Seelenabrieb kannst du dir nichts kaufen. Aber das musst du wissen und da spielen viele persönliche Faktoren mit rein, die uns nicht bekannt sind. Eventuell kann es auch sinnvoller sein, die Zähne ein paar Monate zusammenzubeißen und so das Sprungbrett zu optimieren.

Glücklich wirst du in dem Laden langfristig nicht. Das steht wohl fest.

Nefazodon
20.11.2022, 15:57
Es ist im übrigen schon spannend, dass Ärztinnen und Ärzte diese Bedingungen immer wieder hinnehmen....
Da muss man sich echt fragen, wie groß der Sekundärgewinn ist.

Gestern habe ich noch eine Reportage auf Youtube über eine Ärztin gesehen, die nach 6 Jahren Chirurgie nun aufhört und lieber in die Politik will. Die Gründe sind die bekannten (war eine hr-Doku über eine Ärztin in Frankfurt -Edit: Hab den Link mal bei Reportagen über den Arztberuf gepostet).
Die Ärztin berichtete auch, dass sie auf ihrer ersten Stelle, direkt nach dem Studium, sofort ins kalte Wasser geworfen wurde. Sie hat sich dann 6 Monate den Ar... aufgerissen um den Anforderungen gerecht zu werden, und wurde hinterher doch am Ende der Probezeit gekündigt....

Und die Moral von der Geschichte: Den Einsatz, den Du jetzt zeigst, und die unzähligen Überstunden (Du hast 12-Stunden-Tage erwähnt), dankt dir später Niemand. Verbrannte Zeit.

xenopus laevis
20.11.2022, 16:13
Am besten in Vorstellungsgesprächen/Hospitationen erfragen wie man mit Überstunden umgeht. Ansonsten aufschreiben bzw. pünktlich gehen und parallel einen neuen AG suchen. :-dance

Lakemond
20.11.2022, 16:51
Ich kann echt nur lachen, dass es Leute gibt, die so dumm sind, so was zu erlauben...

Endoplasmatisches Reticulum
20.11.2022, 19:47
Es ist im übrigen schon spannend, dass Ärztinnen und Ärzte diese Bedingungen immer wieder hinnehmen....
Da muss man sich echt fragen, wie groß der Sekundärgewinn ist.
In meiner Erfahrung sind es fast immer einer von zwei - oder beide - Faktoren:

1 - Standortfaktor dominiert den Rest. Person ist örtlich gebunden oder will nicht weg. Die beißen sich durch, obwohl sie wissen, dass sie verarscht werden.

2 - Völlig abstruse Vorstelllung von Arbeitsleben und Korrelation zwischen Leidensbereitschaft und erwarteter zukünftiger Gratifikation. Die fallen oft in ihre erste existentielle Midlife Crisis, wenn sie realisieren, dass sie verarscht werden und der erwartete ROI ausbleibt.

Ins kalte Wasser werfen finde ich okay, solange genug Absicherungsmechanismen vorhanden sind, um Schaden von Patienten abzuhalten. Ich habe auch damals meinen ersten Dienst nach 4 Wochen gemacht und meine erste Abszessspaltung lief alleine ohne Oberarzt, der am Telefon unter Gähnen betont hat, wenn ich mich das nicht traue, kommmt er sofort rein. Es gibt einen großen Unterschied, ob Leistung qualitativ oder quantitativ eingefordert wird. Das Problem ist, dass Leute, die qualitativ viel leisten, dennoch als Minderleister empfunden werden, wenn sie nicht bereit sind, auch ausufernd quantitativ abzuliefern. Das führt dann in eine ekelhafte Abwärtsspirale und am Ende steht die Feststellung, dass sich einfach sehr oft keines von beidem lohnt. Denn entweder gibt man nonstop 180% und macht sich kaputt, oder man wird auch mit 170 % in eine Kategorie mit den 80%ern gesteckt.

hebdo
20.11.2022, 20:39
Ich habe 2014/15 aus der gleichen Situation heraus meine Überstunden eingeklagt. Das Argument deines Arbeitgebers ist, dass nicht angeordnete, in deinem Fall von einem OA nicht gegengezeichnete Überstunden „Freizeitvergnügen“ sind. Aber darüber gibt es viele Gerichtsurteile. In der praktischen Rechtssprechung werden gebilligte Überstunden den angeordneten gleichgestellt.

Das rechtlich wasserdichte Vorgehen läuft folgendermaßen ab:
1. jede Überstunde am besten mit Fallnummer und Tätigkeit dokumentieren. Hört sich aufwendig an, ist aber eine Sache von Sekunden: z.B. 123456 Aufklärung OP, 234567 Laborkontrolle nach OP, 345678 Analgesie, 18.00-19.00 Kurvenvisite mit OA Schöselpösel, 987654 Entlassbrief und Gespräch

2. spätestens nach 3 Monaten die Überstunden einreichen. Alles was älter ist verfällt. Zuerst habe ich meine Überstunden nur im CA-Sekretariat abgegeben und mir den Empfang schriftlich bestätigen lassen. Gegen Ende habe ich eine Runde gemacht: CA, Personalchef und Betriebsrat.

Ergebnis: die Klinik hat sich natürlich geweigert. Es gab ein paar Briefwechsel der Anwälte. Beim Gütetermin hat der Richter dann klar seine Einschätzung abgegeben. 2 Monate später war das Geld auf meinem Konto

Chriman
21.11.2022, 08:15
@hebdo
Das klingt straight...;)
Wie hat sich das im Laufe der Zeit auf dein Arbeitsverhältnis ausgewirkt und wie war die Stimmung in der Zeit des laufenden Verfahrens?
Hat der Richterspruch zu einem nachhaltig anderen Verhalten der Abteilung/Klinik insgesamt geführt?

hebdo
21.11.2022, 22:18
Die erste Reaktion bestand zuerst aus Ignorieren und Abblocken. Dann kamen die Anwälte ins Spiel. Vor allem der CA wurde vom Geschäftsführer unter Druck gesetzt. Als nächstes folgten dann so Angebote wie Abgeltung von 30 Überstunden einmalig (ich hatte über 300h angesammelt). Im Alltag war der CA und der leitende OA ganz normal zu mir und den anderen Querulanten. Die anderen OÄ waren auf unserer Seite. Habe im Alltag wenig Konsequenzen gemerkt. Habe die anstehenden Rotationen machen dürfen, war weiter in den Forschungsprojekten tätig.

Nachhaltig war es aber nicht wirklich. Im Endeffekt wurde dann ein Spätdienst eingeführt. Ich habe den OA spätestens um 14.00 Uhr zur Visite angerufen. Um spätestens 17.00Uhr bin ich raus. Habe den zuständigen OÄ eine kurze Liste mit Fragen/ Problemen geschrieben bzw. nochmal telefonisch informiert. Er hat die Kurvenvisite dann allein gemacht. Die Auszahlung an Überstunden musste immer wieder angemahnt werden. Nach 2,5 Jahren habe ich aus fachlichen Gründen die Klinik gewechselt.

Man muss schon mit Gegenwind rechnen und benötigt Durchhaltevermögen. Keiner zahlt freiwillig. Es kann auch sein, dass man keine Zukunft in de Abteilung hat. Aber im Endeffekt muss man sich fragen, ob man unter solchen Bedingungen langfristig arbeiten will.

D.Hollywood
21.11.2022, 22:37
Es ist im übrigen schon spannend, dass Ärztinnen und Ärzte diese Bedingungen immer wieder hinnehmen....
Da muss man sich echt fragen, wie groß der Sekundärgewinn ist.

Gestern habe ich noch eine Reportage auf Youtube über eine Ärztin gesehen, die nach 6 Jahren Chirurgie nun aufhört und lieber in die Politik will. Die Gründe sind die bekannten (war eine hr-Doku über eine Ärztin in Frankfurt -Edit: Hab den Link mal bei Reportagen über den Arztberuf gepostet).
Die Ärztin berichtete auch, dass sie auf ihrer ersten Stelle, direkt nach dem Studium, sofort ins kalte Wasser geworfen wurde. Sie hat sich dann 6 Monate den Ar... aufgerissen um den Anforderungen gerecht zu werden, und wurde hinterher doch am Ende der Probezeit gekündigt....

Und die Moral von der Geschichte: Den Einsatz, den Du jetzt zeigst, und die unzähligen Überstunden (Du hast 12-Stunden-Tage erwähnt), dankt dir später Niemand. Verbrannte Zeit.
Die Doku hsv ich auch gesehen. 33 Jahre jung und sieht aus wie 45. Ich war geschockt über ihre Geschichte. Ich verstehe auch nicht wieso wir so dumm sind. Niemand würde das machen.

GloriaSchmidt
22.11.2022, 14:39
Ich bin immer wieder schockiert.
In der Klinik war es so, dass wir 30 Minuten täglich ohne OÄ Genehmigung aufschreiben „durften“, für alles darüber hinaus mussten wir das Okay holen.
„Hallo Oberarzt, soll ich noch XY machen und dafür länger bleiben oder wollen Sie das machen und ich gehe?“.
Das könntest du auch machen - täglich zu Feierabend diese Frage stellen, und dann natürlich die angeordneten Überstunden aufschreiben!
Nie, nieeee würd ich umsonst arbeiten.
Ausnahme:
Im Vertrag steht „X% Mehrarbeit sind mit dem Grundgehalt ausgeglichen“, dafür dann ein Grundgehalt, das so hoch ist, dass es okay ist 😅

Neckar
23.11.2022, 10:29
Die erste Reaktion bestand zuerst aus Ignorieren und Abblocken. Dann kamen die Anwälte ins Spiel. Vor allem der CA wurde vom Geschäftsführer unter Druck gesetzt. Als nächstes folgten dann so Angebote wie Abgeltung von 30 Überstunden einmalig (ich hatte über 300h angesammelt). Im Alltag war der CA und der leitende OA ganz normal zu mir und den anderen Querulanten. Die anderen OÄ waren auf unserer Seite. Habe im Alltag wenig Konsequenzen gemerkt. Habe die anstehenden Rotationen machen dürfen, war weiter in den Forschungsprojekten tätig.

Nachhaltig war es aber nicht wirklich. Im Endeffekt wurde dann ein Spätdienst eingeführt. Ich habe den OA spätestens um 14.00 Uhr zur Visite angerufen. Um spätestens 17.00Uhr bin ich raus. Habe den zuständigen OÄ eine kurze Liste mit Fragen/ Problemen geschrieben bzw. nochmal telefonisch informiert. Er hat die Kurvenvisite dann allein gemacht. Die Auszahlung an Überstunden musste immer wieder angemahnt werden. Nach 2,5 Jahren habe ich aus fachlichen Gründen die Klinik gewechselt.

Man muss schon mit Gegenwind rechnen und benötigt Durchhaltevermögen. Keiner zahlt freiwillig. Es kann auch sein, dass man keine Zukunft in de Abteilung hat. Aber im Endeffekt muss man sich fragen, ob man unter solchen Bedingungen langfristig arbeiten will.

Glückwünsch, dass du dich dagegen gewehrt hast. Ich finde es immer wieder erstaunlich, wie manche Kollegen solche Sachen hinnehmen. Insbesondere die, die im universitären Bereich arbeiten. Was sie als "Belohnung" dafür bekommen wäre mir nicht wert, aber zu jedem das seine.

cartablanca
23.11.2022, 11:41
Das System funktioniert ja nur deshalb, weil man nicht zusammen hält. Anonym die Arbeitszeitbehörde verständigen. Frag mal die Pflege ob die kostenlos Überstunden macht.
Aktuell ist ja die Rede von Arbeitsbedingungen von Arbeitern in Qatar. Ich habs mal geschafft - war der Rekordwert- an einer deutschen Uniklinik 110 Stunden in einer Woche zu arbeiten. Bei über 40 Grad Außentemperaturen. Den Qatarern wird ja Sklavenhaltung vorgeworfen. Wie nennt man das noch mal wenn man Leute zwingt kostenlos zu arbeiten?

FirebirdUSA
23.11.2022, 11:50
4x24h Dienst und anschließend Papiere fertig gemacht über 3-4h?
Der Vergleich mit Quatar hinkt im übrigen gewaltig...