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mbs
14.08.2023, 17:44
Ich kann den Originalartikel nicht mehr finden, habe aber einmal über die Ähnlichkeiten zwischen Medizinern und Soldaten eine interessante Analyse gelesen. In der Tat scheinen mir einige Parallelen zu existieren, beispielsweise, dass absolute Hingabe und Ignoranz des eigenen Wohls und der eigenen Gesundheit - und das zu einem im Vergleich zu ähnlichen Berufen geringen Gehalt - als eine Art Selbstverständlichkeit vorausgesetzt wird.
Außerdem müssen viele sinnlose Abläufe und Regeln penibel ohne den Hauch eines Hinterfragens befolgt werden; sei es nun das Polieren von Stiefeln oder das Auswendiglernen von Fakten, die man in der heutigen Zeit ebenso gut, sogar besser und effizienter, auch in einer Datenbank nachschlagen könnte. Beide werden dadurch mental insofern "gebrochen", als dass eigene Denkansätze systematisch abtrainiert werden. Je mehr Systemkonformität herrscht, desto mehr sind die "Belohnungen". Und es gibt einen übergeordneten Zweck, entweder die Nation oder im Fall der Medizin das Individuum unabhängig von Kosten und Folgen zu "retten".

Man hat nicht abzuweichen, sich nicht zu beschweren, für das größere "Gut" seine eigenen Interessen maximal zurückzustellen. Und dabei sowohl seine körperliche als auch psychische Gesundheit zu gefährden.

Außerdem dürften Ärzte die einzigen Akademiker sein, die Uniformen ("Berufskleidung") tragen müssen, was wiederum Individualität schon im Kern erstickt. Mir ist kein medizinischer Beruf bekannt, wo man darum herumkommen würde, offenbar gilt das ausnahmlos sowohl für patientennahe als auch patientenferne Fachrichtungen.

Mich würden in dem Zusammenhang eure Gedanken interessieren - ist euch das auch schonmal so vorgekommen, sehr ihr ebenso viele Parallelen?

Mir scheint, dass einem das mit der Zeit nicht mehr auffällt, da man nichts anderes kennt, aber wenn man mal einen Schritt zurücktritt und nachdenkt, alles aus einem gewissen Abstand heraus betrachtet, dann scheint die Tendenz klar.

JAK1
14.08.2023, 17:57
Ich habe diese Parallele selber schon gesehen, es gibt aber schon krasse Unterschiede, die dazu führen, dass es dir als Soldat in einigen Belangen sogar besser ergeht. Sehen wir uns mal auf dem Papier die Befehlsstruktur an: Chef>Oberarzt>Assistenzarzt. Das ist ja im Militär auch so Offizier>Unteroffizier>Mannschaften. Jetzt gibt es bei uns den feinen Unterschied, dass du als Assistenzarzt (Offizier) permanent noch Befehle von Hilfskräften (Pflege, irgendwelche bescheuerten Sekretärinnen) entgegen nehmen musst. Hier geht es dir im Militär also sogar besser. Kein Offizier würde einen Befehl von einem Hauptgefreiten annehmen und das ist ja auch gut so.

Man opfert seine Gesundheit halt auf eine andere Art als ein Soldat. Man schwebt nicht in Lebensgefahr, aber durch den Stress zerstört man seinen Körper halt über längere Zeit effektiver.

Dienstkleidung tragen andere Akademiker aber auch (Apotheker, Chemiker, Banker (hier ist die Uniform halt der Anzug), Frachtkapitäne, Piloten (zumindest die die es studiert haben)). Das stimmt also erstmal nicht.

Feuerblick
14.08.2023, 18:20
Also, ich weiß ja nicht… ich habe in meinem Berufsleben bisher noch nie (!!!) Befehle einfach befolgt oder befolgen müssen. Ich habe auch noch nie meine Gesundheit oder besser mein Leben aufs Spiel gesetzt, weil mir das jemand befohlen hat. „Abweichen“, Nachfragen oder gar Verweigerung hatte keine ernsthaften Folgen. Weder für meine Karriere noch für mein Leben. Eigene Denkansätze waren gewünscht und gefordert. Wenn ich keinen Bock mehr hatte oder der Stress meiner Gesundheit hätte schaden können, konnte ich einfach gehen. In der Praxis zwingt einen auch niemand zum Tragen von Berufskleidung aka Uniform.
Was sagen denn diejenigen hier im Forum, die beide Seiten kennen. Heerestorte z.B.?

JAK1
14.08.2023, 18:40
Also, ich weiß ja nicht… ich habe in meinem Berufsleben bisher noch nie (!!!) Befehle einfach befolgt oder befolgen müssen. Ich habe auch noch nie meine Gesundheit oder besser mein Leben aufs Spiel gesetzt, weil mir das jemand befohlen hat. „Abweichen“, Nachfragen oder gar Verweigerung hatte keine ernsthaften Folgen. Weder für meine Karriere noch für mein Leben. Eigene Denkansätze waren gewünscht und gefordert. Wenn ich keinen Bock mehr hatte oder der Stress meiner Gesundheit hätte schaden können, konnte ich einfach gehen. In der Praxis zwingt einen auch niemand zum Tragen von Berufskleidung aka Uniform.
Was sagen denn diejenigen hier im Forum, die beide Seiten kennen. Heerestorte z.B.?

Sorry, aber das kann ich dir nicht glauben. Im OP wird man ständig herumkommandiert und sei es nur weil du die Spitze des Hakens nicht betonst. Auf Station kriegst du vom Oberarzt die Anordnung noch Untersuchung XY zu machen. Das ist nicht negativ, sondern auch in gewisser Weise gut so. Keiner brauch einen der mit wenig Erfahrung Wilder Westen spielt.

Feuerblick
14.08.2023, 18:59
Und du meinst, dass man im „normalen“ Berufsleben niemals rumkommandiert wird? Ehrlich? Schon mal ne Ausbildung gemacht? Dennoch sind das keine Befehle im engeren Sinne, denn du hast immer die Wahl. Als Soldat dann doch eher nicht.

Relaxometrie
14.08.2023, 19:31
Mir ist kein medizinischer Beruf bekannt, wo man darum herumkommen würde, offenbar gilt das ausnahmlos sowohl für patientennahe als auch patientenferne Fachrichtungen.
Man weiß gar nicht, wo man anfangen soll, die vielen komischen Gedanken in Deinem Posting zu widerlegen.
Ich nehme aber mal das oben zitierte: in der Psychiatrie arbeitet man meist in Privatkleidung.
Im Krankenhaus war ich übrigens sehr froh über die von Dir sogenannte Uniform: man bekam die Dienstkleidung gestellt, sie wurde gewaschen, ich musste mir keine Gedanken über den Einkauf machen, habe meine Privatkleidung nicht verbraucht......ich fand's positiv, Kleidung gestellt zu bekommen.

Jetzt in der Praxis muss ich die Arbeitskleidung selbst kaufen und waschen, wobei ich vorallem das Waschen, Bügeln und Hin-und-her-Schleifen zwischen Wohnung und Praxis lästig finde. Ich trauere der Arbeit im Krankenhaus kaum nach; aber sich einfach Hose/ Kasack im Wäschelager holen zu können, war extrem praktisch.

Heerestorte
14.08.2023, 19:40
Ich kann den Originalartikel nicht mehr finden, habe aber einmal über die Ähnlichkeiten zwischen Medizinern und Soldaten eine interessante Analyse gelesen. In der Tat scheinen mir einige Parallelen zu existieren, beispielsweise, dass absolute Hingabe und Ignoranz des eigenen Wohls und der eigenen Gesundheit - und das zu einem im Vergleich zu ähnlichen Berufen geringen Gehalt - als eine Art Selbstverständlichkeit vorausgesetzt wird.

Ja, da gibt es gewisse Parallelen. Nur frage ich jetzt dich: was sind ähnliche Berufe, in denen man dann auch noch mehr verdienen soll? Und absolute Hingabe und Ignoranz des eigenen Wohls ist mir auch zu sehr Prosa.
Das mag vllt auf einzelne im Extremfall (Auslandseinsatz, Feuergefecht etc) zutreffen, ist aber weder die Regel noch Alltag.



Außerdem müssen viele sinnlose Abläufe und Regeln penibel ohne den Hauch eines Hinterfragens befolgt werden; sei es nun das Polieren von Stiefeln oder das Auswendiglernen von Fakten, die man in der heutigen Zeit ebenso gut, sogar besser und effizienter, auch in einer Datenbank nachschlagen könnte. Beide werden dadurch mental insofern "gebrochen", als dass eigene Denkansätze systematisch abtrainiert werden. Je mehr Systemkonformität herrscht, desto mehr sind die "Belohnungen". Und es gibt einen übergeordneten Zweck, entweder die Nation oder im Fall der Medizin das Individuum unabhängig von Kosten und Folgen zu "retten".

Das Beispiel mit den Stiefeln ist geschenkt…sowas gab es und gibt es auch noch, aber das ist idR auf die Grundausbildung beschränkt und soll einfach das soldatische Handwerkszeug festigen und auch psychologisch ein bisschen ermüden, auch wenn es sinnlos erscheinen mag. Und systematisches Abtrainieren von eigenem Denken findet auch nicht statt; Allein schon, weil man jeden Befehl für sich selbst überprüfen sollte (dienstlicher Zweck, Rechtmäßigkeit etc). Für Situationen, in denen man kein „Denken“ gebrauchen kann, gibt es die Drillausbildung.
Handlungsweisen werden so oft stumpf wiederholt, bis sie im Unterbewusstsein festsitzen.



Man hat nicht abzuweichen, sich nicht zu beschweren, für das größere "Gut" seine eigenen Interessen maximal zurückzustellen. Und dabei sowohl seine körperliche als auch psychische Gesundheit zu gefährden.


Nicht beschweren? Wofür gibt es das Beschwerderecht, Eingaben bei Wehrbeauftragten etc? Die Zeiten sind vorbei und das ist gut so. Das man die körperliche Gesundheit als Soldat unter Umständen gefährdet, das stimmt. Das Recht auf körperliche Unversehrtheit, was einem dem GG nach zusteht, das kann für Soldaten eingeschränkt werden. Z.b. Duldungspflicht bei Impfungen etc….Gebäude stürmen und evtl. angeschossen werden, kann passieren, ja.



Außerdem dürften Ärzte die einzigen Akademiker sein, die Uniformen ("Berufskleidung") tragen müssen, was wiederum Individualität schon im Kern erstickt. Mir ist kein medizinischer Beruf bekannt, wo man darum herumkommen würde, offenbar gilt das ausnahmlos sowohl für patientennahe als auch patientenferne Fachrichtungen.
Mich würden in dem Zusammenhang eure Gedanken interessieren - ist euch das auch schonmal so vorgekommen, sehr ihr ebenso viele Parallelen?



Die meisten Pädiater, die ich kenne, laufen in Zivil rum. Ebenso fast jeder Hausarz, Betriebsarzt/ Psychiater etc. Und Akademiker…schau dir Ignenierue beim tüv oder in Industriebetrieben an, die haben auch alle eine Art Uniform, Weste, Schutzkleidung etc. Oder Polizisten, Kommissare haben auch studiert und tragen Uniform usw. Völlig an den Haaren herbeigezogen diese Aussage.



Also ich glaube ich weiß schon, worauf du bzw der Text hinaus will, aber das ist zu schwarz-weiß gezeichnet.

Heerestorte
14.08.2023, 19:43
Ich habe diese Parallele selber schon gesehen, es gibt aber schon krasse Unterschiede, die dazu führen, dass es dir als Soldat in einigen Belangen sogar besser ergeht. Sehen wir uns mal auf dem Papier die Befehlsstruktur an: Chef>Oberarzt>Assistenzarzt. Das ist ja im Militär auch so Offizier>Unteroffizier>Mannschaften. Jetzt gibt es bei uns den feinen Unterschied, dass du als Assistenzarzt (Offizier) permanent noch Befehle von Hilfskräften (Pflege, irgendwelche bescheuerten Sekretärinnen) entgegen nehmen musst. Hier geht es dir im Militär also sogar besser. Kein Offizier würde einen Befehl von einem Hauptgefreiten annehmen und das ist ja auch gut so.



Tja, das sollte so sein, die Realität zeigt was anderes. Lässt man da in der Klinik den Dienstgrad raus hängen und spielt sich auf, wird man das genauso wie im Zivilen bereuen. Der einzige Vorteil ist halt, dass du das Handeln im Zweifel befehlen kannst, was dann aber darin endet, dass sie Pflege nur noch das macht, was ihr befohlen wurde und das will man natürlich auch nicht :-))

freak1
14.08.2023, 21:29
Herr General! Oma Erda hat sich gerade mörderisch eingeschissen. Welchen Lappen soll ich zum Reinigen verwenden, Herr General? Ich brauche einen Befehl! :-oopss

davo
15.08.2023, 07:21
Die meisten der genannten Aspekte wirst du in jeder Organsation finden. Ganz egal ob wir von einer Hippie-Kommune 1968 reden, oder von einer Stammesgesellschaft auf einer Pazifikinsel.

pashtunwali
15.08.2023, 10:40
Bei uns in der Uniklinik war es teilweise wirklich wie im Militär. Ist mir wirklich schleierhaft wie man sich sowas dauerhaft geben kann. Bin dann auch gewechselt.

JAK1
15.08.2023, 10:51
Bei uns in der Uniklinik war es teilweise wirklich wie im Militär. Ist mir wirklich schleierhaft wie man sich sowas dauerhaft geben kann. Bin dann auch gewechselt.

Hab die Erfahrung leider auch gemacht.

Frisko
15.08.2023, 11:54
Ich habe die Parallelen auch schon mal gezogen, aber in komplett anderen Bereichen. Wobei meine Gedanken da auf gar keinen Fall repräsentativ sind, weil ich nie für die Bundeswehr gearbeitet habe. Kenne dies dann nur durch Erzählungen von Freunden, die teilweise Offiziere geworden sind.

Ich sehe z.B. eine Ähnlichkeit in dem "Korpsgeist". Also irgendwie sehr spezielle Beziehungen und "Freundschaften", die auf Station entstehen und dann teilweise auch nur da Bestand haben. Und in der Medizin werden dann im Team eben bestimmte Dinge erlebt, die sich den Dritten einfach nicht erklären lassen, die von einem "Zugehörigen" aber sofort verstanden werden. Funktioniert dann auch mit Polizei und Feuerwehr.

Und mein zweiter negativer Punkt ist: es wird von uns erwartet, gesammelt und ruhig in absolute Krisensituationen reinzugehen. Klar, Ziele von Soldat*innen und Ärzt*innen sind andere. Aber: da ist jetzt ein Autounfall mit zwei tödlich Verunglückten, bei zweien wissen wir nicht, wie es aussieht. Auf geht´s. Und: es wird auch irgendwie angenommen, dass wir ja dafür ausgebildet sind und das deswegen schon passt. Psychische Folgen? Ja, gucken wir uns demnächst mal an. Aber da müsste noch ein Dienst am Samstag besetzt werden...

Wir hatten witzigerweise ein ähnliches Gespräch vor einigen Wochen, als unsere 17jährige FSJlerin bei einer Reanimation geholfen hat und danach einfach zusammengebrochen ist. Noch nie erlebt, noch kein Berührungspunkt mit Tod oder Sterben. Aber als "Vollkraft" am Wochenende im Frühdienst eingeplant. Und wenn du die Handschuhe ausgezogen hast, die Patientin in der 17 hat die Schutzhose voll.

anignu
15.08.2023, 13:59
Ich sehe z.B. eine Ähnlichkeit in dem "Korpsgeist".
Das hast du unter BWLlern oder Musikern auch... es gibt da schon viele solcher Gruppen.
Und das ist auch normal! Man hat täglich mit den Leuten zu tun, man arbeitet mit denen, hat Gemeinsamkeiten usw. Und dann macht man halt auch in der Freizeit Dinge zusammen und spricht über ähnliche Dinge. Völlig normal. Und entweder man mag das oder man sucht sich halt einen anderen Freundeskreis.

Mei, man kann krampfhaft Parallelen ziehen oder diese widerlegen. Ich kenn auch diese ewige Diskussion dass sich die Ärzte mal in gewissen Situationen von den Piloten in Bezug auf Fehlervermeidung was abschauen sollen. Und da gibt es dann auf der einen Seite klare Parallelen und dann doch wiederum so gar nicht.

Aber diskutieren wir die Punkte doch mal einzeln:
- "absolute Hingabe und Ignoranz des eigenen Wohls und der eigenen Gesundheit" -> absolute Hingabe? Seh ich nicht. Ignoranz des eigenen Wohls und der eigenen Gesundheit? Anders. Ich denke beim Militär werden eigene Bedürfnisse aufgrund klarer Befehle hintenangestellt. In der Medizin durch psychischen Druck. Diesen Druck spüren aber vor allem Assistenzärzte. Aus meiner aktuellen Position raus gibt es das nicht mehr. Oder sagen wir minimal. In welchem Beruf gibt denn es gar keinen Druck. Und vor allem wenn man eben die "Lehrzeit" betrachtet? Aber das ist eine überschaubare Zeit im Leben eines Mediziners.
- "im Vergleich zu ähnlichen Berufen geringen Gehalt" -> für einen Angestellten mit Tariflohn ist der Stundenlohn nicht schlecht. Einfach mal vergleichen, das passt schon. Ich find uns da nicht schlecht gestellt also in keinem Fall "gering". Und was Soldaten mit Auslandseinsätzen verdienen das ist auch nicht "gering"...
- "viele sinnlose Abläufe und Regeln penibel befolgen" -> ach, ich weiß nicht. Über manche Abläufe kann man sicherlich streiten, der Großteil macht schon irgendwie Sinn oder hat es zumindest mal gemacht. Und dass wir in einem semisozialistischen Krankheitssystem viele Vorschriften haben die außer Arbeit nichts bringen ist sicherlich richtig. Und jetzt? Frag mal bei Beamten oder im öffentlichen Dienst oder sonstwo nach, ob die der Meinung sind dass deren Abläufe und Regeln Sinn machen. Hat eher was mit dem Gesundheitssystem als Gesamtkonstrukt zu tun als mit der Ähnlichkeit zum Militär.
- "Je mehr Systemkonformität herrscht, desto mehr sind die "Belohnungen"" -> das sind dann wahrscheinlich deine persönlichen Erfahrungen. Die teile ich einfach nicht. Also so gar nicht. Es gibt systemkonforme Leute die damit gut durchkommen und andere die nicht durchkommen. Kommt eher auf den Chef an. Manche Chefs mögen das, andere nicht. Aber das wirst du in der freien Wirtschaft auch so erleben. Mit manchen Chefs kommst du zurecht, mit anderen nicht.
- "Außerdem dürften Ärzte die einzigen Akademiker sein, die Uniformen" -> dann kommst einfach mal in unsere Abteilung. Es gäbe offiziell eine weiße Hose, ein weißes Polo und einen Kittel. Manche tragen aber lieber ihre eigene Hose, andere haben noch ein altes weißes Hemd von früher, wieder andere tragen lieber ein eigenes T-Shirt, manche ein eigenes Poloshirt, manche einen blauen Kasack und Kittel haben nur die wenigsten an. Wenn du dir in der früh die Morgenbesprechung anschaust, das hat nichts mit Gleichschaltung zu tun. Jeder trägt was er/sie will. Und ich red von einer chirurgischen Abteilung! Da wär ich mal beim Militär neugierig wenn jeder grad das trägt aus das er Bock hat und das jeden Tag anders...

Insofern: klar gibt es Elemente die ähnlich sind, genauso wie es Gemeinsamkeiten mit anderen Berufen gibt. Aber wenn ich mir überleg wie viele Freiheiten ich aktuell oder inzwischen hab, das hat mit Militär nichts zu tun. Dass ich da aus einer anderen Position sprechen kann wie manche andere ist mir bewusst. Aber die Assistenzarztzeit, so schlimm wie sie für manche sein mag, ist auch eine Zeit die vorbei geht.

Frisko
15.08.2023, 14:43
Das hast du unter BWLlern oder Musikern auch... es gibt da schon viele solcher Gruppen.
Und das ist auch normal! Man hat täglich mit den Leuten zu tun, man arbeitet mit denen, hat Gemeinsamkeiten usw. Und dann macht man halt auch in der Freizeit Dinge zusammen und spricht über ähnliche Dinge. Völlig normal. Und entweder man mag das oder man sucht sich halt einen anderen Freundeskreis.


Kann ich nicht beurteilen, bin weder das eine, noch das andere.

Denke mir auch gerade, dass dieser Geist spätestens beim Schritt aus der Klinik raus wahrscheinlich verloren geht. Da gibts, zumindst aus meiner Erfahrung dann eher ein "Die da im KH" und "Die da draußen."

hebdo
15.08.2023, 17:07
Als ob es außerhalb der Medizin bzw. Krankenhäusern keine straffen Hierarchien, cholerische Chefs, Ausbeutung, geringe Wertschätzung, unbezahlte Überstunden, Mobbing, Burnout und andere psychischen Erkrankungen etc. gibt.

Sorry, aber das ist wirklich keine Realität.

Ich habe selbst vor dem Medizinstudium in der freien Wirtschaft gearbeitet. Meine erste Stelle war in einem großen industriellen Familienunternehmen wo der Patriarch der Gottkönig war. Da sind eben Akten und Schrauben geflogen und kein OP-Besteckt.

Danach war ich in einer Werbeagentur. Habe öfter über 60h/Woche ohne Ausgleich gearbeitet, Kollegen mit Burnout erlebt. Dafür flache Hierarchien, Freiheiten, die Chefs alle per Du und die besten Kumpels, solange du Leistung gebracht hast. Der Druck wird anders aufgebaut.

Mein Bruder als Patentanwalt in einer großen internationalen frankfurter Kanzlei: 3 Jahre durchgehend up-or-out, 24/7 on duty, immer erreichbar.

Bekannter bei EY, glaube 80h/ Woche arbeitet er im Urlaub.

Guter Freund im Musikmanagement: flache Hierarchien aber ebenfalls ständig am Arbeiten - auch im Urlaub.

Nachbarin Leiterin einer Modefiliale: Hungerlohn für eine 6 Tagewoche

Vater eines Schulfreundes meines Sohnes: Bauarbeiter arbeitet teilweise >12h/Tag, ständiger AG- und Baustellenwechsel, Bezahlung oft unter Mindestlohn. Der muss richtig strampeln um seine Familie über Wasser zu halten.

Zum Thema Arbeitskleidung: vor der Pandemie habe ich mehrere Kollegen erlebt, die in der Ambulanz oder Station ihre eigenen Hosen oder Oberteile getragen haben. Halte ich für Funktionsbereiche, ITS und ZNA aber objektiv sinnfrei.

Und der Vergleich Soldaten und Ärzte riskieren ihre Gesundheit bzw. ihr Leben ist gerade mit dem Krieg in der Ukraine total fehlplaziert. Ich glaube jeder Soldat im Fronteinsatz würde gerne mit einem von uns tauschen

Endoplasmatisches Reticulum
15.08.2023, 18:30
Hmm. Ich finde es spannend, dass auf negative Erfahrungsberichte derzeit oft verunglaubwürdigende Antworten der Marke "Ich frage mich ja echt, wo du/ihr gearbeitet hast/habt" kommen. Aber außerhalb der Medizin hat dann jeder einzelne Bekannte in jeder anderen Branche bei der Stellenwahl offensichtlich mindestens genau so sehr ins Klo gegriffen.

Da wäre der logische Schluss ja eigentlich, dass es uns rundum richtig gut geht - wenn Horrorstories von Ärzten immer nur unrepräsentative Randerfahrungen sind und es gleichzeitig aber allen anderen wirklich so schlecht geht, oder noch schlechter.

Ich denke, letztlich spiegelt sich die Realität eher in Flächenindikatoren der realen Welt wie MB-Umfragen, Sentiments, dem Teilzeitdrang der Ärzte oder der allgemeinen Klinikflucht nieder. Nicht in Anekdoten vom Schwager eines Bekanntes des Neffen eines früheren Schulkameradens, nicht in zum Hofieren gezwungenen Mangelfächern und -regionen. Und auch nicht nicht im Self-Assessment gemachter Leute, die ihre Karriereendposition längst erreicht haben oder kurz davor stehen.

Das ist ja auch das schöne an der Thematik: Man muss niemanden von irgendetwas überzeugen. Einfach abwarten und beobachten. Time will tell. P.S. Wer von den Oberärzten macht jetzt die übrigen interdisziplinären Vordergrunddienste? Sind auch nur noch 20 unbesetzt.

Feuerblick
15.08.2023, 19:33
Ich frage mich eher, wo das ganze Drama herkommt. Inclusive offenbar unrealistischer Erwartungen das Berufsleben betreffend (bin da ganz bei Hebdo). Eine Handvoll unzufriedener Menschen flutet das Forum geradezu und überall mit Horrorberichten. Ständig. Jeden Thread! Das ist ganz sicher auch kein Abbild der Realität. Denn wie überall liest man nur die Meckernden, die Zufriedenen brauchen nichts loswerden. :-meinung

JAK1
15.08.2023, 20:19
Ich frage mich eher, wo das ganze Drama herkommt. Inclusive offenbar unrealistischer Erwartungen das Berufsleben betreffend (bin da ganz bei Hebdo). Eine Handvoll unzufriedener Menschen flutet das Forum geradezu und überall mit Horrorberichten. Ständig. Jeden Thread! Das ist ganz sicher auch kein Abbild der Realität. Denn wie überall liest man nur die Meckernden, die Zufriedenen brauchen nichts loswerden. :-meinung
Ich würde mich an deiner Stelle mal fragen, ob du das nicht ständig lesen musst, weil die Zustände einfach unerträglich sind.
Umfrage vom Marburger Bund 2019 (also noch vor Corona! Wir wissen alle, dass sich die Zustände verschlechtert haben!):


Wie schätzen Sie Ihre Arbeitsbelastung ein?
10%: Ich gehe ständig über meine Grenzen
49%: Ich bin häufig überlastet

Link: https://www.marburger-bund.de/mb-monitor-2019

Wo ist das eine Handvoll?

Die Aussagen, die du hier teilweise tätigst empfinde ich als höchstgefährlich. Ich frage mich wer hier wirklich abseits der Realität lebt.

Feuerblick
15.08.2023, 20:27
Ich empfinde dieses ständige „Überall ist alles schlecht“ von einigen Unermüdlichen hier auch als höchstgefährlich. Hilft das dem Thema weiter? Nö.
Realität ist übrigens (siehe hebdo), dass JEDER Job beschissene Bedingungen, miese Chefs, Überarbeitung, Überstunden usw. bieten kann. Nein, in anderen Berufsfeldern scheint nicht 24/7 die Sonne.