Die Ärzteschaft lehnt ihn ebenso ab wie die gesundheitspolitischen Entscheidungsträger im Bund, trotzdem wird nun ein Bachelor-Master-Studiengang für Medizin in Deutschland eingerichtet. Die Entscheidung des Wissenschaftsrates für ein grenzüberschreitendes Bachelor-Master-Medizinstudium im niederländischen Groningen und im niedersächsischen Oldenburg ist für den Präsidenten der Ärztekammer Westfalen-Lippe, Dr. Theodor Windhorst, nicht nachzuvollziehen und ein „extrem großer Schritt in die total falsche Richtung“.
„Für was qualifiziert ein Bachelor-Abschluss in Medizin?“, fragt Kammerpräsident Windhorst. „Auf keinen Fall für eine ärztliche Tätigkeit! Den weitaus meisten Bachelor-Absolventen wird die berufliche Perspektive fehlen, wie bisherige Erfahrungen zeigen“, prophezeit er. „Ich habe kein Verständnis dafür, dass sich der Wissenschaftsrat, schließlich ein Gremium, das die Bundesregierung in Hochschul- und Wissenschaftsfragen beraten soll, gegen die von Minister Rösler und Staatssekretärin Widmann-Mauz klar vertretenen Positionen stellt.“ Beide hätten sich in der Vergangenheit deutlich gegen ein Bachelor-Master-Medizinstudium ausgesprochen. Windhorst erinnert an eine Aussage von Minister Rösler im Vorfeld des letzten Deutschen Ärztetages, der das derzeitige sechsjährige Medizinstudium in seiner gewachsenen Komplexität als einen Elefanten bezeichnet hatte, für den eine Modularisierung und Aufteilung in Einzelblöcke nach Bachelor-Modell dem Abschneiden von Rüssel und Ohren gleiche. Staatssekretärin Widmann-Mauz hatte Mitte des Jahres verlautbart, dass die bundeseinheitliche Studienstruktur mit Staatsexamen und Approbation dafür Sorge trage, dass Ärzte in Deutschland mit gleich bleibend hoher Grundqualität ausgebildet seien.
Nicht nur für die Bundespolitik, auch für die Ärzteschaft sei ein Bachelor-Master-Studium der Medizin nicht akzeptabel. Windhorst befürchtet „einen Qualitätsverlust in der Patientenversorgung durch dieses Schnell-Studium“. In Zeiten des Ärztemangels sei dies ein aus der Not geborenes Hilfskonstrukt. „Der hohe Qualitätsstandard, den die Gesellschaft vom Medizinstudium erwartet, wird durch eine sechssemestrige Bachelorausbildung nicht sichergestellt“, so Windhorst. Ein Bachelor-Abschluss unterhalb des Status der Approbation dürfe keinesfalls eine ärztliche Tätigkeit ermöglichen.
Der Kammerpräsident verweist in diesem Zusammenhang auch auf das Votum des vergangenen Deutschen Ärztetages in Dresden. Das deutsche Ärzteparlament hat sich einstimmig gegen die Einführung eines solchen Bachelor-Master-Studienganges für Medizin ausgesprochen. „Und das zu Recht, denn das einheitliche und hochwertige Medizinstudium mit dem Abschluss Staatsexamen muss erhalten bleiben.“ Ein modulares zweistufiges Bachelor-Master-Studium widerspreche der notwendigen tiefgreifenden Verzahnung von theoretischen Grundlagen und klinischer Anwendung. Zudem lege die Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates ausdrücklich fest, dass die ärztliche Grundausbildung mindestens sechs Jahre und 5.500 Stunden theoretischen und praktischen Unterricht an einer Universität oder unter Aufsicht einer Universität umfassen müsse.
Im Interesse eines qualifizierten Studiums als Voraussetzung für die jeweilige Facharztweiterbildung muss nach Ansicht des westfälisch-lippischen Kammerpräsidenten an der bisherigen Struktur des Medizinstudiums festgehalten werden. „Wir müssen nicht über verkürzte Studiengänge nachdenken, sondern eher über ein verstärkt praxisorientiertes Studium, das besser auf die Patientenversorgung vorbereitet.“
Nach Angabe des Wissenschaftsrates sollen im Rahmen der so genannten ‚European Medical School Oldenburg-Groningen’ Studierende beider Universitäten ein gemeinsames Studium durchlaufen, an dessen Ende die Studierenden die Möglichkeit haben, das Studium entweder mit einem niederländischen Master of Science in Geneeskunde oder mit dem in Deutschland üblichen Staatsexamen abzuschließen. Beide Abschlüsse sollen nach europarechtlichen Anerkennungsrichtlinien zur Ausübung der ärztlichen Tätigkeit in allen Staaten der Europäischen Union befähigen.
Quelle:AEKWL