Da ich zwischen Abi und Studium doch einige Zeit frei hatte und schon immer Medizin studieren wollte, beschloss ich, in dieser Zeit schon mal die Hälfte meines Pflegepraktikums hinter mich zu bringen. In die Gießener Uniklinik sollte es gehen, am liebsten in die Kinderklinik. Beim Vorstellungsgespräch stellte sich heraus : in der Kinderklinik gibt es nur wenige Plätze und die sind für Studenten reserviert. Und so verschlug es mich auf Vorschlag des Personalchefs auf die Wochenstation der Frauenklinik, wo es ja auch Kinder gibt und ich mich gleichzeitig auch um Erwachsene kümmern kann.
Am ersten Tag sollte ich mich um halb acht bei der Pflegedienstleitung melden und - wie hätte es anders sein können – natürlich wusste niemand, dass ich komme und sechseinhalb Wochen bleiben würde, es war nur eine Praktikantin für zwei Wochen angemeldet. War dann aber doch kein größeres Problem und eine viertel Stunde später bekam ich von der Stationsschwester meine Dienstkleidung (ungefähr drei Nummern zu groß, da zwei Stunden nach dem regulären Dienstbeginn nichts anderes mehr übrig war). Danach zeigte mir eine andere Praktikantin die Station und erzählte mir, was Praktikanten dort so alles machen müssen. Insgesamt war am ersten Tag aber recht wenig los und ich saß viel herum, sodass ich mir schon dachte: Sechseinhalb Wochen rumsitzen, na das wird ein Spaß...
Zum Glück wurde es dann aber auch schnell interessanter. Am zweiten Tag gab es einige Abschlussuntersuchungen von Frauen, die entbunden hatten und nach Hause entlassen werden sollten. Die Untersuchungen machte eine supernette PJlerin, die neben zwei Studenten auch mich mit zur Untersuchung ließ. Sie hat uns erklärt, was man auf dem Ultraschallbild sieht und danach durfte ich sogar den Bauch der Frau abtasten, um herauszufinden, wie weit sich die Gebärmutter schon zurückgebildet hat. Hauptsächlich habe ich während meines Praktikums schon viele der typischen Praktikantenarbeiten gemacht: Betten machen, Essen austeilen und einsammeln, Getränkestationen auffüllen, darauf achten, dass die Versorgungsschränke in den Zimmern immer gut gefüllt sind. Aber auch mehrmals täglich Vitalzeichen messen und in den Computer eintragen, Befunde in Akten einheften, Patientinnen mobilisieren und Blut- und Urinproben wegschicken gehörte zu meinen Aufgaben, ab und an durfte ich auch Verbände wechseln oder mal eine Rückenmassage machen. Zu den interessanteren Dingen gehörten die Blutzuckertagesprofile, wo ich bei den Frauen mit Verdacht auf Gestrationsdiabetes oder bei entbundenen Frauen, die während der Schwangerschaft Gestrationsdiabetes hatten, mehrmals täglich Blutzucker messen und die Werte eintragen musste, wobei ich das erste mal so richtig mit Blut zu tun hatte. Besonders gut hat es mir auch gefallen, mit den Hebammenschülerinnen zusammen die Wochenbettbesuche zu machen und die Rückentwicklung der Gebärmutter zu tasten und Kaiserschnittnarben oder Dammschnitte und –risse zu kontrollieren. Wenn nicht allzu viel zu tun war, konnte ich auch mal bei der Visite mitgehen.
Als angehende Medizinstudentin haben mich die ärztlichen Tätigkeiten natürlich besonders interessiert. So habe ich mich also bemüht, auch davon möglichst viel mitzubekommen. Das war manchmal etwas anstrengend, denn man musste schon wirklich penetrant nerven, damit man informiert wurde, wenn es was Interessantes zu sehen gab. Aber dann war ich doch erfolgreich: nachdem ich ungefähr ein Dutzend mal im Kreißsaal nachgefragt hatte, durfte ich endlich mit in den OP, um mir einen Kaiserschnitt anzuschauen. Ganz in Grün, mit Haube und Mundschutz ging es dann los, natürlich musste ich immer zu allem genügend Abstand halten, um auch ja nichts unsteril zu machen, aber trotzdem hatte ich gute Sicht auf das Geschehen. Zuerst wurde mit einem Pieks in den Rücken die Narkose gespritzt, nach einer Zeit dann der Bauch desinfiziert und die Ärzte stellten sich an ihre Position zum operieren. Es war wirklich interessant zu sehen, wie die verschiedenen Hautschichten durchtrennt, der Bauchraum und schließlich die Gebärmutter geöffnet wurde. Dann ein kräftiger Ruck und der erste Schrei des neuen Erdenbürgers war zu hören; ein beeindruckendes Gefühl... Anschließend wurde die Gebärmutter wieder zugenäht, herausgeholt und von allen Seiten begutachtet, dann wurde alles ausgespült und der Bauch wieder verschlossen. Anschließend hat mir sogar der Oberarzt persönlich meine Fragen beantwortet. Eine gute Woche später konnte ich dann sogar ganz unerwartet noch einmal bei einem Kaiserschnitt zuschauen, diesmal ging ich direkt nach der Geburt des Kindes mit in den Nebenraum, um zuzuschauen, wie das Kind zum ersten Mal untersucht, gemessen und gewogen wird.
Nachdem ich dann auch das Kinderzimmer genügend oft genervt hatte, konnte ich schließlich bei einer U2 zuschauen. Irgendwann hatte es sich scheinbar im Kinderzimmer herumgesprochen, dass ich immer an Untersuchungen interessiert bin, und so bekam ich dann auch öfter mal Bescheid, wenn es etwas Interessantes zu sehen gab. Also konnte ich dann noch bei einigen Hüft- und Nierensonografien bei den Kleinen zuschauen und ich war dabei wie einem Kind am Fuß Blut abgenommen wurde. Ein Highlight bei den Untersuchungen war ein Kopfultraschall bei einem Neugeborenen, das einen Arm nicht richtig bewegen konnte. Der Kinderarzt hat mir ganz genau erklärt, was man auf dem Ultraschallbildschirm sieht, wofür das alles da ist und wie es bei einem gesunden Kind aussehen muss. Über meine Fragen hat er sich richtig gefreut und sie ausführlich beantwortet. Danach hat er mir sogar am Computer noch Ultraschallbilder von einem kranken Baby gezeigt und mir erklärt, welche Veränderungen darauf zu sehen sind. Auf meine Nachfrage hin hat er mich sogar noch mit auf die Neugeborenenintensivstation genommen und mir auch dort alles genau gezeigt und erklärt; ich durfte sogar bei einem ganz kleinen Baby die Schädelnähte tasten. Alles auf dieser Station hat mich sehr beeindruckt, es ist schon wirklich bewundernswert, wie so ein kleines, viel zu früh geborenes, 500g leichtes Baby, das man vor lauter Schläuchen, Kabeln und Geräten kaum sehen kann, mit aller Kraft um sein Leben kämpft...
Ein weiteres Highlight gab es dann noch an meinem vorletzten Tag, als ich schon fast nicht mehr daran geglaubt hatte: ich durfte bei einer Spontangeburt dabei sein. Im Gegensatz zu dem doch ziemlich blutigen und etwas brutalen Kaiserschnitt ging es hier wesentlich schöner zu. Es war wirklich faszinierend zu sehen, wie erst das Köpfchen und schließlich der Rest des Körpers zur Welt kam, dass Baby auf den Bauch der Mutter gelegt wurde und zum ersten Mal schrie... Überhaupt hat mir meine Arbeit immer am meisten Spaß gemacht, wenn ich Zeit hatte, um mich mit den Babys zu beschäftigen. Es hat doch ungemein für das viele Bettenmachen entschädigt, wenn ich ein Baby auf dem Arm halten und einfach ein bisschen hin und her schaukeln konnte. Manchmal durfte ich sogar ein Baby wickeln. Wirklich gut gefallen hat mir auch die Arbeitsatmosphäre. Das Team der Wochenstation war wirklich supernett, wir hatten viel Spaß miteinander und meine tausend Fragen wurden immer geduldig beantwortet. Besonders gut fand ich, dass fast immer Krankenpflegeschüler oder –schülerinnen und vor allem Hebammenschülerinnen mit mir zusammen Dienst hatten, die in etwa in meinem Alter waren und mit denen ich mich wirklich super verstanden habe. Auch die Ärzte waren sehr nett und haben sich auch mir als Praktikantin gegenüber nicht arrogant verhalten. Alles in allem hätte ich mir kaum ein besseres Pflegepraktikum wünschen können. Ich habe wirklich viele interessante Dinge gesehen und so einiges gelernt. Besonders gefreut hat mich, dass fast alle Frauen damit einverstanden waren, wenn es mal wieder hieß: „Darf die Praktikantin auch mal gucken?“