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Auslandssemester in Providence/Rhode Island

Austauschprogramm Uni Tübingen - Brown University

Sabine Gabrysch

Von Ende Januar bis Ende Juli 2000 habe ich im Rahmen eines Austauschprogramms der Universität Tübingen an der Brown University in Providence/Rhode Island studiert. Rhode Island liegt an der Ostküste, zwischen Boston und New York. Ich hatte schon seit Beginn meines Medizinstudiums vor, einen Teil im Ausland zu verbringen. Allzuviel Auswahl an Programmen gibt es für Mediziner nicht und im für sein gutes Teaching berühmten angloamerikanischen Sprachraum war die Brown University gar die einzige Partneruniversität Tübingens, dafür aber als Mitglied der Ivy League eine besonders renommierte. Die Vorlaufzeit war sehr lang, meine Bewerbungsunterlagen gab ich im sechsten Semester ab, im siebten bekam ich Bescheid, dass ich zu den glücklichen vier Auserwählten gehörte und am Ende des neunten ging die Reise dann los. Im Gegensatz zu Vorgängern und Nachfolgern erhielt ich mein Visum rechtzeitig und ohne größere Probleme, auch Kurswahl und Unterkunft waren frühzeitig geklärt. Da das amerikanische Studienjahr anders eingeteilt ist als das deutsche, reiste ich schon vor Ende des neunten Semesters ab, die anstehenden Prüfungen hatte ich mündlich vorgezogen, die Doktorarbeit kurz zuvor in ihrer Endfassung abgegeben. Alles hatte also geklappt wie geplant.

Nach sechsstündiger Verspätung in New York kam ich schließlich mitten in der Nacht völlig übermüdet im internationalen Apartment auf dem Brown Campus in Providence an, wo unser australischer Mitbewohner Dale glücklicherweise noch wach war und mir die Tür öffnete. Am nächsten Tag standen Dinge wie Studentenausweis besorgen, e-mail einrichten und Umgebung erkunden an. Von meinem Vorgänger konnte ich ein altes Fahrrad und noch ein paar andere nützliche Dinge übernehmen. Die Miete für mein kleines Zimmer in unserer Sechser-WG war mit 400 $ im Monat schmerzhaft hoch, zumal auch die Einrichtung nicht die neueste war. Dafür hatte man aber die zentrale Lage und eine nette und internationale Mischung an Mitbewohnern, mit denen ich mich wunderbar verstand. Wir haben viel zusammen unternommen, hatten einen gemeinsamen Freundeskreis, der auch einige Amerikaner einschloss, und haben oft bis in die Nacht über Gott und die Welt diskutiert.

Zunächst zum Studium: Ich hatte mich in Tübingen für das Sommersemester beurlauben lassen, so dass ich meine Klinikerfahrungen nun als Famulaturen anrechnen lassen kann. So hatte ich auch völlig freie Hand, welche Kurse ich belegen wollte und wählte die Clerkships Innere Medizin, Pädiatrie und Radiologie sowie ein Elective in Neurologie. Clerkships bzw. Electives sind die Kurse der amerikanischen Medizinstudenten des dritten (vorletzten) bzw. vierten (letzten) Studienjahres, welche vollständig im Krankenhaus stattfinden. Dabei vermitteln die Clerkships eher Grundlagenwissen, beinhalten viel Unterricht und eine Abschlussprüfung und sind sehr zeitaufwendig. Die Electives sind je nach Fach und Ort sehr verschieden und insgesamt eher für den fortgeschrittenen (PJ-)Studenten, da man oft selbständig arbeiten kann.

Durch einen glücklichen Zufall wurde zwei Monate vor meiner Abreise über das Studiendekanat in Tübingen ein sehr guter Medical English-Kurs angeboten, so dass ich in etwa wusste, wie in den USA Patientenfälle aufgeschrieben und präsentiert werden, dies erfolgt nämlich nach strengen Regeln. Und vor allem: Ich kannte zumindest einige der unglaublich zahlreichen, allgegenwärtigen Abkürzungen und erstarrte nicht vor Schreck, wenn ich beispielsweise folgende Zeile las: CC: CP. HPI: 68 y/o AAM c ESRD now c/o CP and ­ SOB ... (Auflösung: Chief complaint: chest pain. History of present illness: 68 year-old African-American male with endstage renal disease, now complaining of chest pain and increased shortness of breast...;-) Man gewöhnte sich dann aber doch sehr schnell daran.

Als ersten Kurs hatte ich das dreimonatige Innere Medizin Clerkship gewählt, das - wie auch alle anderen Clerkships - sehr gut durchorganisiert ist. Wir waren zehn Studenten, davon jeweils drei für einen Monat in der Ambulanz, ich hatte meinen Ambulanzteil in der Mitte. Beinahe jeden Tag hatten wir eine oder mehrere Stunden Unterricht: Gemeinsames Erarbeiten des Vorgehens anhand von Fallszenarien zu bestimmten Krankheitsbildern, einen Kurs zur „rationalen klinischen Untersuchung“, einen EKG-Kurs und in Dreiergruppen Präsentationen eigener Fälle. In der übrigen Zeit war man einem Team zugeteilt, mit dem man gearbeitet hat. Der Schichtplan ist folgendermaßen: Einen Tag ist das Team „on call“, d.h. nimmt bis in die Nacht neue Patienten auf, und das Team (der Student nicht) ist auch durchgehend für Notfälle zuständig, am nächsten Tag „post call“ sind alle entsprechend müde, danach kommt der „short call“ (Patientenaufnahme bis nachmittags) und schließlich der „good day“ ohne Aufnahmen. Wenn ein solcher auf ein Wochenende fällt, bekommt man den Tag frei, ansonsten wird durchgearbeitet.
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