Chirurgie im Reformstudiengang
Erfahrungen in heicumed
Alicja Zybowski
Nachdenkliches aus der Urologie
Die Urologie, ein sehr überschaubares Fachgebiet, stimmte mich zunächst skeptisch, weil ich eine gewisse Einseitigkeit befürchtete und, dass die Prostata und ihre Krankheiten uns ausschließlich beschäftigen würden. Für einen niedergelassenen Arzt wäre dies wohl auch der Fall, aber eine Uniklinik hat natürlich immer eine größere Vielfalt und auch sehr außergewöhnliche Krankheiten zu bieten. Besonders die Nierentransplantation hat mich sehr interessiert. Die Seminare beinhalteten auch Notfälle jeglicher Art und ein großes Diagnostisches Quiz zum Schluss der Woche. Es wurde nie langweilig zuzuhören, die Theorie und Praxis war sehr ausgewogen und die Organisation sehr gut. Natürlich war die Krebskrankheit, wie in jedem anderen chirurgischen Fach auch, ein sehr großes Thema. Nach zehn Wochen hat man fast den Eindruck, dass Krebs irgendwann jeden Menschen irgendwo befallen wird; es war sehr traurig, diese Patienten zu sehen und gleichzeitig zu wissen, dass es eigentlich gar keine ursächliche Heilung gibt, zumindest noch nicht. Wenn durch die Forschung eines Tages auf diesem Gebiet eine ursächliche Heilung erzielt werden kann, wird so unglaublich vielen Menschen geholfen. Die Dozenten waren gleichfalls gute Lehrer und sehr einfühlende Ärzte, es war bewundernswert zu sehen, wie fürsorglich sie im Klinikalltag mit den Patienten umgingen.Gefäßchirurgie: Lernfreude und Lernfrust im Wechsel
Die Gefäßchirurgie behandelte natürlich die Arteriosklerose und ihren Folgen, die in der westlichen Gesellschaft, die Todesfolge Nummer eins darstellt. An Aktualität konnte dieser Kurs also mit Sicherheit nicht überboten werden. Es wurden wirklich die Krankheiten besprochen, die uns tatsächlich erwarten werden in unserer späteren Laufbahn, egal in welchem Fachgebiet man sich später spezialisieren wird. Die Dozenten waren so unterschiedlich, dass man nach einem Tag völlig begeistert nach Hause ging und am nächsten Tag völlig ohne Motivation den Seminarraum verließ. In einer Pol-Veranstaltung hörten wir einen 45-minütigen Dialog und darauf wurde das gleich nochmals im Bedside-Teaching wiederholt. Vielleicht hatte ich einfach nur Pech mit der Auswahl des Dozenten, aber eigentlich finde ich es sehr schade, auf sein Glück hoffen zu müssen. Es ist immer wieder erstaunlich, welche unterschiedlichen didaktischen Fähigkeiten Ärzte aufweisen können.
In der Herzchirugie wurde Unwichtiges zu Wichtig genommen
Die Herzchirurgie war mit Abstand der am schlechtesten organisierte Kurs von allen: es gab nur einen einzigen Dozenten für die gesamte Woche und für alle Kursteilnehmer, d.h. dieser Dozent musste jeden Tag zwei oder drei Seminare halten und noch zusätzlich sechsmal POL für drei verschiedene Gruppen.
Da ist es nicht schwer zu verstehen, dass dieser Mensch bald gar keine Lust mehr hatte und sich das genauso auf die Studenten übertragen hat. Außerdem wurden ganz spezielle Themen wie congenitale Herzfehler viel zu ausführlich behandelt und im Gegensatz dazu nur ein freiwilliger Kurs für das Befunden des EKGs nur auf äußersten Wunsch von Studenten angeboten, obwohl das - wie ich finde - etwas absolut essentielles darstellt. Auch das Thema Herzinfarkt und seine Therapie ist viel zu kurz gekommen, obwohl man doch Patienten mit derartigen Beschwerden enorm viel häufiger antreffen wird als mit congenitalen Herzfehlern, die sofort zu absoluten Spezialisten weitergeleitet werden. Die Themengebiete waren einfach nicht sinnvoll eingeteilt und sogar in der Leitsymptom - Vorlesung passierte es, dass 180 Studenten eine Stunde vergeblich auf den Professor warteten.
Thoraxchirugie in der größten Klinik Europas
Die Thoraxchirurgie wurde in Rohrbach innerhalb von drei Tagen unterrichtet. Natürlich haben wir viele Raucher als Patienten dort angetroffen, aber viele Patienten waren aufgrund ihres Metastasenleidens mit anderem Primärtumor dort anzutreffen. Dafür ist wohl Rohrbach eine sehr geeignete Klinik und die größte in ganz Europa, wie uns berichtet wurde, denn in keinem anderen Krankenhaus werden täglich so viele Operationen durchgeführt wie in der Thoraxchirurgie in Rohrbach und in einem anderen Krankenhaus in den USA. Die Seminare und das Bedside-Teaching schien alles sehr gut organisiert, sowohl makroskopisch als auch mikroskopisch wurden uns verschiede Krankheitsbilder dargelegt. Dort durften wir sogar in den OP, um bei Teilresektionen der Lunge zuzuschauen.
Nur hatte man den Eindruck, dass die Dozenten alle sehr schlecht gelaunt waren und überhaupt gar keine Lust auf Studenten hatten. Vielleicht lag es daran, dass wir einer der letzten Kurse waren, aber auf jeden Fall war die Atmosphäre sehr „bedrängend“. Vom thematischen Aspekt her war dieser Kurs sehr interessant, aber vom menschlichen und sozialen Aspekt gesehen hat dieser Kurs vielen Studenten fragen aufgeworfen. Auch die Leitsymptomvorlesung gehörte mit Abstand zu einer der besten verglichen mit den anderen chirurgischen Fächern. Denn die renommiertesten Professoren halten nicht unbedingt auch die didaktisch beste Vorlesung. Denn zumeist sind es die jungen Ärzte, welche die Verständnisschwierigkeiten der Studenten nachvollziehen und ihre Vorlesung auch genau nach dem Wissenstand der Studenten ausrichten können.