Wir möchten in der Reihe "Interview mit Ärzten" an dieser Stelle das Gespräch mit Herrn Michael Osthoff veröffentlichen, der den kleinen Fragenkatalog wie folgt beantwortet hat.
Beschreiben Sie bitte kurz Ihren studentischen Werdegang (Studienort, Studienverlauf, Studienzeit etc.). An welche Höhepunkte und auch Tiefpunkte während des Studiums erinnern Sie sich noch heute?
Beginn des Studiums Oktober 1996 in München an der LMU München; Ende des Studiums November 2002 ebenfalls in München. Höhepunkte waren sicher meine Auslandsaufenthalte in Singapore, USA und Schweiz, die ich nur jedem empfehlen kann; ebenfalls sehr gut in München ist die Vorklinik. Weiterer Höhepunkt an der LMU München waren die sog. "Harvard-Kurse", die nach dem amerikanischen Prinzip des problemorientierten Lernens (POL) in Kleingruppen stattfanden.
Tiefpunkte waren die meist sehr schlechten praktischen Kurse an der LMU München im klinischen Abschnitt, was oft an dem Kurs an sich lag, aber oft auch daran, dass ich leider sehr oft mit schlecht motivierten Mitstudenten zusammen im Kurs war. So habe ich zwar eine gute theoretische Ausbildung, aber im Vergleich zu anderen Ländern eine sehr schlechte praktische Ausbildung in München genossen (die ich zum Glück durch meine Auslandsaufenthalte entscheidend verbessern konnte).
Im Studium haben mir besonders gefallen die Neurologie (weil man alleine mit seinen fünf Sinnen und etwasAnatomie oft schon auf die richtige Diagnose kommt und der Kurs sehr gut war)und die Gerichtsmedizin (weil es unheimlich spannend ist, Detektiv zu"spielen"). Weniger interessant fand ich z.B. die Orthopädie, weil wir keinen einzigen Patienten gesehen haben.
Was haben Sie am Tag Ihres 3. Staatsexamen(s) gemacht, nachdem Sie die Prüfung erfolgreich hinter sich gelassen und damit das Medizinstudium abgeschlossen hatten?
Mir ist erst einmal ein Stein vom Herzen gefallen, dass nun nach 6 langen Jahren alles vorbei ist. Danach bin ich im kleinen Kreis feiern gegangen.
Mit welcher Motivation haben Sie das Medizinstudium begonnen, sprich warum haben Sie sich entschieden, Medizin zu studieren? Gab es den entscheidenden Augenblick/Situation, mit dem feststand „Jetzt weiss ich es: Ich studiere Medizin“?
Ich wollte eigentlich erst Jura studieren, hatte den ZVS-Studienplatz fast schon fest. Als aber der Bescheid der ZVS zur Überprüfung der Angaben kam, war für mich plötzlich über Nacht klar, dass ich eigentlich nicht Jura sondern Medizin studieren möchte. Gott sei Dank hatte ich den Medizinertest zum Spass während der Schulzeit gemacht und so war der Studienfachwechsel kein Problem. Ich glaube, ich habe noch rechtzeitig gemerkt, dass es mir viel mehr Spass macht, mit Patienten zu kommunizieren und ihnen zu „helfen“ (und sei es nur mit ihnen zu reden) als mit Klienten und mich die Medizin als Wissenschaft auch viel mehr interessiert als die Juristerei. Aber so richtig gewusst, dass Medizin das Richtige ist, habe ich eigentlich erst bei der Arbeit unmittelbar mit dem Patienten im Krankenhaus (und eigentlich wird mir das bei jedem neuen Patienten wieder bewusst !)
Wie bewerten Sie diese Motivation rückblickend? Hat sie sich während des Studiums aufrechterhalten oder in welcher Form hat sie sich geändert?
Meine Motivation hat sich wie oben erwähnt während des Studiums nur noch verstärkt, ich habe nie an der Medizin an sich gezweifelt, wohl aber ob München als Studienortwahl richtig war (bzw. ob ich nicht mehr Zeit im Ausland hätte verbringen sollen).
Wie sieht der Alltag als Arzt für Sie heute aus? Was macht Ihnen am meisten Spass? Was am wenigsten?
Ich arbeite heute in der Inneren Medizin und promoviere in der Tumorimmunologie der Urologie über das Thema "Vakzinierungstherapie beim Prostatacarcinom". Am meisten macht mir immer noch die Arbeit mit dem Patienten selbst Spass, d.h. das Gespräch, die körperliche bzw. apparative Untersuchung.....; Schade finde ich es, dass mir immer weniger Zeit dafür zur Verfügung steht, denn ich habe das Gefühl, dass gerade die unmittelbare ärztliche Betreuung für den Patienten sehr sehr wichtig ist.
Welche Tipps würden Sie Studenten, die jetzt vor der Entscheidung stehen, Medizin zu studieren, mit auf den Weg geben?
Sie sollen am besten einmal mit einem jungen Arzt reden, der noch nicht so lange fertig ist.
Im Vergleich zu vielen anderen Studienfächern ist die Medizin sehr zeitaufwendig (wobei das Auswendiglernen ja nicht unbedingt anspruchsvoll ist), sei es wegen Doktorarbeit, immer wieder stattfindenden Prüfungen oderPraktika im Krankenhaus.
Gut wäre auch, wenn man einfach mal eine Woche mit einem Arzt mitlaufen könnte, nur um mal zu sehen, was man als Arzt eigentlich so macht.
Empfehlen würde ich eher eine kleinere Uni (Regensburg, Freiburg, Tübingen...)
Wenn einem die Medizin wirklich Spass macht, dann wird einen das auch die teilweise schlechte Ausbildung bzw. Arbeitsverhältnisse als Arzt nicht mies machen können.
Vielen Dank für die Beantwortung der Fragen!