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Chirurgie-PJ in Johannesburg, Südafrika

Infiziert mit dem „Bara bug“

Daphne Müller

 

Als ich mich an südafrikanischen Universitäten um einen PJ-Platz in der Chirurgie bewarb, ging es mit vor allem darum, etwas zu sehen und auch machen zu dürfen. Da meiner Erfahrung nach letzteres in Deutschland nur selten der Fall ist, war es mir wichtig, zumindest einen Teil meines chirurgischen Tertials im Ausland zu verbringen.

Ich hatte nie sonderliche Ambitionen, bei Schuss- und Messerstichverletzungen an vorderster Front zu stehen, sondern vielmehr, im OP als Student involviert zu werden. Deshalb habe ich mich für „general surgery” und nicht für die allseits begehrte „trauma“-Abteilung entschieden.

Reisepass genügt

Schon etwa eineinhalb Jahre im Voraus begann ich, mich an verschiedenen südafrikanischen Universitäten zu bewerben. Ich erhielt etwa acht Monate im Voraus einen Bescheid von der „University of the Witwatersrand“ in Johannesburg. Neben einer Aufforderung, die Studiengebühren (5.500 südafrikanische Rand pro Monat, etwa 440 Euro) zu zahlen, wurden mir verschiedene Informationsbroschüren zugesandt und meine Rückfragen prompt per Mail beantwortet. Da ich nur zwei Monate in Südafrika verbrachte und somit unter der 90-Tage- Frist geblieben bin, brauchte ich kein Visum zu beantragen. Für meine Einreise genügte der normale Reisepass.


Kurzfristig umgebucht

Eigentlich hatte ich einen Platz im „Johannesburg General Hospital“, dem Krankenhaus, das direkt an der „Medical School“ liegt. Nach meinem ersten Tag dort und den Berichten von anderen deutschen Studenten, die sowohl hier als auch im „Chris Hani Baragwanath Hospital“ in Soweto tätig gewesen waren, hatte ich den starken Eindruck, dass mich in diesem Krankenhaus das gefürchtete „deutsche Szenario“ mit wenig praktischen Möglichkeiten erwarten würde. Also entschied ich mich nach Rücksprache mit dem „elective offi - cer“ dafür, ans „Bara“ zu wechseln. Eine Entscheidung, die ich nicht bereut habe: Gleich am ersten Tag wurde ich gefragt, ob ich Lust hätte, im OP zu assistieren.

Meine Dienstzeiten

Ein normaler Arbeitstag begann um sieben mit der Busfahrt ins „Bara“ und endete mit der Rückfahrt um 17:15. Jeden Morgen fand die „ward round“ statt, im Anschluss daran an zwei Tagen pro Woche Operationen. Ein Tag war für die „breast clinic“ reserviert, wo sich etwa 150 bis 200 (!) Patientinnen und Patienten mit verschiedensten Brustbeschwerden vorstellten. Jeden vierten Tag war meine Unit „on call“, also 24 Stunden im Einsatz. Da die Stationsarbeit oder auch das OP-Programm am nächsten Tag normal bewältigt werden musste, bedeutete das durchaus eher einen 30-Stunden-Einsatz. Ich machte nur einen „call“ pro Woche und fuhr nach 24 Stunden pünktlich am nächsten Morgen nach Hause, ab ins Bettchen.

Situation verbessert sich

Insgesamt waren die Ärzte alle sehr freundlich. Ich wurde immer mit einbezogen, durfte im OP assistieren und nähen. Am Ende meines Aufenthaltes durfte ich sogar ein paar „minor ops“ wie Exzision von Zysten oder Lipomen selbstständig durchführen. Natürlich sind die OP-Säle im Bara etwas rudimentärer als die deutschen ausgestattet und auch die meisten OP-Schwestern konnten im Vergleich zu den deutschen nicht gerade mit ihrer Effektivität glänzen. Trotzdem hatte ich den Eindruck, dass sich im Bara vieles zum Positiven entwickelt und die Ärzte auch wirklich daran interessiert sind, dass sich die Situation verbessert. Und vor allem lernt man im Bara, zu improvisieren und wenigen Mitteln und Materialien enormen Arbeitseinsatz entgegenzusetzen und dadurch viel zu schaffen!

Enormes Arbeitspensum

Die 24-Stunden-Dienste verbrachte man größtenteils im „surgical patient intake“, kurz „SPIT“, wo die ganze Nacht hindurch sowohl allgemeinchirurgische als auch Trauma-Patienten einströmten. Man wurde mit verschiedensten Fällen konfrontiert: Patienten, die meinten, eine Kakerlake im Ohr sitzen zu haben, kleine Kinder mit Harnverhalt, gastrointestinale Blutungen, Abszesse an allen möglichen Körperstellen und auch die eingangs erwähnten Messerstich- und Unfallopfer.

Bei den Fällen, die im weitesten Sinne im Bereich der Allgemeinchirurgie lagen, versuchte ich, Anamnese und Untersuchung zu erheben, dann den Patienten einem Arzt zu präsentieren und anschließend eine Behandlung folgen zu lassen: ob nun Ohrspülung, Urinkatheterisierung und Drainierung von Abszessen. Dabei wurde einem wieder deutlich, wie wichtig eine gründliche klinische Untersuchung mittels Händen und Stethoskop sind, da die Patienten nicht routinemäßig zum Röntgen, EKG, Sono geschickt werden konnten. Manchmal ging es in der Nacht dann noch in den OP, wo die dringlichen Fälle erledigt wurden. Erstaunlich war, wie die Ärzte dieses enorme Arbeitspensum bei einem stets bestehenden Schlafdefizit bewältigten. Dazu kam das Risiko der Nadelstichverletzungen, denen zwei der „Interns“ während meines Aufenthaltes erlegen sind und somit die Postexpositionsprophylaxe mit all ihren Nebenwirkungen auf sich nehmen mussten. Vielleicht gerade wegen dieser ganzen Anstrengungen waren die Stimmung und besonders der Zusammenhalt im Team wirklich gut.

Auto: ratsam

Wie man in allen Erfahrungsberichten lesen kann: Es empfi ehlt sich sehr, ein Auto in Südafrika zu haben. Es geht auch ohne, doch es erleichtert einem das Leben und Reisen dort sehr und so würde ich jedem, der länger als zwei Monate in Südafrika bleibt, zu einem Auto raten. Ich hatte während meines Aufenthaltes kein Auto und mich unter anderem auch deshalb dafür entschieden, auf dem Unicampus in einem der Studentenwohnheime zu bleiben. Anschluss zur „Außenwelt” sichern verschiedene Busse, die in regelmäßigen Abständen zum Maincampus fahren sowie durch den morgendlichen Bus zum Bara. Diese Verbindungen waren ziemlich zuverlässig. Insgesamt ist das Leben in Johannesburg jedoch mit vielen Einschränkungen verbunden, da ein sicheres öffentliches Verkehrsnetz, das man aus Deutschland gewohnt ist, nicht existiert. Das heißt natürlich nicht, dass man in Johannesburg in ständiger Angst lebt! Bestimmte Bezirke (z.B. Hillbrow) sollte man zwar grundsätzlich meiden und sich an gewisse Regeln halten, aber dann kann man durchaus unbeschwert durch die Malls oder Bezirke wie Greenside schlendern.

Das nächste WM-Land

Südafrika bietet natürlich viele Sehenswürdigkeiten und man wird von den Ärzten durchaus darin bestärkt, Land und Leute auch außerhalb des Krankenhauses kennenzulernen. Hier ist es natürlich wieder von Vorteil, wenn einem ein Auto zur Verfügung steht. Ein Muss sind der Krueger Nationalpark, eine geführte Tour durch Soweto und ein Abstecher nach Kapstadt. In der Umgebung Johannesburgs bieten sich zudem Sun City, Madopeng und ein entspannter Tag in Greenside an. In Kapstadt selbst herrscht ein sehr viel relaxteres Klima und Lebensgefühl als in Johannesburg. Die Stadt ist aber auch viel „weißer“ und weniger wie das typische Südafrika, das ich erlebt habe.


Harte und positive Momente

Rückblickend hat mein PJ in Johannesburg einige harte Momente geboten, aber auch sehr viele, die mir im positiven Sinne immer in Erinnerung bleiben werden. Der Aufenthalt hat mir bewusst gemacht, dass ein Leben in Deutschland mit all seinen Einschränkungen gleichzeitig auch viel Freiheit im täglichen Leben und damit auch Lebensqualität bietet.

Als mich eine der Ärztinnen fragte, wie mein abschließender Eindruck vom Bara sei, konnte ich ihr sagen, dass ich mich an diesem einzigartigen Krankenhaus trotz all seiner Mängel von Anfang an wohl gefühlt habe. Darauf antwortete sie, dass ich wohl auch vom „Bara bug” infi ziert worden sei, was hinsichtlich der dort herrschenden Hygiene durchaus auf zweierlei Weise zu deuten ist.

Soviel ist klar: Meine Hoffnung, in Südafrika die Möglichkeit zu haben, als Student etwas zu sehen und mitzuarbeiten, wurde auf jeden Fall erfüllt.

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