Über die Motivation, Medizin zu studieren...
Faszination Medizin
Redaktion (MEDI-LEARN)
Der Wecker klingelt. Ich schaue auf die Uhrzeit. Es ist tatsächlich 7 Uhr. In der sicheren Gewissheit, dass der Tag nichts Spannendes bringen wird und vom Prinzip her genau so ablaufen wird wie die Tage der letzten zwei Monate auch, quäle ich mich aus dem Bett.
Es ist noch ein Monat bis zum 1. Staatsexamen und mindestens zwei Monate intensiven Lernens liegen bereits hinter mir. Ich habe keine Lust mehr!
Mindestens zum fünften Mal versuch ich Ansatz, Ursprung und Innervation der Unterarmmuskulatur in meinen Kopf reinzuprügeln, wohl wissend, dass ich es binnen zwei Wochen sicher wieder vergessen habe. Der Spaß am Lernen hält sich in Grenzen. Meine Freunde sind in den SKI-Urlaub gefahren, warum ich denn nicht mitkommen würde? – Tja, dumm gelaufen…
Der Tag besteht also einmal mehr aus Lernen. Hin und wieder telefoniere ich mit einer Kommilitonin oder einem Kommilitonen, es geht ihnen ähnlich, ein schwacher Trost. Die Zeit vor großen Prüfungen sei nie schön, hab ich mir sagen lassen. Stimmt. Und einmal mehr stell ich mir die Frage, warum ich mir das eigentlich antue? Woraus kann ich eigentlich noch Motivation für dieses Studium schöpfen? Andere Studienfächer sind doch auch ganz nett und vielleicht nicht ganz so stressig.
In den Nachrichten berichtet die Nachrichtensprecherin von Demonstrationen des Marburger Bundes für bessere Arbeitsbedingungen. 24 Stunden Schichten seien nicht hinnehmbar, unbezahlte Überstunden auch nicht. Ich frag mich einmal mehr, ob sich dieses stressige Studium für einen Job zu solchen Arbeitsbedingungen später lohnt. Ich sollte vielleicht nicht so viel nachdenken, sondern lieber lernen…
Unweigerlich ist sie wieder da, diese Frage: Warum studier ich Medizin? Und genau diese Frage kursiert auch umso häufiger innerhalb des Semesters, je näher das 1. Staatsexamen rückt. Dabei ist mir aufgefallen, dass die meisten meiner Kommilitoninnen und Kommilitonen, genau wie ich, von sehr starkem Idealismus geprägt zu sein scheinen. Denn eines ist sicher: Weder wegen des Geldes, noch wegen der geregelten Arbeitszeiten sollte man Medizin studieren. Ich erinnere mich an eine Einführungsvorlesung von einem Professor, der die Medizin als das „Schönste Fach der Welt“ bezeichnete. Ich atme tief durch. Vielleicht hat er Recht?
Es ist immer wieder motivierend Ärzte zu erleben, die trotz der harten Arbeitsbedingungen mit ihrem Job zufrieden sind. Ich bin getragen von der Idealvorstellung, dass die Arbeit mit Patienten und die Chance, ihnen helfen zu können, eine sehr große Bereicherung sein kann. Die Arbeit mit Patienten hat mir schon im Pflegepraktikum großen Spaß gemacht. Das ist es, was mich für dieses Studium motiviert. Manchmal habe ich diese Motivation beim Lernen auf das 1. Staatsexamen leider vergessen – vielleicht auch, weil ich zu oft das Gefühl hatte, nicht relevante Dinge lernen zu müssen.
Oder aber auch, weil ich leider nicht zu denjenigen gehöre, die Medizin wegen ihres Interesses für die Naturwissenschaften studieren. Und trotzdem bin ich davon überzeugt, dass zwar die Naturwissenschaften und theoretischen Grundlagen sehr wichtig sind, mindestens genau so wichtig aber auch das Zwischenmenschliche ist. Etwas, was meiner Ansicht nach weder geprüft, noch wirklich gelehrt werden kann. Genau das ist auch das, was für mich die Faszination der Medizin ausmacht: Die Verknüpfung von fachlichem Wissen und menschlichen Einfühlungsvermögen. Nur wer es später einmal schafft, beides zu besitzen, ist aus meiner Sicht ein optimaler Arzt.