Chirurgie Tertial in Houston, Texas
Baylor College of Medicine – Harvard of the South
Nadja Schneider
Verkehrsmittel und Krankenversicherung
In Houston fährt wie erwähnt eine Straßenbahn direkt durch das Medical Center. Diese ist preiswert und gut. Busse fahren auch, aber, wie gesagt, meist noch nicht zu der Zeit, in der man sie braucht und dann auch nur einmal in der Stunde nach einem Plan, der mir nicht nachvollziehbar war. Busse sieht man aber immer wieder vor Ort und mit der Zeit bekommt man auch heraus, welcher wohin fährt. Für wenig Geld gibt es außerdem Fahrräder zukaufen – z.B. für $50-70 bei Walmart oder Target. Es ist allerdings nicht sehr verbreitet, große Strecken mit dem Rad zurückzulegen und das Wetter ist tatsächlich sehr wechselhaft: An einem Tag sind es 27 Grad, am nächsten 7 Grad mit Regen! Ich habe ein bisschen bedauert, dass ich mir nicht gleich zu Beginn ein Rad zugelegt habe, denn dann kommt man wenigstens mal zum Drugstore oder zum Park. Houston hat zwar nicht so viele Einwohner, aber sehr viel Fläche und alles ist doch sehr weit auseinander. Meistens haben die Amerikaner aber sehr viel Mitleid mit denen, die kein Auto haben – das ist ja für sie unvorstellbar – und man wird gerne mal abgeholt und nach Hause gefahren. Die Texaner sind wirklich sehr, sehr freundliche Menschen! Ein Auto ist natürlich optimal und man kann sich preiswert einen Mietwagen bei Enterprise mieten, wenn man mal etwas unternehmen möchte.
Vom Flughafen wurde ich glücklicherweise von meinem Mitbewohner abgeholt, aber angeblich kostet es mit dem Taxi ins Medical Center (wo ja auch die Favrot Tower Appartements für Studenten sind) $30-40, es gibt außerdem einen Airport Express Bus und einen Shuttle vom Marriott Hotel (das ebenfalls im Medical Center ist)Krankenversicherung
Baylor College verpflichtet alle Studenten eine Krankenversicherung zu kaufen, die pro Monat etwa $132 kostet. Da kommt man nicht drum heurum, auch wenn man denen erklärt, dass man eine Auslandskrankenversicherung hat. Diese Versicherung habe ich nicht in Anspruch genommen. Auf jeden Fall hat man immer eine Selbstbeteiligung, wenn man zum Arzt geht und zahlt auch sonst eine Menge dazu – für amerikanische Verhältnisse ist das aber eine gute Versicherung. Ich habe eine Auslandskrankenversicherung bei der Axa Colonia, für die ich im Jahr glaube ich €12 bezahle. Damit ist man die ersten 30 Tage im Ausland versichert. Jeder weitere Tag kostet dann ca €1. Man kann also mit diesem Deal eine relativ günstige Krankenversicherung bekommen, die ohne Selbstbeteiligung alles abdeckt! Ich erwähne das deshalb, weil ich mich nicht für die übrigen Tage weiter versichert habe – ich ging ja davon aus, meine amerikanische Krankenversicherung zu haben. Dummerweise musste ich irgendwann nach Ablauf der ersten 30 Tage zum Zahnarzt, was mal eben $1600 gekostet hat. Zähne deckt nämlich die US-Versicherung nicht ab. Es kann teuer werden – auch wenn es doppelt gemoppelt ist, so rege ich an, über eine ausreichende Auslandskrankenversicherung nachzudenken.
Im Krankenhaus
Insgesamt: Die Texaner sind sehr nett und es herrscht auch im OP ein freundlicher Ton. Natürlich fragen alle, wo man her kommt und wie es einem gefällt. Man darf sogar im OP der OP Schwester auf den Tisch greifen und sich selbst eine Pinzette oder einen Tupfer nehmen! Wer viel fragt, bekommt viel erklärt. Ähnlich wie bei uns. Ich habe nicht erlebt, dass irgendjemand einmal unfreundlich oder unhöflich war. Selbst der Operateur hat immer brav "Bitte und Danke" gesagt und alle waren sehr, sehr hilfsbereit!
Ein bisschen schwierig ist es manchmal dadurch, dass die Amerikaner ein sehr festes Schema haben, Anamnese und Status erheben. Außerdem verwenden sie dabei sehr, sehr viele Abkürzungen. Macht man es anders als sie, können sie es oft nicht verstehen und machen es selber noch einmal oder sagen, dass es so nicht geht oder dass das schlecht ist. Für mich war mein Chirurgie-Tertial in Houston mein letztes Tertial und ich hatte wahrlich in meinem Innere-Tertial genügend Anamnesen erhoben. Ich fühlte mich ein wenig beleidigt – schließlich habe ich aber erkannt, dass es dort alle so machen, es nicht anders kennen und dass es leichter ist, ich passe mich an. Es mag hilfreich sein, sich es sich am Anfang einmal richtig zeigen zu lassen, um Konflikte zu vermeiden.
Es ist außerdem wichtig zu verstehen, dass in Houston die Elective Rotations so etwas sind wie die Blockkurse bei uns. Ein Student ab dem 3.Semester Medical School geht zwei bis vier Wochen mit dem Arzt eines bestimmten Fachgebietes mit und muss darüber Buch führen, beobachtet viel und guckt viel zu. Genauso wurde auch ich behandelt. Ich musste den Leuten klar machen, dass ich in meinem "final year" war und bald meinen Abschluss machen wollte. Das PJ ist für uns eher so etwas ist wie das erste Jahr der Facharztausbildung (residency) in Amerika. Tut man das nicht, kann es passieren, dass man oft nur zuschaut und einem ein junger, unerfahrener Arzt erklärt, was der Unterschied zwischen Pleuraerguss und Lungenödem istDer Tag beginnt in den amerikanischen Krankenhäusern ein wenig früher als bei uns: Die Residents, also die Assistenzärzte in der Facharztausbildung, machen oft schon um 4:30 Uhr morgens die erste Visite – manchmal auch um 5:30 Uhr. Es steht einem nicht immer frei, ob man mitgehen will oder nicht. Ich habe viele amerikanische Studenten getroffen, die mitgegangen sind. Der Lerneffekt ist allerdings gleich Null und das frühe Aufstehen lohnt sich nicht. Ich entschied, dass es für mich reichte, um 6 Uhr oder 7Uhr zur morgendlichen Vorlesung vor Ort zu sein und danach mit den Residents und dem Attendant, also dem Oberarzt, Visite zu machen. Auch diese waren oft nicht sehr lehrreich. Es wird nicht wirklch verlangt, dass man alle Patienten und deren Daten und z.B. Blutbildveränderungen kannte – dafür waren die Residents verantwortlich. Kannte man sie aber nicht, war es oft leider sehr schwer zu verstehen, worum es ging, und man langweilte sich zuweilen sehr. Um 8Uhr begann meist der OP. Aber die Mühlen mahlten etwas langsamer, so wurde aus der 8Uhr-OP oft eine 11Uhr-OP und die 13Uhr-OP fand dann um 16:30Uhr statt. Irgendwie habe ich sehr viel Zeit mit Warten verbracht und es war auch eigentlich immer Zeit für eine Mittagspause! Oftmals gab es mittags noch eine Fortbildungsveranstaltung, bei der es ein Buffet gab! Also haben auch die Ärzte in dieser Zeit Pause gemacht. Auch Studenten durften zu all diesen Veranstaltungen gehen. Wir waren nicht in die OPs mit eingeplant, weder zum Hakenhalten noch zum Zusehen! So war man oft am Tisch "das fünfte Rad am Wagen" und musste neben dem Anästhesisten stehen oder sich irgendwo am Fußende platzieren, damit man etwas sehen konnte. Wer allerdings meint, dass so nichts zu lernen ist, der irrt gewalrtig! Es lohnte sich immer zu bleiben, denn selbst, wenn ich während der ganzen OP nichts machen durfte/brauchte: Nähen war Studentenaufgabe! Wer knoten und intracutan nähen konnte, hatte hier eigentlich immer die Möglichkeit. Im Gegensatz zu Deutschland hat sich niemand beschwert, wenn es länger gedauert hat, weil die Studentin genäht hat. Hin und wieder durfte ich alle Schichten nähen und auch eröffnen. Und wenn kein anderer Assistent da war, dann operierte der Oberarzt auch mit mir allein. Alles in allem schien nicht so ein großer Wind darum gemacht zu werden, wer nun was und wann und wie viel operiert.
An manchen Tagen war am Nachmittag noch Poliklinik-Sprechstunde. Das hat mir besodners viel Spaß gemacht. Die Patienten wurden in ein Untersuchungszimmer gesetzt, ihre Akte an die Tür gehängt. Man konnte sich also kurz informieren, weshalb der Patient da war, reingehen, mit ihm plaudern, eine Anamnese und Untersuchen machen und eventuell auch schon mal ein paar Fragen, die der Patient hatte, beantworten. Es war nie ein Problem, wenn man sich dem Patienten als Medizinstudent vorstellte. Die Patienten schienen darauf zu vertrauen, dass ihr Arzt und ihre Uniklinik uns richtig ausbildeten. Später habe ich dann alle Patienten, die ich gesehen hatte, dem Oberarzt vorgestellt, sind noch einmal mit ihm zu dem Patienten rein, um das weitere Procedere mit diesem zu besprochen. Oftmals hat das bis spät in den Abend gedauert, aber es war wirklich gut und lehrreich und ich fühlte mich sehr gut dabei – denn niemals hieß es „Wir haben hier noch eine Studentin –wie war noch mal Dein Name?- hätten Sie was dagegen, wenn sie dazu kommt?“
Mein Fazit
PJ in Amerika macht Spaß. Je nachdem, wie sehr man sich einbringt und wie früh man bereit ist aufzustehen, lernt man mehr oder weniger und hat ein mehr oder weniger anstrengendes Leben. Ich habe jeden Tag, bei fast jeder OP nähen dürfen, ich habe fast nie einen Haken halten müssen (manchmal den Sauger!), ich habe keine einzige Braunüle gelegt und keine einzige Blutentnahme gemacht.
Ob ich mehr oder weniger gelernt habe, als ich das in Deutschland getan hätte, ist schwer zu sagen. Dadurch, dass man seine Rotationen selber wählen darf, kann man sehr spezielle Gebiete der Chirurgie kennen lernen und dort extreme Sachen sehen – aber dann fehlen natürlich die allgemeinen Dinge. Arztsein in den USA? Ich weiß nicht… Bis dahin muss man als Ausländer einen sehr langen, steinigen Weg gehen. USMLE Step 1 und 2, bessere Ergebnisse in den Tests, um auch als Ausländer eine Stelle als Resident zu bekommen, dann 5 Jahre harte Facharztausbildung (auch nicht viel anders als bei uns?)Ja, wenn man dann irgendwann Facharzt ist in Amerika, verdient man wesentlich mehr Geld als hier, aber man lebt auch in Amerika. Ob man das wirklich will, muss jeder selbst entscheiden.
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