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Bei 60% aller Suizide spielen Depressionen eine Rolle

Gastartikel MMW Fortschritte der Medizin bei MEDI-LEARN

MMW Fortschritte der Medizin

Depressive Erkrankungen

Zwei von drei Menschen mit depressiven Symptomen vertrauen sich zunächst ihrem Hausarzt an. Für diese Patienten kann es lebenswichtig sein, dass Sie die Signale, die sie aussenden, richtig interpretieren. Unsere Autoren haben die wichtigsten Hinweise auf eine depressive Episode sowie das Einmaleins einer Akutbehandlung für Sie zusammengestellt.
Depressive Erkrankungen gelten quer durch alle Altersgruppen als die häufigsten psychischen Störungen. Der Bundes-Gesundheitssurvey 1998 dokumentiert insgesamt 11,5% depressive Erkrankungen in den letzten zwölf Monaten in der deutschen Bevölkerung (18–65 Jahre) (Männer 8,1%, Frauen 15,0 %) [12]. Dabei sind einzelne depressive Episoden sowie rezidivierende depressive Erkrankungen nahezu gleich häufig vertreten, gefolgt von Dysthymien (2,5 %) und Depressionen bei bipolaren Störungen (0,8 %).

Mehr Suizide als Verkehrstote

Die EU-Kommission für Gesundheit hat im Juli 2008 das Thema „Depression and Suicide in Europe“ ganz oben auf die Agenda präventiver Maßnahmen für die nächsten Jahre gestellt. Bei einer Lebenszeitprävalenz von 13 % (erwachsene europäische Männer 9 %, erwachsene europäische Frauen 17 %) wies die Kommission auf die hohe Beeinträchtigung der Lebensqualität durch depressive Erkrankungen (vergleichbar mit schweren körperlichen Erkrankungen) und auf die hohe Rate von Komorbidität mit anderen psychischen Erkrankungen wie Alkoholabhängigkeit oder Angststörungen hin. Zudem wurde betont, dass depressive Patienten etwa 25 % ihrer Arbeitszeit durch Arbeitsunfähigkeit verlieren (zum Vergleich: bei Herzerkrankungen 18 %, bei Diabetes mellitus 12 %).
Im Jahr 2006 verstarben in den 27 EU-Staaten 45 000 Männer und 14 000 Frauen durch Suizid. 60 % aller Suizide waren mit Depression verbunden [13]. Im gleichen Zeitraum kamen bei Verkehrsunfällen ca. 50 000 Menschen ums Leben. Dieser enorm gewachsenen gesundheitspolitischen Bedeutung der Depression versuchen derzeit auch in Deutschland die medizinische Versorgungsszene und die Gesundheitspolitik gerecht zu werden. Depressive Erkrankungen sind dabei auch eine Herausforderung für den allgemeinärztlich- internistischen, neurologischen und gynäkologischen Bereich.

Klinisches Bild

Unter einer Depression versteht man eine Erkrankung der Affektivität („Gemütskrankheit“: Stimmung und Gefühle). Es besteht eine typische Psychopathologie, eine aus der Wechselwirkung von Persönlichkeit und Lebensereignissen ableitbare Psychodynamik sowie ein typischer Verlauf (einmalige depressive Episode, mehrmaliges Auftreten, anhaltende depressive Erkrankung länger als zwei Jahre) (Tab. 1). Dazu sollten alters-, geschlechts- und kulturspezifische Modifikationen der Psychopathologie und Psychodynamik berücksichtigt werden. Zustände von Trauer, die zwar ebenfalls in eine Depression übergehen können, oder depressive Verstimmungen als Symptom einer körperlichen oder anderen psychischen Erkrankung sind von einer primären depressiven Störung (F3- Diagnosen) abzugrenzen. Trauer entsteht bei Verlust einer nahestehenden Person, eines Lebenskonzepts, eines subjektiv bedeutsamen Objekts, beeinträchtigt letztlich aber die Lebensfähigkeit und die Befindlichkeit sowie den Antrieb nicht anhaltend.

Tabelle 1 - Symptome depressiver Erkrankungen

Affektive und kognitive Symptome

  • Depressive Herabgestimmtheit, depressive Verstimmung
  • Freudlosigkeit, Gefühllosigkeit, Nicht-weinen-Können, Weinkrämpfe, Verzweiflung, Dysphorie
  • Globale Angstzustände (v. a., was auf einen zukommt)
  • Angst vor dem Tag und seinen Anforderungen, objekt- und situationsbezogene Ängste, Zukunftsangst, übersteigerte Befürchtungen
  • Grübelzustände, Gedankenkreisen, Denkhemmung, Leeregefühl im Kopf, Monotonie in der Sprache
  • Selbstvorwürfe wegen Nichtkönnen (Insuffizienzgefühl), Versagen und Minderwertigkeit (Selbstwertstörung), Nicht-geliebt-, Nicht-geschätzt-Werden, Schuldgefühle (Selbstverurteilung, -anklage), Klage über materielle Probleme, Verarmung oder körperliche Befindlichkeit (Hypochondrie)
  • Gefühl von Hilflosigkeit, Hoffnungslosigkeit, negative Selbsteinschätzung
  • Depressiver Wahn: Verarmungs-, Schuld-, Versündigungs-, Untergangswahn und hypochondrische Ideen
  • Ruhe- und Weglaufwünsche, Todeswunsch, Suizidideen als Erwägung oder Einfall, Suizidabsicht, frühere Suizidalität
  • Klagen über subjektiv erlebte Merk- und Konzentrationsstörungen

Antriebs- und psychomotorische Störungen

  • Lust- und Antriebslosigkeit, Nichtkönnen, leere Hektik
  • Psychomotorische Agitiertheit, Getriebenheit
  • Psychomotorische Hemmung, Stupor

Vegetative Symptome

  • Globaler Vitalitätsverlust mit rascher Erschöpfbarkeit, Müdigkeit, Kraftlosigkeit
  • Leibgefühlstörungen (Druck-, Spannungs-, Schweregefühl)
  • Appetitstörung, Gewichtsabnahme, Obstipation
  • Schlafstörungen (Ein-, Durchschlafstörung, zerhackter Schlaf, morgendliches Früherwachen, fehlende Erholung)
  • Tagesschwankungen (Morgentief, abendliche Aufhellung)
  • Saisonale Abhängigkeit der Depressionsauslösung
  • Libidostörungen, Impotenz beim Mann, Dysmenorrhö bei der Frau
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