Vier Säulen der Therapie
Für zwei Drittel aller depressiven Patienten ist der Hausarzt die erste Anlaufstelle. Tabelle 3 verdeutlicht die vier Säulen der heutigen Akutbehandlung einer Depression. Als Standard gilt die Kombination von biologisch-psychopharmakologischen und psychotherapeutisch- psychoedukativen Maßnahmen. Der gesamte Bereich der soziotherapeutischen Angebote zielt auf die Psychoedukation und Information von Angehörigen sowie auf ergotherapeutische und physiotherapeutische Behandlungsmöglichkeiten auch im ambulanten Bereich. Hinzu kommt die heute auch beim depressiv kranken Menschen erforderliche Begleitung bei einer (gestuften) Wiedereingliederung in den Beruf. Hier kommt auch eine Aufgabe auf die Betriebsärzte bzw. auf die Sozialpädagogen der Arbeitsämter zu, die diese Patienten begleiten. Als vierte Säule der Therapie gelten heute Selbsthilfegruppen, die der Stabilisierung, der gegenseitigen Stärkung durch Information und empathische Verbundenheit und der konkreten gegenseitigen Unterstützung dienen.
Tabelle 3 - Akutbehandlung der Depression im Alltag
Psychotherapie
- Einzelgespräche, Einzelpsychotherapie
- Gruppenpsychotherapie
- Selbstsicherheitstraining, soziales Kompetenztraining
- Aktivierungsgruppen
- Entspannungsverfahren
- Gestaltungstherapie
- Musik-, Kunsttherapie
Biologische Therapien
- Antidepressiva
- Lichttherapie
- Wachtherapie/Schlafentzug
- Psychiatrische Sport- und Bewegungstherapie, Gymnastik
- Elektrokrampftherapie
Soziotherapie
- Angehörigengruppe
- Sozialarbeit
- Ergotherapie
- Belastungstraining
- Rehabilitative Behandlungsmaßnahmen
- Leistungserprobung und -diagnostik
- Amb. psychiatrische Pflege
Selbsthilfe
- Selbsthilfegruppen für Depressive
- Selbsthilfe Angehörige
Medikamentöse Behandlung
Ohne auf das belastete Thema „klassische versus moderne Antidepressiva“ eingehen zu wollen, sei vor dem Hintergrund der eigenen, mehrere Jahrzehnte umfassenden Erfahrung mit depressiv Kranken im ambulanten und stationären Bereich auf Folgendes hingewiesen: Heutige Antidepressiva (Tab. 4) sind sozial verträglicher, denn ihre Nebenwirkungen sind nicht sichtbar. Sie beeinträchtigen nicht das Sprachvermögen durch Mundtrockenheit, die Straßenverkehrstüchtigkeit durch Sedierung, Konzentrations- und Gedächtnisfähigkeit durch Dämpfung, die Herz- Kreislauf-Tätigkeit durch Rhythmusstörungen und Hypotonie. Die am meisten einschränkenden Nebenwirkungen heutiger Antidepressiva (SSRI, SNRI) liegen im Bereich sexueller Störungen und einer manchmal zu sehr verminderten Ansprechbarkeit durch Außenreize. Initiale Nebenwirkungen wie flaues Gefühl im Magen oder Kopfdruck vergehen nach wenigen Tagen.
Tabelle 4 - Antidepressiva - eine aktuelle Auswahl
| Medikament |
Wirkstoff |
| Trizyklische Antidepressiva (TZA) |
Amitriptylin, Amitriptylinoxid, Clomipramin, Doxepin, Imipramin, Nortriptylin, Trimipramin |
| Tetrazyklische Maprotilin Antidepressiva (TeZA) |
Maprotilin, Mianserin |
| Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) |
Citalopram, Escitalopram, Fluoxetin, Paroxetin, Sertralin |
| Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer |
Reboxetin |
| Selektive Serotonin-/ Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SSNRI) |
Venlafaxin, Duloxetin |
| Noradrenerge und spezifisch serotonerge Antidepressiva (NaSSA) |
Mirtazapin |
| Selektiver Noradrenalin- und Dopamin-Wiederaufnahmehemmer |
Bupropion |
| MAO-Hemmer (RIMA) |
Moclobemid |
Akut- und Erhaltungstherapie
Die Akuttherapie einer Depression umfasst vier bis sechs Monate. Danach hat sich eine Erhaltungstherapie bzw. Verschlechterungsprophylaxe von weiteren vier bis sechs Monaten anzuschließen, wobei man heute für die Therapie insgesamt mindestens ein Jahr fordert. Damit verbunden sind regelmäßige Gesprächstermine (Tab. 5). Bei ambulanter Behandlung können diese anfänglich wöchentlich, später nach ausreichender Symptombesserung und -stabilisierung drei- bis vierwöchentlich stattfinden.
Tabelle 5 - Hilfe für schwer depressive Patienten in der Akutphase
- Bedingungsfreies aktives Zu- und Anhören
- Akzeptierende Wertschätzung, Empathie und Nähe
- Akzeptanz depressiven Erlebens und Klagens
- Beruhigende Versicherung
- Vermittlung von Hoffnung, Veränderungschance und Lebenskontinuität als Schutz vor Suizidalität
- Vermittlung von Krankheitskonzept und Besserungschance in gemeinsamer Arbeit, die Zeit, Geduld und Kompetenz erfordert
- Psychoedukative Intervention
- Hohes Beziehungsangebot und Fürsorge, auch sichernde Fürsorge mit Übernahme von Hilfs-Ich- Funktionen
- Vorgabe von Tagesstruktur, Aktivierung und Ablenkung durch individuelle und interaktionelle sportlich-gymnastische und kommunikative Angebote
- Positive Verstärkung nicht depressiven Verhaltens und Erlebens, begrenzte Beachtung depressiven Verhaltens
Wann ist die Klinikeinweisung nötig?
Eine Indikation für die stationäre Behandlung liegt vor, wenn Todeswünsche, konkrete Suizidideen und -absichten oder ein Suizidversuch in der Vorgeschichte bestehen, eine depressive Wahnsymptomatik deutlich wird, es sich um eine schwere somatische oder auch psychische nicht affektive Komorbidität handelt, die die Therapie kompliziert macht, der Patient vereinsamt ist, eine Behandlung im ambulanten Bereich nicht gewährleistet oder ein Patient anhaltend depressiv krank ist (über zwei Jahre bereits, Tendenz zur Chronifizierung und Therapieresistenz).
Literatur unter www.mmw.de
Für die Verfasser:
Prof. Dr. med. Dr. h. c. Manfred Wolfersdorf
Bezirkskrankenhaus Bayreuth
Nordring 2, D-95445 Bayreuth
E-Mail: [email protected]
Koautorin: Dipl.-Psych. Ulrike Rupprecht, Psychol.
Psychotheraeutin, Depressionszentrum,
Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik,
Bezirkskrankenhaus Bayreuth
Fazit für die Praxis
Eine Depressionsbehandlung ist ein sehr differenziertes und komplexes Geschehen und erfordert spezifische Kompetenz sowohl im psychotherapeutischen wie auch im psychopharmakologischen und soziotherapeutischen Feld. Ein regelmäßiges, zuverlässiges und auch vom Patienten als positiv erlebtes therapeutisches Angebot sollte standardmäßig eine adäquate antidepressive Medikation sowie regelmäßige stützende Gespräche bzw. Psychotherapie beinhalten.
Hinweis:
Dieser Artikel stammt aus (
MMW Fortschritte der Medizin, Heft 14 2009, S. 107). Er wurde mit freundlicher Genehmigung der Redaktion
MMW Fortschritte der Medizin hier präsentiert.
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