Vor dem Vortrag konnte ich kaum noch schlafen
Mein Doktorvater ließ mir da auch die notwendige Freiheit, damit ich meine Arbeit im Labor um mein Studium gruppieren konnte. Eine andere Verpflichtung, die mich am Anfang eiskalt traf, war die Teilnahme an den Abteilungsveranstaltungen. Also am Journal Club (Präsentation von aktuellen Publikationen) und am Progress Report (jeder Mitarbeiter muss halbjährlich seine eigene Arbeit präsentieren). Das Ganze auf Englisch, und das, obwohl ich doch seit der Schulzeit kein Englisch mehr gesprochen hatte! Irgendwann musste es ja kommen. Genauer gesagt: Musste ich dran kommen. Mein erster Progress Report: Ich glaube, das Wort "Panik" wäre eine Untertreibung. Ich war überzeugt, ich würde das erstens nicht hinkriegen, zweitens wollte ich es überhaupt nicht, drittens hatte ich in meinen Augen sowieso keine relevanten Daten und viertens Englisch, das ging schon gar nicht.
Ich konnte vier Wochen vorher kaum noch schlafen! Es hat natürlich geklappt. Mein Doktorvater hat während der Vorbereitung auf meinen ersten Vortrag großes Geschick an den Tag gelegt, mich zu führen, zu motivieren und mich nebenbei zu einem Powerpoint-Profi gemacht. Nach einem Haufen Probevorträgen war der Auftritt selbst dann fast Nebensache. Meine nächsten Vorträge machte ich dann immer selbstständiger und meine Angst wurde auch von Mal zu Mal weniger. Richtig Spaß hat dann mein erster Besuch auf einem Kongress gemacht, bei dem ich ein Poster mit meinen Ergebnissen vorstellen durfte. Es war ein komisches Gefühl, am Poster zu stehen und den Professoren – denn das waren die meisten – meine Arbeit zu erklären. Auch da war ich am Anfang nicht alleine, sondern mein Doktorvater stand irgendwo in Rufweite, sozusagen als Rettungsanker.
Schreiben – was ist das?
Ich habe zwei Jahre an meinen Experimenten gearbeitet. Es ist nicht einfach für mich, vom Experimentator zum Schreiberling zu werden. Ich denke, jeder Medizinstudent kann das nachvollziehen, denn wir werden nicht unbedingt zum Schreiben erzogen. Auf der anderen Seite freue ich mich auch auf die kommende Zeit. Ich habe mir die Semesterferien freigehalten, damit ich noch mal ausgiebig lesen und dann meine Ergebnisse in eine schöne Form bringen kann. Ich hatte mich absichtlich gegen ein Freisemester entschieden, dementsprechend hatte ich keinen Urlaub in dieser Zeit und gerade in den Klausurphasen war es manchmal stressiger, als ich es gerne gehabt hätte. Trotz allem würde ich mich wieder für eine Arbeit im Labor entscheiden. Gerade, weil es eine so schöne Ergänzung zur Klinik ist. Zu früh ist es für eine experimentelle Arbeit während der Vorklinik in keinem Fall. Bedenke bitte: In der Klinik hast du auch nicht mehr Ahnung von Zellkultur oder Molekularbiologie als in der Vorklinik! Ich habe in den letzten beiden Jahren viel gelernt: Experimente planen, verschiedenste Methoden quer durch die Molekularbiologie, Präsentationen erstellen, Vorträge halten – und auch über mich selbst habe ich viel Neues erfahren.
Such dir deinen Doktorvater gut aus. In meinen Augen kommst du um ein Praktikum vorher nicht herum. Du musst herausfinden, ob du mit der Arbeitsgruppe klar kommst, weil du sehr viel Zeit mit ihr zusammen verbringen wirst – und das nicht nur in Augenblicken, in denen alles rund läuft.
Ich persönlich finde das wichtiger, als eine lange Liste von Veröffentlichungen. Denn was bringen dir die Publikationen eures Doktorvaters im "Nature", wenn er sich nicht um die Natur eurer Sorgen und Probleme kümmert? Deshalb: Schau, dass dein Doktorvater auch dein Betreuer ist.
Es ist eine dumme Situation, wenn du irgendwann zwischen beiden stehst, weil sie sich nicht einig sind. Was du unbedingt brauchst, ist: Neugier, Mut, Durchhaltevermögen und sehr viel Geduld. Aber eines ist garantiert: Es lohnt sich!"