Viel gelernt in einem wunderschönen Land
von Nurcihan Kaplan
Meine Famulatur habe ich in einer Klinik in Port Shepstone an der südafrikanischen Ostküste gemacht. Da wir zu dritt angereist waren, erhielten wir abwechselnd Einblick in die Fachrichtungen Gynäkologie, Pädiatrie und Orthopädie. Die Ärzte sind in allen Fächern sehr nett und hilfsbereit, nehmen sich gerne Zeit und erklären viel. Sowohl theoretisches als auch praktisches Wissen wird gut vermittelt.
Das Team trifft sich morgens um acht Uhr zur Besprechung komplizierter Fälle und dort werden Therapievorschläge gemacht. Auch die Famulanten können sich einbringen. Später läuft man bei der Visite mit. Mein Oberarzt bestand auf mindestens zwei Patientenvorstellungen pro Tag. Nicht genug Arbeit – das kam nie vor: Nach der ein- oder zweistündigen Mittagspause wurden die Aufnahmen abgearbeitet. Zwischen 16 und 17 Uhr hatten wir Feierabend.
Spätestens nach drei Tagen ist man voll integriert, macht Blutabnahmen, Liquorpunktionen, arterielle Blutentnahmen, TBC- und HIV-Therapie. In der Gynäkologie konnte meine Kommilitonin nach drei Tagen die ersten Geburten übernehmen. Nach einer Woche war sie dann erste Assistentin am Tisch bei Sectios. Auch in der Orthopädie waren Einsätze am Tisch die Regel. Die Arbeit in der Notaufnahme offenbart Dramatisches über die Zustände in Südafrika: Gerade in den Nächten des Wochenendes kommt eine Schussverletzung nach der anderen in den „Emergency Room“.
Regelrecht babylonisch ist das Sprachengewirr, denn in Südafrika gibt es elf Amtssprachen. Die Ärzte untereinander sprechen Afrikaans, die Schwestern untereinander Zulu, und alle miteinander Englisch. Da die meisten Patienten jedoch kein Englisch sprechen, ist das Pflegepersonal für das Dolmetschen zuständig, was sich mitunter sehr abenteuerlich gestaltet. In der Pädiatrie folgte auf die kurze Frage an eine Mutter, wann ihr Sohn das letzte Mal Stuhlgang hatte, eine lange Litanei, die letztendlich nach Minuten in der Übersetzung die Antwort „Sie weiß es nicht“ erbrachte.
Eine Vorbereitung auf die Arbeit am Hospital ist nicht unbedingt notwendig. Wer in die Pädiatrie möchte, sollte sich vielleicht mit Dehydratation beschäftigt haben, denn die liegt bei mehr als zwei Dritteln der Patienten vor. Fundamentiertes Wissen hinsichtlich HIV und TBC ist ebenso empfehlenswert wie Kenntnisse in Mikrobiologie, denn die Labordiagnostik ist nicht sehr ausgefeilt. Oft werden Antibiosen einfach ausprobiert.
Die Bevölkerung in Südafrika, vor allem in Port Shepstone, ist bunt gemischt. Farbige, Weiße und Inder leben Seite an Seite. Alle sind sehr freundlich und hilfsbereit. Wir waren insgesamt fünf deutsche Studenten im Krankenhaus und sind jede Woche bei einem anderen Arzt eingeladen gewesen. Wir haben auch einige der sogenannten „Homelands“ besucht und dort zwei Medizinfrauen getroffen. Nach gemeinsamem Essen wurden Geister gerufen, Segen gesprochen, und wir konnten uns mit den beiden Frauen über das Verhältnis von Alternativmedizin und Schulmedizin austauschen.
In der Klinik in Port Shepstone habe ich sehr viel gelernt. Das fiel mir später in Deutschland beim Praktikum auf: Das System der Anamneseerhebung meines südafrikanischen Oberarztes habe ich verinnerlicht und wende es jedes Mal wieder an. Mein Fazit: Die fünf Wochen in diesem wunderschönen Land mit all den besonderen Menschen waren traumhaft. Ich würde jederzeit wieder hinfahren.